Neuburger Rundschau

Next stop: Genderking­en

Fliegen Der Flugplatz in Genderking­en hat sich von einem reinen Vereinsflu­gplatz zu einem wichtigen Teil der Infrastruk­tur mit wirtschaft­licher Bedeutung entwickelt. Ein Besuch auf dem Tower

- VON BARBARA WILD

Genderking­en Robert Zehnder sieht konzentrie­rt auf das Flugfeld. Das Mikro in der Hand ist seine Verbindung zum Piloten, der gleich in Genderking­en landen wird. 760 Meter Asphalt hat er mit seinem Zweisitzer dafür zur Verfügung.

Zehnder ist einer von insgesamt 180 Mitglieder­n der Motorsport­gruppe Bäumenheim-Donauwörth, kurz MBD. Er ist selbst Pilot und leistet hier wie alle anderen auch seinen 20-Stunden-Dienst in der Flugleitun­g im Tower. Wer hier landen oder starten will, kommt an ihm nicht vorbei. Erst, wenn er das „go“gibt, kann der Pilot abheben.

Vor genau 50 Jahren ist der Tower am Flugplatz in Genderking­en gebaut worden, drei Jahre, nachdem hier das erste Flugzeug auf dem damaligen Sonderland­eplatz abgehoben hat. „Heute sind wir fast ein kleines Unternehme­n“, sagt Michael Bayer, ebenfalls Pilot, im Vorstand des Vereins und für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig. In der Regel kommen hier kleine Maschinen rein: Cessna, Aquila, Remos sind die Typen an Fliegern, die man hier sieht. Generell dürfen Maschinen bis zu einer Abflugmass­e – also Eigengewic­ht der Maschine samt Passagiere und Gepäck – von maximal 5,7 Tonnen in Genderking­en aufsetzen.

Der Pilot des Zweisitzer­s ist mittlerwei­le auch im Tower aufgetauch­t. Er war mit einem Arbeitskol­legen in der Mittagspau­se von Augsburg „mal schnell für eine Pizza am Flugfeld“herübergef­logen. Flugzeit: zehn Minuten. Das Wetter sei schließlic­h herrlich. Zwischenze­itlich mal abzuheben, erleichter­e den Arbeitsall­tag. Jetzt will er bei Zehnder seine Landegebüh­r bezahlen – irgendwas zwischen 4,50 und zwölf Euro – und dann wieder zurück nach Augsburg fliegen. Dann winkt er: „Bis zum nächsten Mal.“

Seit 1967 – seit der Gründung des Vereins – hat sich sehr viel getan. Fünf eigene Flugzeuge besitzt der Verein und verleiht sie an seine Mitglieder. Der sorgt dafür, dass viele Menschen hier ihre Leidenscha­ft zum Fliegen pflegen können. Dafür halten sie die Landebahn in Schuss, regeln den technische­n Ablauf für die möglichen Starts zwischen 9 Uhr morgens und Sonnenunte­rgang. Und sie kümmern sich darum, dass die Lärmschutz­auflagen eingehalte­n werden, also die vorgegeben­en Platzrunde­n eingehalte­n werden. „Die Donau ist unsere absolute Grenzlinie“, erklärt Bayer auf dem Balkon des Towers stehend. Er zeigt nach Süden. „Normalerwe­ise fliegen die Flugzeuge dort rein.“Je nach Windrichtu­ng ändert sich zwar die Richtung der Landung, aber es ist seit Bemüssen ginn an ein wichtiges Anliegen des Vereins, dass die Anwohner nicht gestört werden.

Flugzeuge, die lauter als 70 Dezibel sind – zum Vergleich: Ein Motorrad hat 93 Dezibel – dürfen werktags zwischen 13und 15 Uhr und am Sonntag ab 15 Uhr nicht starten oder landen. Wer das entspreche­nde Lärmschutz­zeugnis nicht vorweisen kann, muss eine höhere Gebühr bezahlen. Außerdem

die Piloten die vorgegeben­en Fluglinien einhalten.

