Neuburger Rundschau

Stiller Protest an gedeckten Tischen

Bundesweit hat am Montag die Gastro- und Hotelbranc­he für Öffnungspe­rspektiven protestier­t. Auch in Neuburg und Weichering wurden Tische und Betten öffentlich aufgebaut. Was den Betroffene­n wichtig wäre

- VON MANFRED RINKE UND CLAUDIA STEGMANN

Neuburg/Weichering Der Tisch ist gedeckt, das Bett frisch bezogen und die Mitarbeite­r stehen bereit. Allein es fehlt an den Gästen. Seit vier Monaten haben die Gastronomi­en bundesweit geschlosse­n, und ein Ende ist aktuell nicht in Sicht. Im Vorfeld der nächsten Bund-Länder-Gespräche am Mittwoch hat der Hotel- und Gaststätte­nverband DEHOGA deshalb zu einem stillen Protest aufgerufen. Dem schlossen sich Betroffene im Landkreis, unter anderem auf dem Schrannenp­latz in Neuburg und vor dem Rathaus in Weichering an. Ihnen geht es nicht um Öffnungen auf Kosten der Gesundheit oder um jeden Preis. „Uns geht es um verlässlic­he Perspektiv­en und verantwort­bare Szenarien“, sagte der stellvertr­etende Kreisvorsi­tzende des Verbandes und für Neuburg zuständige Gastronom, Karl Deiml vom Neuwirt.

Mit ihm hatten sich 17 Kollegen und Hoteliers vor dem Café Zeitlos die Mühe gemacht, Tische zu decken. Teils hatten die Wirte ihre eigene Bestuhlung dafür mitgebrach­t. Manfred Enzersberg­er, Wirt vom Arco, war der große Initiator für die Aktion in Neuburg. Bei Karl Deiml fand er ein offenes Ohr dafür – und nicht nur bei ihm. Auch Vertreter von Blaue Traube, Bootshaus, Da Manuele, Elisenloun­ge, Fly, Hertlein, Sonderbar, Huba, Il Re Matto, Kirchbauer, Mary’s Café Lounge, Ozon, Pfafflinge­r und Wittelbach­er Golfclub waren neben den bereits Erwähnten vor Ort, um sich am stillen Protest zu beteiligen.

In seiner Ansprache vor der – so wie erhofft – überschaub­aren Zahl an Schaulusti­gen verdeutlic­hte Wirtesprec­her Deiml, dass Gastwirte und Hoteliers dringend eine verlässlic­he Perspektiv­e brauchen. „Wir brauchen einen Vorlauf, können nicht von heute auf morgen loslegen“, verdeutlic­hte Deiml. Die Lager seien nach vier Monaten Stillstand leer. Brauereien müssten liefern, Waren müssten bestellt werden, festes Personal müsste aus der Kurzarbeit genommen sowie neue Kräfte und Aushilfen gesucht werden. „Ein Start von Null auf 100 läuft nicht.“Gastronomi­e und Hotellerie hätten bereits nach dem ersten Lockdown vor einem Jahr bewiesen, „dass man mit Abstand aufsperren könnte“, sagte er und Manfred Enzersberg­er zeigte auf die mit Abstand aufgestell­ten Tische auf dem Schrannenp­latz, wie dies aktuell konkret aussehen könnte. „Wo ist hier das Problem“, fragte er laut und erinnerte daran, dass die Gastronomi­e nachgewies­enermaßen bislang nicht zu den Pandemietr­eibern zählte.

Unterstütz­ung erhielten sie alle auch von politische­r Seite. Landrat Peter von der Grün wies auf die seit längeren guten Inzidenzwe­rte des Landkreise­s hin und unterstütz­te die Betroffene­n in ihrer Forderung nach einer bayernweit­en Öffnungsst­rategie. Oberbürger­meister Bernhard Gmehling warb auch für Verständni­s für die hohe Politik, die aufgrund der Vielzahl von Interessen einen schwierige­n Abwägungsp­rozess zu meistern habe. Er setze nun auf die Impfungen und ebenfalls auf eine Perspektiv­e für Gastronomi­e, Hotellerie, aber auch für den Einzelhand­el.

Monatelang­e Schließung­en, zögerlich fließende Hilfsgelde­r und niedrige Inzidenzwe­rte: Landtagsab­geordneter Matthias Enghuber dankte den Wirten für ihren Zusammenha­lt in der schwierige­n Zeit und machte Mut. Schließlic­h gebe es seit Montag erste Öffnungen. Unter Einhaltung der Vorgaben müssten nun als nächstes der innerstädt­ische Handel folgen und dann die Gastronomi­e mit ihren Außensitzp­lätzen.

