Neuburger Rundschau

Ein bisschen Schmerz, ein bisschen Scherz

Die Ausstellun­g von Rainer Röschke im Rathausfle­tz Neuburg lässt den Besucher in ein Wechselbad der Gefühle tauchen

- VON ANNA HECKER

Neuburg In seinen Werken kehrt Rainer Röschke sein Innerstes nach außen. Seine rund 80.000 Originale, von denen ein kleiner Teil nun im Neuburger Rathausfle­tz zu einer Ausstellun­g zusammenge­tragen wurde, sind ein Ausdruck von Röschkes Gefühlswel­t. Und da ist nun mal alles dabei: Schmerz, Scherz, Freude, Leid – und eine gewisse Portion an Provokatio­n.

Schnellen Schrittes bewegt sich der Künstler durch den Raum, in dem gerade seine Ausstellun­g konzipiert wird. Hier eine blaue Folie, da das Bild nach vorne gerückt, das nächste ein Stück tiefer. Aber nein, eigentlich ist das alles gar nicht seine Vision, eigentlich wollte er ja gar nicht ausstellen. Aber die Figur da vorne könnte man dann doch noch etwas mehr nach links schieben, oder? In ständigem Dialog mit Gerhard Stiglmair bekommt die Ausstellun­g so Stück für Stück Gestalt. Stiglmair war es auch, der die Idee für die Ausstellun­g hatte, der jetzt alles organisier­t und sich auch später um Röschkes Kunst kümmern will.

„Wir kennen uns schon so lange, haben uns 20 Jahre aus den Augen verloren und jetzt fügt sich alles zusammen“, sagt Röschke, während er freudig von einem Fuß auf den anderen wippt.

Röschke vibriert vor Energie und ebenso tun es seine Bilder. Neonfarben leuchten von den meisten Stücken, schreien den Besucher fast schon an. Doch die fliegenden Schmetterl­inge in gelb, blau und grün, sind in Wahrheit kein Urschrei voll blinder Kraft, sondern ein sensibler Ausdruck einer versteckte­n Botschaft. „Ist das nicht traurig?“, sagt Röschke, als er vor dem Bild steht, „von diesen wunderschö­nen Tieren sterben so viele Arten.“Da ist er wieder, der Weltschmer­z, den Röschke ebenso in seinen Werken verarbeite­t, wie all die erfreulich­en Episoden seines Lebens. Da sind auf der einen Seite seine acht Kinder, die sein ganzer Stolz sind. Von ihnen hat der 65-Jährige viel ehemaliges Spielzeug zu Kunst verarbeite­t: Ein altes Skateboard, kaputte Barbie-Puppen, ein Lautsprech­er, der versehentl­ich beim Lagerfeuer zur Hälfte geschmolze­n ist. All das leuchtet nun in den typisch-Röschke-bunten Farbspritz­ern.

Auf der anderen Seite sieht man zwei Frauen, gemalt mit weiß, fast Geister, an deren Silhouette nur das blaue, gelbe Licht zu haften scheint. Schwarze Linien geben ihnen einen eindrucksv­ollen, wenn man möchte sogar bedrohlich­en Charakter. Und dann hängt da natürlich auch noch die alte Schultafel. Auf ihr die Umrisse

eines Schülers, der Mund aufgerisse­n, vor Angst oder Entsetzen. Über ihm, die drohende blutige Hand eines Lehrers. „Das ist für mich Kunst, das gehört ins Museum“, sagt Röschke und betrachtet sein düsterstes Werk. Es zeigt seine eigene Angst vor Lehrern, ein Überbleibs­el aus seiner Kindheit, das er auf der Schultafel verarbeite­t hat.

Generell kann man das ganze Leben von Rainer Röschke in seinen Werken finden. Stolz deutet der Neuburger auf einen alten Tropf aus dem Krankenhau­s, in den jetzt Münzen gefüllt sind. „Das war meiner, als ich im Krankenhau­s war mit meinem Loch im Kopf.“Er sei ein Teil von ihm, genau so wie jedes seiner Werke.

Seine Kunst ist nie fertig, sagt Röschke selbst, ständig verändert er seine Werke, so wie sich seine Gefühlslag­e verändert. Dann wird ein altes Computerte­il zu seiner Leinwand, bekommt Farbe und Form, später ein Auge aufgemalt. „Wäre das nicht toll für eine Holzplatte, daraus könnte später ein Cyborg werden“, hat Röschke schon die nächste Idee. Mit zahlreiche­n Materialie­n,

Holz, Metall, alles was ihm zwischen die Finger kommt, arbeitet er, bemalt Deckel von Farbeimern und funktionie­rt alte Bildschirm­e um. Man sieht den Werken an, dass sie in einem Zeitraum von über 40 Jahren entstanden sind. Vom ersten Ölbild 1974, das noch recht naturgetre­u ist, bis zu den aktuellen Werken mit Verpackung­smaterial und den immer wiederkehr­enden Neon-Farben. Röschke betrachtet sein Gesamtwerk wie einen lebenden Organismus, der sich stets wandelt, mit ihm und seiner Umwelt zusammen. „Wer weiß, wie sich die Ausstellun­g bis zum Ende verändert, wenn sie mit Besuchern konfrontie­rt wird und die Besucher mit meinen Werken.“Wer sich dieser Wechselwir­kung aussetzen möchte, kann die Ausstellun­g ab diesem Donnerstag, 13. Mai, und bis zum 13. Juni besuchen, solange die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100 bleibt. Dann ist ein Besuch mit Termin möglich.

OKontakt Die Terminverg­abe ist unter 08431/55264 möglich, ein Test ist nicht nötig. Geöffnet ist sie donnerstag­s und freitags von 17 bis 19 Uhr sowie sonn‰ und feiertags von 11 bis 19 Uhr.

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Foto: Anna Hecker Rainer Röschke (rechts) präsentier­t gemeinsam mit Gerhard Stiglmair einen kleinen Teil seiner Kunstwerke im Rathauspla­tz.

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