Jetzt kann nur noch der Albatros helfen
Wer einen Verband in schweren Turbulenzen sehen will, sollte seine Blicke auf die deutschen Schwimmer lenken. Deren Präsident Marco Troll hat in den vergangenen Tagen gleich zwei Brandbriefe bekommen. Den einen von besorgten Athleten und Trainern, den anderen von ebenfalls besorgten Landesverbänden. Alles dreht sich um die Personalie des Leistungssportdirektors. Kein ganz unwichtiger Posten kurz vor Olympischen Sommerspielen. Denn wie für alle Randsportarten sind diese auch für die Schwimmer die größtmögliche Bühne. Nach zwei Spielen ohne eine einzige Medaille soll die einst so stolze Schwimmnation in Tokio endlich mal wieder Edelmetall aus dem Chlorwasser ziehen.
Bis vor kurzem hatte ein gewisser Thomas Kurschilgen dieses Projekt gemanagt. Nicht ganz schlecht, wie in dem Brief der Athleten und Trainer steht. Trotzdem wurde er abgesägt. Warum, dazu hat man sich vonseiten des DSV bisher nicht geäußert. Zeitlich fiel Kurschilgens Demission mit den vom Spiegel aufgedeckten Vorwürfen sexualisierter Gewalt gegen einen (inzwischen zurückgetretenen) Bundestrainer am Stützpunkt in Würzburg zusammen. Ob es auch einen kausalen Zusammenhang gibt? Unbekannt. Es gibt nämlich auch Gerüchte über verbandsinterne Machtspielchen.
Zügig hatte der DSV mit dem Ex-Wasserballer Dirk Klingenberg einen Nachfolger präsentiert. Doch nur einen Tag nach der Bekanntgabe folgte die Rolle rückwärts. Denn Klingenberg hatte 2014 mit seinen Kollegen aus einer Altherren-Mannschaft auf Bademänteln Werbung für ein Berliner Bordell gemacht. Sie sammelten damals Geld für Reisekosten zu einem Turnier. Diese Aktion sei mit den „hohen moralischen Ansprüchen“des Spitzenverbandes nicht vereinbar, hieß es vom DSV. Kann man so sehen. Hätte man aber vor der Ernennung mit einer simplen Internet-Recherche (Tipp: google.de) herausfinden können.
Und nun? Nun steht der DSV in der heißen Phase vor den Olympischen Sommerspielen ohne einen Leistungssportdirektor da. Die Not ist groß. Der perfekte Zeitpunkt für ein Comeback des größten Schwimmers, den Deutschland je hervorgebracht hat: Michael Groß. Der dreifache Olympiasieger hat sich allerdings längst vom Leistungssport abgewandt und ist ein erfolgreicher Unternehmer geworden. Trotzdem soll der DSV ihn um Hilfe gerufen haben.
Ob der Mann mit dem Spitznamen „Albatros“den Ruf erhört? Mindestens fraglich. Wer wollte ihm mit Blick auf diesen DSV eine Absage auch übel nehmen?