Europäische Stärke im Jahr des Büffels
Berlin und Brüssel haben sich von China lange Jahre fast alles gefallen lassen. Mit dem von Merkel und von der Leyen verkündeten Investitionsabkommen wendet sich das Blatt. Das Selbstbewusstsein wächst
Es gibt in den Beziehungen zwischen Deutschland, der Europäischen Union und China Dinge, die bis an den Wohnzimmertisch durchschlagen. Wer zum Abendessen eine Flasche Moselwein öffnet, kann sich sicher sein, dass der edle Tropfen aus der Moselregion ist und nicht ein chinesisches Imitat. „Für die deutschen Weinbauern an der Mosel, aus Franken und Rheinhessen ist das heute ein guter Tag, genauso für das Münchener und das bayerische Bier“, freute sich Kanzlerin Angela Merkel nach dem jüngsten EU-China-Gipfel. Es sei gelungen, auch bei den Handelsund Wirtschaftsfragen einmal einen praktischen Schritt zu machen, „nämlich eine Einigkeit über einen ersten Schritt bei geografischen Herkunftsbezeichnungen festzulegen“, erklärte die CDU-Politikerin. Geografische Herkunftsbezeichnungen sind wichtig, weil sie Absatzmärkte der regionalen Hersteller sichern. Darüber hinaus zeigen auch solche vermeintlichen Kleinigkeiten, dass sich Europa in der politischen Auseinandersetzung mit China nicht nur behaupten will, sondern dabei zunehmend erfolgreich ist.
Im Rahmen einer Videokonferenz haben die Spitzen von EU und China gerade den politischen Abschluss des Investitionsabkommens (Comprehensive Agreement on Investment, CAI) verkündet. Das CAI, wenn auch selbst kein Freihandelsabkommen, ist eine notwendige Antwort auf das im November unterzeichnete Abkommen Chinas mit 14 Staaten der Asien-Pazifik-Region, das zur weltweit größten Freihandelszone führen wird. Nachdem es in den letzten Jahren so schien, als ob Berund Brüssel sich fast alles von China gefallen lassen, begeben sich die Europäer damit vor allem ein Stück weit mehr auf Augenhöhe mit der Volksrepublik.
Wenn über die deutschen und europäischen Beziehungen zu China geredet wird, fällt zu Recht das
Stichwort Menschenrechte. Chinas Staatspräsident Xi Jinping erklärte bei seiner Eröffnungsrede zum Davos-Weltwirtschaftsgipfel zwar, kein System sei besser als ein anderes. Doch das steht nicht im Einklang mit den Bildern, die China produziert: blutig geprügelte Demonstranten in Hongkong.
Zwangsverhaftete muslimische Uiguren. Kampfjets und Bomber im Südchinesischen Meer. Internetsperren. Isolationshaft ohne Anwaltskontakt. Folterungen – die Liste ist lang. Und mit solch einem Schurkenstaat soll man Geschäfte machen?
Die Wirklichkeit beantwortet diese Frage. Die EU zählt bei Imund Exporten zu den größten Handelspartnern Chinas, umgekehrt ist es genauso. Wer „Made in China“kauft, unterstützt Peking. Und wie wenig Moral zählt, wird sich zeigen, falls Deutschland chinesischen Impfstoff braucht. Im Fall von Russland jedenfalls spielen moralische Bedenken gerade keine Rolle. Hauptsache, Moskau rückt genug Sputnik-V-Impfstoff heraus.
Kanzlerin Merkel hat China viel Aufmerksamkeit gewidmet. Ihr Terminkalender weist seit Amtsantritt zum Stichwort China 137 Einlin träge auf, bei den USA sind es nur 30 mehr. Themen wie Menschenrechte, Zwangsarbeit oder Nachhaltigkeit haben es unter ihrer Regie immerhin ins neue Investitionsabkommen geschafft. Es sind teils nur vage Klauseln, die Peking unterschrieben hat. Aber es sind weitere Schritte.
Die meisten europäischen Regierungen haben, um ein anderes Beispiel zu nennen, die Beteiligung von Huawei am Ausbau der 5G-Netze ihrer Länder massiv eingeschränkt. Das mag vielen, ähnlich wie beim Moselwein, nur eine Anekdote sein. Es ist aber auch dies Ausdruck einer Europäischen Union, die im Zusammenspiel von Merkel und der deutschen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Start eines Jahres, das laut chinesischem Horoskop im Zeichen des Büffels steht, klarer und robuster gegenüber China auftritt als je zuvor.
Zwangsarbeit und Umweltschutz sind als Themen gesetzt