Wie gesund sind Avocado und Co.?
„Superfoods“sollen uns fit halten und das Leben verlängern. Doch häufig fehlen wissenschaftliche Nachweise – oder es gibt sogar Gesundheitsrisiken. Die angeblichen Wunder-Lebensmittel im Faktencheck
Smoothies mit ausgepressten GojiBeeren für bessere Haut, umweltverträgliche Bio-Avocados direkt vom spanischen Erzeuger und ChiaSamen mit der Superladung Omega3-Fettsäuren: Supermarktregale sind voll mit immer neuen angeblichen „Super-Lebensmitteln“, also Lebensmittel, die als besonders gesund oder nährstoffreich beworben werden. Denn nimmt man viele Werbetexte ernst, könnte man beinahe glauben, im Supermarkt gäbe es das ewige Leben zu kaufen – natürlich mit gutem sozialen Gewissen. Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der bayerischen Verbraucherzentrale verraten, was wirklich in sogenannten „Superfoods“steckt und worauf man beim Kauf achten sollte.
„Superfood“ist ein Marketingbegriff, für dessen Verwendung es keine gesetzlichen Regeln gibt. Jedes beliebige Nahrungsmittel kann also als Super-Lebensmittel verkauft werden. Für die oft beworbenen gesundheitsfördernden Eigenschaften von „Superfoods“fehlen meist wissenschaftliche Nachweise: „Die meisten Aussagen zu Superfoods stammen von gewerblichen Anbietern, einzelnen Beratern oder Interessengruppen“, so Daniela Krehl, Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung bei der bayerischen Verbraucherzentrale. „Dabei überwiegen Anekdoten und Erfahrungsberichte. Scharlatanerie ist weit verbreitet. Gesicherte Daten zu Enzymgehalten oder den Mengen einzelner sekundärer Pflanzenstoffe fehlen in der Regel“, sagt die Expertin.
Häufig sind „Superfoods“nicht nur teuer, sondern stammen auch nicht aus heimischem Anbau. Umweltbewusste Verbraucher sollten deshalb darauf achten, deutsche – oder besser noch: regionale – SuperLebensmittel zu kaufen: „Wenn Superfood, dann zum Beispiel Leinsamen statt Chiasamen, Grünkohl statt Algenextrakt, heimische Blaubeeren und Rotkohl statt Goji-Beeren“, empfiehlt Astrid Donalies, Ernährungsexpertin und Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Die Versprechungen, mit denen „Superfoods“beworben werden, sind vollmundig: Superfoods sollen das Leben verlängern, die Gesundheit fördern, der Schönheit zuträglich sein. Werden solche Lebensmittel in Kapselform gekauft, ist sogar Vorsicht geboten: Durch die Konzentrierung von reizenden oder toxischen Stoffen kann es auch zu gesundheitlichen Problemen kommen, so die Expertin. Die DGE empfehle ohnehin keine Nahrungsergänzungsmittel für gesunde Erwachsene – mit Ausnahme von Jodsalz.
Daniela Krehl von der bayerischen Verbraucherzentrale weist außerdem darauf hin, dass exotische Lebensmittel – egal ob pur oder als Extrakt – immer mit dem Risiko behaftet sind, Überempfindlichkeitsreaktionen oder Allergien auszulösen. Auch komme es immer wieder vor, dass als „Superfood“verkaufte Beeren, Samen, Algen oder getrocknete Pflanzen mit Pestiziden, Schwermetallen wie Arsen oder Cadmium, Mineralöl oder krankmachenden Bakterien belastet seien. Einige „Superfoods“im Überblick:
● Avocado Das „grüne Gold“wird wegen seines hohen Gehalts an ungesättigten Fettsäuren als „Superfood“angepriesen. Ungesättigte Fettsäuren können das Herz-Kreislauf-System positiv beeinflussen und so zum Beispiel das Herzinfarktrisiko senken. Solche Fettsäusind jedoch nicht nur in exotischen Lebensmitteln wie der Avocado enthalten: Die in Deutschland wachsende Walnuss beispielsweise hat einen höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren als die Avocado. Zum Umweltsünder machen die exotische Frucht oft lange Transportwege und die Unmengen an Wasser, die es für den Anbau der Früchte braucht: „Für ein Kilogramm Avocado sind etwa 1000 Liter Wasser nötig“, erklärt Sabine Hülsmann, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern. Bei Avocados aus Mexiko besteht zudem die Gefahr, mit dem Einkauf kriminelle Kartelle zu unterstützen. Verbrecherbanden würden in Mexiko längst nicht mehr nur mit Drogen handeln, sondern unter anderem auch mit Avocados, wie Javier Oliva, Politikwissenschaftler an Mexikos Nationaluniversität UNAM, gegenüber dem Nachrichtenportal Blickpunkt Lateinamerika äußerte. Der Sterne-Koch JP McMahon bezeichnete Avocados deshalb einmal dem Irish Independent gegenüber als „die Blutdiamanten Mexikos“.
