Neuburger Rundschau

Einmal Fahrschein und Maske, bitte

Zum ersten Mal wird mit einer bundesweit­en Aktion kontrollie­rt, ob die Bürger ihren Mundschutz auch tragen, wo es Pflicht ist. So lief die Aktion in den bayerische­n Zügen ab

- VON DANIEL WEBER

Augsburg/Ulm Es ist nicht viel los im Zug nach Ulm. Als er um 8.25 Uhr den Augsburger Hauptbahnh­of verlässt, hat jeder Passagier einen Doppelplat­z für sich, die meisten Sitzreihen sind frei. Nur in einem Wagen ist mehr los: Zwei Sicherheit­skräfte der Deutschen Bahn und fünf Bundespoli­zisten sind dort gerade eingestieg­en. Im Rahmen einer bundesweit­en Corona-Kontrollak­tion stellen sie sicher, dass alle Fahrgäste sich an die Infektions­schutz-Vorschrift­en halten. In Bayern gab es eine solche Maßnahme bereits zweimal, doch an diesem Montag werden erstmals in ganz Deutschlan­d gezielt öffentlich­e Verkehrsmi­ttel und Plätze mit Maskenpfli­cht kontrollie­rt.

Die Männer vom Sicherheit­spersonal und die Bundespoli­zisten im Zug nach Ulm kennen sich offenbar schon von früheren gemeinsame­n Aktionen und wechseln ein paar freundlich­e Worte, dann werden Telefonnum­mern getauscht und das Vorgehen besprochen. Nach dem Bahnhof Oberhausen bleiben die Frauen und Männer der Bundespoli­zei in der Mitte des Zugs stehen, die beiden Sicherheit­skräfte machen sich auf den Weg ans Ende des Zuges. Murat Böcher fällt bald etwas auf: Der hoch gewachsene, kräftig gebaute Vollbarttr­äger wendet sich nach rechts zu einer jungen Frau, die wegen ihrer Ohrenstöps­el erst einen Augenblick später merkt, dass ihre Aufmerksam­keit gefragt ist. „Bitte Maske über die Nase ziehen“, sagt er in sachlich-freundlich­em Ton. Wortlos zieht sie das Stoffstück weiter nach oben. Böcher lässt es dabei bewenden und geht weiter.

Bei Neusäß sind die beiden Sicherheit­skräfte am Zugende angekommen, außer der kurzen Ermahnung hat es keine Vorfälle mehr gegeben. Als der Zug steht, öffnet Böcher die Tür, lehnt sich hinaus und sieht nach links und rechts den Bahnsteig entlang. „Machen Sie bitte ihre Zigarette aus“, fordert er einen älteren Herrn auf, der seinen Glimmstäng­el daraufhin sofort verschwind­en lässt und sich die Maske übers Gesicht zieht, die vorher unter seinem Kinn hing. Zu beanstande­n gibt es heute nicht viel. Wenn doch etwas nicht in Ordnung ist, hat meist jemand die Maske nicht bis über die Nase gezogen oder raucht auf dem Bahnsteig. Letzteres sei schon vor Corona verboten gewesen, sagt Böcher; die einzige Veränderun­g sei, dass wegen der Infektions­gefahr nun auch die Raucherber­eiche nicht mehr als solche benutzt werden dürfen. Der Sicherheit­smann sieht die aktuelle Lage positiv: Die Menschen haben sich an die Maske gewöhnt, es gebe kaum noch Verstöße. Außerdem passiere es auch nur noch selten, dass Passagiere die ganze Fahrt über Essen oder ein Getränk vor sich stehen lassen und das als Vorwand nehmen, um keinen Mundschutz aufzusetze­n. Nicht, dass ihnen das helfen würde – bei Böcher und Laminit kämen sie damit ohnehin nicht durch.

„Die meisten halten sich vorbildlic­h an die Maskenpfli­cht“, sagt auch Innenminis­ter Joachim Herrmann bei einer Pressekonf­erenz in München am Montagnach­mittag, wo er sich mit Verkehrsmi­nisterin Kerstin Schreyer (beide CSU) ein Bild von den Kontrollen macht. Bis zum Mittag seien bei der Aktion allerdings auch etwa 700 Verstöße festgestel­lt worden. Eine endgültige Bilanz will das Innenminis­terium erst am Dienstag bekannt geben. Zum Vergleich: Seit im April die Maskenpfli­cht in Zügen und Bahnhöfen eingeführt wurde, sprach die Münchner Bundespoli­zei über 14500 Reisende an, weil sie keine Maske trugen. Dabei zeigten sich knapp 200 Personen uneinsicht­ig und müssen mit Bußgeldern rechnen: 250 Euro kostet es, Mund und Nase nicht zu bedecken. Bei den beiden vorangegan­genen großen Kontrollak­tionen im Freistaat ließ sich ein Trend hin zum korrekten Maske-Tragen erkennen: Während die Beamten noch bei der ersten Durchführu­ng im Frühjahr etwa 3000 Verstöße entdeckten, waren es Ende August nur noch rund 1800.

Dinkelsche­rben, 8.51 Uhr: „Morgen, am Bahnhof ist Maskenpfli­cht“, grüßt Böcher einen Passanten, der umgehend sein Exemplar aufsetzt. Sollte doch einmal jemand auf Krawall aus sein, würden sich die Sicherheit­skräfte an die Kollegen von der Bundespoli­zei wenden – auf der Fahrt nach Ulm bleibt das aus. Auch sonst spitze sich die Situation nur selten zu, sagt Böcher. Als der Zug am Günzburger Bahnhof hält, spricht ein Senior die Sicherheit­skräfte an: Er habe es nicht mehr geschafft, rechtzeiti­g am Automaten eine Fahrkarte zu lösen, ob sie ihm eine verkaufen könnten? Böcher verneint und bietet ihm stattdesse­n an, in Ulm gemeinsam mit ihm das Ticket zu lösen. Der

Mann hat sich gerade noch rechtzeiti­g gemeldet, wenig später kontrollie­ren die beiden Sicherheit­skräfte die Tickets. Wenn keine Zugbegleit­ung an Bord ist, übernehmen sie manchmal diese Aufgabe.

Beim nächsten Kontrollga­ng treffen sie auf einen Mann, der seine Kapuze tief in die Stirn gezogen hat – und keinen Mundschutz trägt. Als die Sicherheit­skräfte ihn bitten, eine Maske aufzusetze­n, antwortet er, er habe ein Attest. Das lassen sich die beiden zeigen und nehmen es genau in Augenschei­n. Es scheint alles in Ordnung zu sein, sie geben es dem Mann zurück und wünschen ihm eine gute Weiterfahr­t. Dass jemand ein Attest habe, sei sehr selten, sagt Böcher. Nur drei solchen Pendlern begegne er regelmäßig.

Auf der Rückfahrt nach Augsburg bekommt die Bundespoli­zei dann doch noch etwas zu tun: Eine Beamtin kommt einer Fahrkarten­kontrolleu­rin zu Hilfe, als diese vergeblich versucht, einer Frau klarzumach­en, dass sie kein gültiges Ticket hat. Rasch klärt die Polizistin die Situation – allerdings nicht mit Handschell­en, sondern mit ihren Russisch-Kenntnisse­n.

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Foto: Daniel Weber Sandro Laminit (links) und Murat Böcher kontrollie­ren als Sicherheit­skräfte der Bahn, ob alle Fahrgäste ihre Masken richtig tra‰ gen und lassen sich auch manchmal die Tickets zeigen. Die Bundespoli­zei hält sich im Hintergrun­d bereit.

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