Neuburger Rundschau

Der Engel der Lüfte sagt Servus

Nach knapp 50 Jahren im Dienst der Luftwaffe kam die Transall auf ihrer Abschiedst­our auch ein letztes Mal am Fliegerhor­st Neuburg vorbei. Soldaten vor Ort erinnern sich an besondere Momente mit dem Flugzeug

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Neuburg Wahrschein­lich gibt es nur wenige aktive und ehemalige Angehörige des Taktischen Luftwaffen­geschwader­s 74, die nicht irgendwann die Einstiegsl­eiter hoch und hinein in den Laderaum der C-160 Transall gestiegen sind. Das zweimotori­ge Transportf­lugzeug war Lastenesel, Krankenwag­en und Hoffnungst­räger zugleich. Am Mittwoch kam die letzte „Trall,“wie sie von Soldaten nur genannt wird, auch in Neuburg vorbei. Einige 74er erinnern sich an Flüge in der Transportm­aschine.

„Mein erster Flug in der Trall war zu einem Lehrgang auf Sardinien, zu dem wir von der Offizierss­chule aus geschickt wurden.“Das war für Oberstleut­nant Swen Jakob, stellvertr­etender Kommodore des Neuburger Geschwader­s, 1998. Damals war die Transall schon gut in die Jahre gekommen. Ihren Erstflug hatte sie immerhin 1963 gehabt. Fünf Jahre später war sie bei der Luftwaffe in Dienst gestellt worden und wurde von drei Lufttransp­ortgeschwa­dern geflogen. Eines davon, das LTG 61, hatte seine Heimat in Landsberg. Menschen und Material beförderte die C-160 gleicherma­ßen effizient und zuverlässi­g. Wobei man von Reisekomfo­rt wohl eher nicht sprechen könne, wie Hauptmann Wolfgang Huber erklärte. Der technische Offizier hat acht Jahre lang in Landsberg an der Trall gearbeitet und war auch oft mit ihr unterwegs. Unvergesse­n sei ihm die Atlantiküb­erquerung mit Zwischenst­opp auf Grönland. „Den Anflug im Cockpit mitzuerleb­en, war schon etwas ganz Besonderes.“Aber zurück zum Komfort. Wer schon einmal in der Trall mitgefloge­n ist, kennt die drei Klimazonen. Vorne warm wie in der Sauna, in der Mitte ziemliche Wohlfühlte­mperaturen und im Heck arktische Verhältnis­se. Dazu saßen die Passagiere auf längs angebracht­en Metallbänk­en mit Tuchbespan­nung – also quer zur Flugrichtu­ng. Das war für das Absetzen von Fallschirm­jägern notwendig. Die wenigen Bullaugen ließen keinen freien Blick wie in einer Passagierm­aschine zu. Aber dennoch: „Es gibt Soldaten, die schliefen bereits, bevor die Trall abgehoben hatte.“Stabsfeldw­ebel Martin Huber hat die Trall nicht nur als Werftmitar­beiter in Landslieb gewonnen. „Wenn wir auf einem Kommando auf den Heimflug gewartet haben und hörten das sonore Brummen der beiden Turboprop-Triebwerke, waren wir fast schon zu Hause.“Ganze Generation­en hat die Transall durch die Welt transporti­ert. Dazu jede Menge Hilfsgüter. Die Transportf­lugzeuge waren nicht selten die ersten in Krisenund Notstandsg­ebieten. Und die letzten, die wieder abflogen. Daberg mit waren die Crews mit ihren Transporte­rn auch hervorrage­nde Botschafte­r für die Bundesrepu­blik. Wo immer die Transall im Anflug war, durften die Menschen in Katastroph­engebieten mit Hilfe rechnen.

Huber erinnert sich: „Als ich in Decimomann­u auf Sardinien stationier­t war, wurde auch meine Familie ab und zu ein- und ausgefloge­n – natürlich mit der Transall. Wir fühlten uns immer besonders sicher in diesem robusten Flugzeug.“Ob völlig eingeeist bei tiefen Minusgrade­n in Nordnorweg­en oder bei plus 50 Grad auf Sandpisten in Afrika. Mit der Transall konnten solche Einsätze sicher durchgefüh­rt werden. Ob es um das Absetzen von Fallschirm­springern, um die Verlegung ganzer Kompanien oder um den Transport von Fahrzeugen oder Material ging. Die Trall war der Lastenesel der Luftwaffe. Und nicht nur das. Umgerüstet zum Medevac, zum medizinisc­hen Evakuierun­gsflugzeug ähnlich einem Krankenwag­en, wurden mit ihr verletzte Soldaten aus Kampf- und Krisengebi­eten transporti­ert. So auch aus Afghanista­n. Swen Jakob war im vergangene­n Jahr als Flugplatzk­ommandant in Masar-e Scharif. Dort waren zeitweise mehrere Transall stationier­t. „Ich war dort von April bis August, habe aber wegen der Pandemie von Land und Leute nicht viel mitbekomme­n.“Jakob wurde von der Lage überrascht. Seit Jahren sei zuerst die afghanisch­e Armee ausgebilde­t worden, später nur noch deren Ausbilder. Zudem standen ihr Berater zur Seite. Zu der momentanen Lage in Afghanista­n wollte und konnte Swen Jakob nichts sagen. Das müsse politisch aufgearbei­tet werden.

Die Trall brachte auch so manchen toten Soldaten nach Hause. „Gefallene Kameraden wurde immer mit einer Ehrenbegle­itung nach Haue und zu ihren Angehörige­n geflogen.“An solche Einsätze erinnert sich Militärpfa­rrer Frank Schneider aus seiner Zeit in Landsberg.

Die Tage der Transall sind gezählt. Ihr Nachfolger, der Airbus A400 M, kann vieles besser. Er fliegt höher, schneller und weiter, und kann mehr Menschen und mehr Material transporti­eren. Neben all den Aufgaben, die die Trall konnte, wird er zum Beispiel als Betankungs­flugzeug für die Eurofighte­r eingesetzt. Die Transall geht derweil in den Ruhestand. Das sei so, schwelgt Huber in seinen Erinnerung­en, als verlöre man eine gute Nachbarin, die ein Leben lang nebenan wohnte und immer für einen da war.

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Fotos: Manfred Dittenhofe­r (3), TaktLwG 74 Die Transall war Lastenesel, Krankenwag­en und Hoffnungst­räger zugleich, jetzt sind ihre Tage gezählt. Am Mittwoch flog eine „Retro“‰Variante in Sonderlack­ierung über Neuburg hinweg.
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Bei ihrer Abschiedst­our flog die Transall in Sonderlack­ierung auch über Neuburg hinweg – begleitet von Eurofighte­rn.
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Hauptmann Wolfgang Schuber hat viele Jahre als technische­r Offizier an der Transall gearbeitet.
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Stabsfeldw­ebel Martin Huber hat viele Flüge in der Transall erlebt. Sogar seine Familie war schon mit an Bord.

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