● GojiBeeren Mit dem für Trockenfrüchte recht hohen Vitamin C-Gehalt sind 100 Gramm der Beeren vergleichbar mit derselben Menge an Orangen, Erdbeeren, roter Paprika oder Kohlrabi. Dabei ist längst nicht immer alles gesund an den kleinen roten Beeren: „Bei Goji-Beeren werden regelmäßig Insektizide nachgewiesen“, so die Verbraucherzentralen-Expertin Krehl.
● ChiaSamen Chia ist ein quellender Samen, der dem Körper vor allem Ballaststoffe und pflanzliche Omega-3-Fettsäuren liefert. Allerdings stehen Omega-3-Fettsäuren dem Körper nur dann zur Verfügung, wenn der Samen geschrotet oder sehr gut zerkaut wurde. „Wer nicht vorgequollene Chia-Samen isst, sollte unbedingt reichlich trinken: Sonst kann es zu einer unter Umständen gefährlichen Verstopfung kommen“, heißt es vonseiten der Verbraucherzentrale. Empfohlen wird daher, und auch wegen fehlender Langzeitstudien zu Konsumauswirkungen, eine Tagesdosis von maximal 15 Gramm. Außerdem kann es bei der Einnahme von blutren verdünnenden Arzneien zu Wechselwirkungen kommen. Ein alternativer, heimischer Lieferant von Omega-3-Fettsäuren ist Rapsöl: Ein Esslöffel enthält etwa so viele der Fettsäuren wie die maximale Tagesmenge an Chia-Öl (2 Gramm).
● QuinoaSamen Quinoa ist vor allem für Veganer eine attraktive Eiweiß-Quelle, nicht zuletzt aufgrund der hohen biologischen Wertigkeit der enthaltenen Proteine: Der menschliche Körper kann das Eiweiß aus Quinoa-Samen vergleichsweise gut in körpereigenes Protein umwandeln. Außerdem enthält Quinoa für ein pflanzliches Lebensmittel viel Eisen. Quinoa ist aber auch reich an Gerbstoffen, die Nahrungsproteine und Enzyme binden und dadurch die Nährstoffaufnahme behindern können. Auch enthalten die Samen eine hohe Konzentration an Stoffen, die die Aufnahme von Mineralstoffen und Spurenelementen reduzieren können. Die in Quinoa-Samen enthaltenen Isoflavone könnten sich außerdem schädlich auf die Gesundheit von Säuglingen und Kleinkindern auswirken, wie eine Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung ergab. Heimische Alternativen wären die Getreidesorten Hafer oder Hirse, wie es vonseiten der Verbraucherzentrale heißt: Hafer enthält ebenfalls viel Eiweiß, Hirse zeichnet sich durch einen hohen Eisengehalt und wertvolle Proteine aus.
● AcajBeeren Die brasilianischen Beeren werden unter anderem in zahlreichen Online-Shops als „Wunderbeeren“mit einem „hohen Gehalt an Antioxidantien“angepriesen. Dabei steht ihnen heimisches Obst und Gemüse in nichts nach: Heidelbeeren, Schwarze Johannisbeeren und Rotkohl enthalten mitunter deutlich mehr Antioxidantien als Acaj-Beeren. Angeboten werden die Beeren auch als Saft, Pulver oder in Kapselform – zu Preisen, die die Verbraucherzentrale als „übertrieben“bezeichnet. Acai-Produkte sind laut Verbraucherzentrale auch teilweise mit Mineralölrückständen belastet, die die Gesundheit gefährden können.
Grundsätzlich gilt: Kein Lebensmittel allein enthält alle Nährstoffe – auch kein „Superfood“. Der Konsum sogenannter Vitaminbomben kann keine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ersetzen. „Treffen Sie eine bunte Auswahl aus allen Lebensmittelgruppen“, empfiehlt die DGE-Expertin Donalies. „So gelingt es Ihnen leicht, vollwertig zu essen und zu trinken.“