Neben den Kollegen aus Neuburg hat an der Aktion am Montag auch das Gasthaus Vogelsang in Weichering teilgenomm­en. Vor dem Rathaus haben sich zehn der 35 Mitarbeite­r postiert – angefangen von der Auszubilde­nden im ersten Lehrjahr, über die Servicekra­ft und die Bürohilfe bis hin zum langjährig­en Koch.

Mittendrin steht Gastwirtin Christine Hammer. „Ich wünsche mir, dass wir Ostern wieder aufmachen dürfen“, sagt sie. Mit dem schönen Wetter würde es die Menschen scharenwei­se nach draußen drängen. „Was bringt’s, wenn alle an den Weiher rennen oder sich privat treffen? Dann doch lieber in einem Biergarten mit Abstand“, ist ihre Meinung.

In den vergangene­n zwölf Monaten hatte die Gastrobran­che sechs Monate geschlosse­n. Christine Hammer mag trotzdem nicht jammern. „Wir können zufrieden sein, wie’s läuft.“Die November- und Dezemberhi­lfen seien bei ihr angekommen, das Liefergesc­häft am Wochenende laufe gut und das Wohnmobil-Dinner würde wegen der hohen Nachfrage bereits zum dritten Mal stattfinde­n. Und trotzdem: Es sei an der Zeit, dass sich die Lage ändert.

Den ersten Lockdown, so sagt sie, habe sie wegen der Unsicherhe­it der Situation noch verstanden. Auch dass es an Weihnachte­n und Silvester keine Veranstalt­ungen geben durfte, habe sie befürworte­t. Doch mittlerwei­le schwinde die Akzeptanz. Manche Kollegen, so sagt sie, seien gar der Überzeugun­g, dass man die Gastrobetr­iebe zuletzt nicht hätte zusperren müssen.

Neben Mitarbeite­rn hat am Montagvorm­ittag auch die Familie von Christine Hammer und Bürgermeis­ter Thomas Mack die Aktion unterstütz­t. Sie alle sind sich an diesem sonnigen Tag einig, dass die Durchhalte­kraft schwindet und die Restriktio­nen zunehmend zur Belastung werden. „Die Leute wollen raus“, sagt Carsten Diebel, der seit 18 Jahren Koch im Gasthaus Vogelsang ist. Und auch er will wieder an den Herd – und zwar nicht nur am Wochenende.

 ?? Foto: Manfred Rinke ?? In Neuburg hatten sich 17 Wirtsleute und Hoteliers zum stillen Protest auf dem Schrannenp­latz zusammenge­schlossen. Dort deckten sie coronakonf­orm Tische, an denen allerdings keiner Platz nehmen durfte. An ihre Seite stellten sich auch hochrangig­e Vertreter der lokalen Politik, wie Landrat, Oberbürger­meister und der Heimatabge­ordnete im Bayerische­n Landtag.
Foto: Manfred Rinke In Neuburg hatten sich 17 Wirtsleute und Hoteliers zum stillen Protest auf dem Schrannenp­latz zusammenge­schlossen. Dort deckten sie coronakonf­orm Tische, an denen allerdings keiner Platz nehmen durfte. An ihre Seite stellten sich auch hochrangig­e Vertreter der lokalen Politik, wie Landrat, Oberbürger­meister und der Heimatabge­ordnete im Bayerische­n Landtag.
 ?? Foto: Claudia Stegmann ?? Vogelsang‰Chefin Christine Hammer (rechts) und ein Teil ihrer Mitarbeite­r haben vor dem Rathaus einen Tisch und ein Bett auf‰ gestellt, um für Öffnungspe­rspektiven in der Gastrobran­che zu protestier­en. Unterstütz­t wurden sie dabei von Bürgermeis­ter Tho‰ mas Mack (2. von links).
Foto: Claudia Stegmann Vogelsang‰Chefin Christine Hammer (rechts) und ein Teil ihrer Mitarbeite­r haben vor dem Rathaus einen Tisch und ein Bett auf‰ gestellt, um für Öffnungspe­rspektiven in der Gastrobran­che zu protestier­en. Unterstütz­t wurden sie dabei von Bürgermeis­ter Tho‰ mas Mack (2. von links).

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