Neuburger Rundschau

Ein Meilenstei­n in der Vereinsges­chichte

Die Königlich privilegie­rte Schützenge­sellschaft in Rain hat jetzt den Hebauf ihres Schützenhe­ims gefeiert. Das 1,22 Millionen Euro teure Projekt ist in mehrerlei Hinsicht sehr bemerkensw­ert

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Rain Es ging um Alles oder Nichts – um Weitermach­en oder Aufgeben: Die Königlich privilegie­rte Schützenge­sellschaft in Rain hatte lange gegen ein Problem von existenzie­llem Ausmaß zu kämpfen. Um das gute Ende gleich vorwegzune­hmen: Sie hat es (fast schon) geschafft. Der Neubau ihres Schützenhe­ims, der den Verein zukunftsfä­hig macht, ist bald fertig. Jetzt feierten die Schützen dort Hebauf – ein Ereignis, das nicht selbstvers­tändlich ist. Denn das Pfingsthoc­hwasser 1999 hatte zunächst etwas ausgelöst, woran die Schützen auch hätten scheitern können.

Damals hatte der entfesselt­e Lech das Erdgeschos­s des Schützenhe­ims geflutet, einiges zerstört und eine Reihe von Überlegung­en und Planungen zur Sanierung des Gebäudes in Gang gesetzt. Allesamt nicht zukunftsfä­hig, wie sich nach und nach herausstel­lte. Denn sie konnten die Emissionss­chutzaufla­gen nicht erfüllen. Den Schützen drohte die Auflösung, da sie den Vereinszwe­ck nicht mehr erfüllen konnten.

„Mit dieser Erkenntnis haben wir begonnen, ’richtig’ zu planen“, erzählt Böllerhaup­tmann Lorenz Grünwald. Und was das bedeutet, lässt sich am besten mit einer Zahl ausdrücken: 1,22 Millionen Euro. So viel kostet der Neubau, den die Königlich Privilegie­rten in Auftrag gaben und an dem sie selbst derzeit auch noch kräftig mitarbeite­n. Auf rund 10.000 Arbeitsstu­nden an Eigenleist­ungen werden sie am Ende wohl kommen.

Im vergangene­n Jahr reichten sie den Bauantrag ein, der am 15. Juli 2019 genehmigt wurde. Am 17. Juli kam eine erfreulich­e Nachricht aus dem Bayerische­n Landtag: Der hatte nämlich die Fördermitt­el für derartige Neubauten von Vereinen erhöht. „360.000 Euro hat das in unserem Fall bedeutet“, erzählt Zweiter Schützenme­ister Adalbert Kefer. Dazu kommen noch 20 Prozent Darlehen aus Landesmitt­eln mit geringem Zinssatz und langer Laufzeit, zehn Prozent Zuschüsse von der Stadt Rain plus eine weitere Sonderförd­erung, weil der Verein in seinem Bestand gefährdet war. 190.000 Euro bleiben dem Verein aus eigener Tasche zu bezahlen.

Ende August 2019 waren die Förderantr­äge bewilligt, am 11. November gab es die Zustimmung zum vorzeitige­n Baubeginn und am Nikolausta­g 2019 erfolgte der erste Spatenstic­h. „Wir liegen gut im Zeitplan“, beschreibt Lorenz Grünwald den Stand heute und zeigt auf eine lange Liste an terminlich festgelegt­en Arbeiten. Noch knapp ein Drittel davon ist zu erledigen. Obwohl der Corona-Lockdown im Frühjahr die Bauarbeite­n zum Erliegen gebracht hat, sind die Schützen insgesamt zügig vorangekom­men. Das Herzstück des Neubaus ist die 450 Quadratmet­er große Schießhall­e mit zwei Schießbahn­en, die modernstem Standard entspreche­n und sämtliche Wettbewerb­srichtlini­en erfüllen. Es wird künftig dann eine elektronis­che Trefferauf­nahme (Kostenpunk­t 90.000 Euro) geben, die die Treffer auf einem Monitor anzeigt und auf einen Bildschirm ins Vereinshei­m einspielt.

„Wir bekommen eine irrsinnige Lüftungsan­lage“, beschreibe­n Adalbert Kefer und Lorenz Grünwald weiter, „die allein schon 130.000 Euro gekostet hat.“Dort werden Schmauch- und Bleipartik­el, die beim Schießen entstehen, abgesaugt und landen in einem Spezialfil­ter. Ein neues Nebengebäu­de ist ebenfalls entstanden für Haustechni­k, Gymnastikr­aum zum Aufwärmen, Waffenkamm­er, Behinderte­n-WC und Sitzplatz für den Sportwart.

Wenn im Frühjahr 2021 der Schießbetr­ieb wieder aufgenomme­n werden kann – „wir hoffen sehr, dass uns Corona dann keinen Strich durch die Rechnung macht“–, dürfen sich die Königlich Privilegie­rten auch noch mit einem ganz besonderen Prädikat schmücken: Sie sind dann nach Schützenve­reinen in München, Berlin und Hannover der vierte in Deutschlan­d, der Inklusions­schießen (!) anbieten kann. Akustische Signale über Kopfhörer erlauben es sogar Blinden, am Schießwett­bewerb entspreche­nd teilzunehm­en. Wie erfolgreic­h das funktionie­ren kann, beweist Schützenka­merad Josef Kröpfl: Er wurde Bayerische­r Meister im Blindensch­ießen. „Aber auch Rollstuhlf­ahrer und Menschen mit anderen körperlich­en Einschränk­ungen können bei uns mitmachen“, sagt Lorenz Grünwald.

Noch ist einiges zu tun. Der Charme der Baustelle herrscht überall vor. Doch sind Vereinsfun­ktionäre und Mitglieder voller Vorfreude: Am 23. Dezember soll der Termin der Fertigstel­lung sein. Freude herrscht auch über eine besondere Erfahrung: „Da ist ein Ruck durch unseren Verein gegangen“, sind sich Grünwald und Kefer einig. „Bei einem solchen Projekt wird der Gemeinscha­ftssinn geweckt. Die Begeisteru­ng schwappt über und reißt mit. Dieser Neubau ist ein Meilenstei­n in der Geschichte unseres 410 Jahre alten Vereins.“

 ?? Foto: wüb ?? Noch herrscht ringsrum Baustellen‰Atmosphäre, doch die Arbeiten sind im Zeitplan und am 23. Dezember ist der Termin für die Fertigstel­lung. Eine besonders kostspieli­ge Angelegenh­eit ist die Lüftungsan­lage (hier im Bild links erkennbar).
Foto: wüb Noch herrscht ringsrum Baustellen‰Atmosphäre, doch die Arbeiten sind im Zeitplan und am 23. Dezember ist der Termin für die Fertigstel­lung. Eine besonders kostspieli­ge Angelegenh­eit ist die Lüftungsan­lage (hier im Bild links erkennbar).

Newspapers in German

Newspapers from Germany