Urteil im Totschlagsprozess
Eine 30-Jährige wird zu einer sechseinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt, weil sie ihren Ex-Freund im Drogenrausch in der gemeinsamen Wohnung in Bittenbrunn erstochen hat. Bald muss sie eine Therapie machen
Eine 30-Jährige ist am Landgericht Ingolstadt zu einer sechseinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Sie hatte in Bittenbrunn ihren Ex-Freund erstochen. »
Ingolstadt Reglos hört die Angeklagte die Worte des Vorsitzenden Richters Konrad Kliegl: „Sechs Jahre und sechs Monate Haft.“Es ist die Strafe für eine Tat, die im vergangenen Jahr, einen Tag vor Weihnachten, den Neuburger Ortsteil Bittenbrunn erschüttert hatte. Eine damals 29-Jährige – die Angeklagte – hatte mitten in der Nacht in der gemeinsamen Wohnung in der Eulatalstraße ihren Ex-Freund erstochen. Zwei Mal hatte sie ihm ein Messer in den Körper gerammt, „binnen weniger Minuten sei der Mann verblutet, so Kliegl. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, muss die Frau aber wohl nicht mehr lange ins Gefängnis. Bereits ab März – dann wäre sie einschließlich der Untersuchungshaft 15 Monate in Haft gewesen – könnte sie mit ihrer zweijährigen Drogentherapie beginnen. Der Rest der Strafe könnte zur Bewährung ausgesetzt werden.
Die Angeklagte hatte die Tat – zumindest in Teilen – zugegeben. Sie habe auf den 41-Jährigen mit einer Tasse eingeschlagen und danach auf ihn eingestochen. Doch alles nur, weil sie sich wehren wollte. Weil der Mann sie zuvor im Streit mit einem Messer bedroht habe, sie angreifen wollte. Voller Panik habe sie sich nur verteidigen wollen. Ihre Anwältin Christina Keil (München) hatte deshalb auch auf Freispruch plädiert.
Doch das Gericht folgte der Notwehr-Version der Angeklagten nicht. „Diese Einlassung ist nicht plausibel und auch nicht glaubwürdig“, sagte Konrad Kliegl. Allein ein Blick auf die beiden Ex-Partner zeige „zwei völlig unterschiedliche Charaktere“: Das spätere Opfer sei von den Zeugen durchweg als ruhig beschrieben worden, als eine devote Person, die alles mit sich machen lasse. Die 30-Jährige hingegen raste schnell aus, unter Drogen, so sagte ein Zeuge, werde sie „zum Monster“. „Sie die Königin, er der Sklave“, fasste Kliegl die Beziehung der beiden zusammen. Die war gerade in den letzten Monaten in der Tat immer problematischer geworden. Im Sommer zuvor war der 41-Jährige bereits aus Angst vor seiner Partnerin aus der gemeinsamen Wohnung geflohen und hatte monatelang bei einem Freund Unterschlupf gefunden. Zuvor hatte ihn ein Bekannter der 30-Jährigen verprügelt, als er beide inflagranti erwischt hatte. Ihr Verhältnis zum 41-Jährigen war in erster Linie noch von finanziellen Bedürfnissen geprägt: Sie brauchte sein Geld, um ihre Drogensucht finanzieren zu können.
Eskaliert waren die ewigen Streitereien des Paares schließlich in der
Nacht auf den 23. Dezember, als die Frau irgendwann zwischen halb zwölf und halb eins zum Messer gegriffen hatte. Dass es sich dabei nicht um Notwehr gehandelt habe, dafür sprechen laut Kliegl noch weitere Anhaltspunkte.
Warum, fragte er, ist der Mann der Angeklagte nicht gefolgt, als sie angeblich ins Schlafzimmer geflüchtet war, wenn er sie denn hätte umbringen wollen? Und warum hatte die Frau kaum Abwehrverletzungen? Und warum hatte die Frau erst rund zweieinhalb Stunden, nachdem der Mann schon tot war, erst einen Notruf abgesetzt, bei dem in keiner Weise von Notwehr die Rede war? In der Zwischenzeit hatte sie ein wenig aufgeräumt und geputzt.
Das Landgericht Ingolstadt hat die Frau letztendlich wegen Totschlags in einem minderschweren Fall verurteilt. Minderschwer unter anderem deshalb, weil die Frau während der Tat unter Drogen gestanden hat und auch betrunken war. Von einem höchstmöglichen Promillewert von 2,75 war vor Gericht die Rede.
Die Drogenkarriere der Frau hatte begonnen, da war sie Anfang 20. Zuerst mit Amphetaminen, später war Heroin dazugekommen. Diese Sucht war es nach Überzeugung des Gerichts letztendlich auch, die erst zu den fatalen Messerstichen kurz vor Weihnachten geführt hatte. Ohne Drogen, sagte Konrad Kliegl in seiner Urteilsbegründung, „wäre es zu dieser Tat überhaupt nicht gekommen“. Deshalb umfasst das Urteil auch einen Entzug und eine zweijährige Drogentherapie, der sich die Angeklagte auch unterziehen will. Danach könnte sie auf Bewährung frei kommen.
„Schau’n Sie, dass Sie aus sich was machen. Ohne erfolgreiche Therapie werden Sie nie auf einen grünen Zweig kommen“, sagte Kliegl zum Schluss seiner Urteilsbegründung. Die Frau auf der Anklagebank nickte.