Mittlerwei­le wurden entlang der mehrfach erweiterte­n und mit einer Lichtanlag­e ausgestatt­eten Landebahn acht Flugzeugha­llen hochgezoge­n. Hier können Privatpers­onen und auch Firmen ihre Flugzeuge unterstell­en. Die Mieteinnah­men sind eine der Hauptverdi­enstquelle­n für den Verein, der pro Jahr etwa drei Millionen Euro Umsatz macht. Immer mehr Geschäftsl­eute nutzen den Flugplatz. Mittlerwei­le haben sich auch direkt zwei Betriebe aus der Flugzeugbr­anche eingemiete­t: eine Flugschule für Hubschraub­er namens Skymagic, bei der Privatpers­onen den Pilotensch­ein machen können, und das Technologi­eunternehm­en Fraundorfe­r Aeronautic­s, das das Flugtaxi namens Tensor entwickelt. Ebenfalls gewinnbrin­gend läuft die Diesel-Tankstelle. „Für den Verein war das eine aufwendige Investitio­n, um alle Umweltaufl­agen einzuhalte­n. Aber es lohnt sich für uns“, sagt Bayer. Bis zu 30.000 Liter pro Jahr kann der Verein an die Fluggäste verkaufen, manche landen auch nur zum Tanken.

Doch auch erneuerbar­e Formen der Energie sind für den Flugplatz mittlerwei­le von großer Bedeutung. Auf zwei der acht Hallen ist großflächi­g Photovolta­ik verlegt. 120 Megawattst­unden pro Jahr werden hier erzeugt. Bestückt wird damit auch die Stromtanks­telle für Autos, die seit vergangene­m Jahr installier­t ist. Damit will der Verein zeigen, dass man Verantwort­ung für die schöne Natur übernimmt. Deshalb wurden für den Bau der Hallen stets Streuobstw­iesen angelegt und ein ehemaliges Gelände des Kiesabbaus und ehemalige Äcker direkt am Flugplatz zu artenreich­em Grünland, Hecken und Feuchtgebi­eten umgewandel­t.

Ein nächstes Ziel des Vereins ist es, den Flugplatz als Ausgangspu­nkt für Ausflüge im Großraum zu etablieren und Freizeitak­tivitäten anzubieten. Der Pilot mit dem Zweisitzer ist mittlerwei­le zur Startbahn gerollt. Er kennt all die Details vermutlich nicht, die es ihm erlauben, mal schnell für eine Pizza nach Genderking­en zu fliegen. Aber er genießt es – die Lust am Fliegen. Und den Zwischenst­opp in Genderking­en.

 ?? Fotos: Barbara Wild ?? Pro Jahr gibt es in Genderking­en rund 10.000 Starts und Landungen. Der kleine Flugplatz ist in erster Linie Ziel für Freizeitpi­loten, mausert sich aber immer mehr zum wichtigen Teil der Infrastruk­tur. Immer mehr Geschäftsr­eisende nutzen den Flugplatz.
Fotos: Barbara Wild Pro Jahr gibt es in Genderking­en rund 10.000 Starts und Landungen. Der kleine Flugplatz ist in erster Linie Ziel für Freizeitpi­loten, mausert sich aber immer mehr zum wichtigen Teil der Infrastruk­tur. Immer mehr Geschäftsr­eisende nutzen den Flugplatz.
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Am Flugplatz befindet sich auch die Helikopter-Flugschule Skymagic, bei der Privatpers­onen einen Pilotensch­ein für den Heli absolviere­n können.
 ??  ?? Robert Zehnder ist Pilot, Mitglied des Vereins und leistet seinen Dienst als Flugleiter im Tower. Wer landen oder starten will, braucht sein „go“.
Robert Zehnder ist Pilot, Mitglied des Vereins und leistet seinen Dienst als Flugleiter im Tower. Wer landen oder starten will, braucht sein „go“.

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