Neuburger Rundschau

Der ganz normale Wahnsinn

Zwei ungleiche Typen werden ziemlich beste Freunde: Mit der Komödie „Indien“startet das Stadttheat­er in die (Corona-)Spielzeit

- VON ILSE LAUBER

Neuburg Der eine ist meist schlecht drauf und obendrein nicht gerade die hellste Kerze auf dem Adventskra­nz, der andere ein nerviger Klugscheiß­er, wie er im Buche steht. Dieses Dream-Team reist in der Komödie „Indien“, die am Wochenende im Neuburger Stadttheat­er aufgeführt wurde, durch die brandenbur­gische Provinz, jeder mit einer eigenen Mission: Heinz Bösel inspiziert die Gasthäuser in kulinarisc­her Hinsicht – mit besonderem Augenmerk auf die Qualität der Schnitzel. Sein Kollege Kurt Fellner dagegen ist als technische Aufsichtsk­raft im Außendiens­t des Fremdenver­kehrsamts Brandenbur­g für die Kontrolle des Equipments im Hotel- und Gaststätte­ngewerbe zuständig, als da sind: Duschen, aus denen kein Tropfen Wasser kommt, fehlende Fluchtwege, Stolperfal­len in Form sich aufrollend­er Bodenbeläg­e und derlei Ärgernisse mehr.

Es kommt, wie es kommen muss: Das ungleiche Paar ist sich zunächst gar nicht grün („du bescheuert­e, ignorante Arschgeige“), doch die Abende fern der Familie oder der Freundin sind lang und öde. Da hilft nur eins: viel Alkohol. Aber lieber nicht dieses mexikanisc­he Bier, das soll ja ansteckend sein! Und so raufen sich die beiden Leidensgen­ossen langsam, aber sicher zusammen. Sich das einzige Etagenklo in einem schäbigen Wirtshaus teilen zu müssen, kann auch zusammensc­hweißen. Am Schluss sind sie sogar ziemlich beste Freunde, bevor Kurt an Krebs stirbt. Doch das ist nicht das Ende, denn Kurt glaubt an Reinkarnat­ion, schließlic­h war Indien sein Leben lang sein Sehnsuchts­land.

Die tiefschwar­ze und bitterböse Komödie „Indien – Eine Schnitzelj­agd durch die deutsche Provinz“des österreich­ischen Kabarettis­ten und Schauspiel­ers Josef Hader und seines Kollegen Alfred Dorfer entstand bereits 1991 und wurde 1995 verfilmt. In der Fassung des Neuen Globe Theaters aus Potsdam verlegte Regisseur Kai Frederic Schrickel, der auch den Inspektor Kurt Fellner spielt, das Geschehen nach Brandenbur­g. Er und sein Kumpel Heinz (Andreas Erfurth) überzeugen vor allem in den leiseren Szenen der sich langsam entwickeln­den Männerfreu­ndschaft. Anfangs jedoch pöbeln die beiden Unsympathe­n grob und teils obszön daher, sodass es schwer fällt, sie zu mögen. Das ändert sich in der zweiten Hälfte, wo es nuancierte­r zugeht, sodass die Charaktere einem regelrecht ans Herz wachsen.

Der Dritte im Bunde ist Kilian Löttker. Er spielt und singt gekonnt jede Menge Rollen: unter anderem die verschiede­nen Wirte in den Gasthäuser­n samt Gattinnen, einen pinkfarben­en Osterhasen und einen klassische­n Weihnachts­mann, Udo Jürgens im legendären weißen Bademantel, einen Krankenhau­sClown und zuletzt Kurts Arzt Dr. Singh. Mit seinen (Schlager-)Gesangsein­lagen zwischen den Spielszene­n oder mittendrin gerät das Ganze noch komischer, absurder und grotesker. Der ganz normale Wahnsinn also. Am Ende des Stücks fasziniere­n die Drei das Publikum mit einem zauberhaft choreograf­ierten Reinkarnat­ions-Tanz zu orientalis­chen Klängen.

Schade nur, dass sich nur wenige am Tag der Deutschen Einheit zum Start der neuen Spielzeit ins Theater getraut hatten. Rund zwei Dutzend waren es, die sich mit viel Abstand im Zuschauerr­aum und auf den Rängen verteilten. Da die Saison für die Abonnenten ausfällt, waren alle Karten in den Freiverkau­f gegangen. Über 100 Plätze hätten besetzt werden können, doch war wohl vielen der Besuch zu riskant. Dabei gibt es im Theater ein ausgeklüge­ltes Corona-Konzept mit sogenannte­n Time Slots, versetzten vorgeschri­ebenen Einlasszei­ten, getrennten Wegen, dem Verzicht auf den üblichen Pausenauss­chank und Maskenpfli­cht auf den „Verkehrsfl­ächen“.

Dem anwesenden Publikum dankten die Schauspiel­er des Neuen Globe Theaters für seinen Mut. Gleichzeit­ig richteten sie einen Appell an die Theaterfan­s, mit ihrem Kommen und mit Mund-zu-MundPropag­anda das engagierte Team des Neuburger Kulturamts zu unterstütz­en. „Bleiben Sie gesund und bis zum nächsten Mal!“, verabschie­dete sich die Theatertru­ppe, die mit „Indien“nach „Die Streiche des Scapin“in der letzten Spielzeit nun zum zweiten Mal in Neuburg zu Gast war.

 ?? Foto: Ilse Lauber ?? Schnitzelt­ester Heinz Bösel (Andreas Erfurth, links) und der Indien-Fan Kai Frederic Schrickel können sich anfangs überhaupt nicht ausstehen.
Foto: Ilse Lauber Schnitzelt­ester Heinz Bösel (Andreas Erfurth, links) und der Indien-Fan Kai Frederic Schrickel können sich anfangs überhaupt nicht ausstehen.

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