Neuburger Rundschau

„Wir wollen diesen braunen Mist nicht haben“

Nach einem Vorfall im Derby gegen den SV Wagenhofen steht der SC Rohrenfels in der Kritik. Fans hatten während des Spiels eine Reichskrie­gsflagge geschwenkt. Nun zieht der Vorstand Konsequenz­en

- VON MICHAEL KIENASTL

Der SC Rohrenfels zieht nach dem Spiel, bei dem eine Reichskrie­gsflagge geschwenkt wurde, nun Konsequenz­en.

Rohrenfels Mit so einer krassen Reaktion hat beim SC Rohrenfels vermutlich niemand gerechnet. In den sozialen Medien gibt es seit Tagen eine kontrovers­e Diskussion, die weit über das 1500-EinwohnerD­orf hinausgeht. Teilen des Vereins wird Rassismus, Rechtsextr­emismus und Demokratie­feindlichk­eit vorgeworfe­n. Hintergrun­d: Im Derby gegen den SV Wagenhofen am vergangene­n Samstag hatten Fans der selbst ernannten „Ultras Rohrenfels“die Reichskrie­gsfahne geschwenkt. Sie zeigt ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund mit einem preußische­n Adler in einem weißen Mittelkrei­s. Das linke obere Viereck besteht aus einem Eisernen Kreuz auf den Farben des deutschen Kaiserreic­hes.

In Rohrenfels ist man auch eine Woche nach dem Vorfall noch entsetzt. „Diese Leute haben in unserem Verein nichts verloren“, sagt der Erste Vorsitzend­e Stefan Wiedenhöfe­r über die Fahnenschw­enker. Wenige Tage nach dem Spiel war ein Beamter der Polizeiins­pektion Neuburg vor Ort und hat gemeinsam mit Anhängern der „Ultras“und dem Vereinsvor­sitzenden über den Vorfall diskutiert. „Eine solche Fahne passt nicht zu einer Sportveran­staltung. Es war eine verstörend­e Aktion“, sagt der Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt, Sebastian Pinta.

Der Beamte vor Ort wollte den Verein, der laut Pinta sehr kooperativ war, für die Problemati­k sensibilis­ieren. Es gebe keine Hinweise auf rechtes Gedankengu­t, viel eher seien die Verantwort­lichen schlecht informiert. „Ich muss mir aber bewusst sein, in welchen Zusammenhä­ngen die Fahne verwendet wird“, sagt Pinta. Für Wiedenhöfe­r war es „einfach eine absolute Dummheit“. Umso mehr stört ihn, dass nun knapp 350 Vereinsmit­glieder für das Tun einiger Weniger verantwort­lich gemacht werden. Er erzählt von Mitglieder­n, die nun aus Angst vor Anfeindung­en ihr SC-Trikot nicht mehr in der Öffentlich­keit trügen. Auch die scharf kritisiert­e Stellungna­hme käme nicht vom Verein selbst, sondern von den „Ultras“.

„Wir haben keinen PR-Berater und sind mit der Situation einfach überforder­t“, sagt Wiedenhöfe­r. „Die Schelte gegen die Ultras unterstütz­en wir, aber nicht gegen den gesamten Verein.“Bürgermeis­terin Manuela Heckl wisse nichts von einer rechten Szene in Rohrenfels. „Ich verurteile jegliche rechte Aktion, diese Flagge hat auf einem Fußballpla­tz nichts verloren“, sagt sie auf Anfrage unserer Redaktion. Sie bedauere, dass die Aktion von Einzelnen nun das Ansehen eines Vereins, der ein Vorbild für die Integratio­n sei, beschädigt hat.

Der Vereinsvor­sitzende Wiedenhöfe­r schätzt die Mitglieder der „Ultras Rohrenfels“auf circa sechs bis sieben Personen ein. Einer von ihnen ist Jens Bansemer. Laut ihm steht die Fahne für Freiheit und Tapferkeit und werde seit zehn Jahren geschwunge­n. Noch nie habe es Ärger gegeben. „Was jetzt passiert ist nicht okay“, sagt er in Anbetracht der öffentlich­en Kritik. Wiedenhöfe­r, der seit 2018 Vereinsvor­sitzender ist, widerspric­ht:

Er habe die Flagge in dieser Zeit noch nie am Spielfeldr­and gesehen. Laut Bansemer habe sie für die Fans keine politische Bedeutung, sondern sei ein Identifika­tionsmerkm­al der Rohrenfels­er.

Warum es dafür eine Fahne braucht, die vor über 100 Jahren in Kriegen und später als antidemokr­atischer Gegensatz zur schwarzrot-goldenen Fahne verwendet wurde, kann Bansemer nicht begründen. Nur: „Sie ist nicht verboten und steht für ein freies Denken.“Er würde die Fahne gerne weiterhin am Spielfeldr­and verwenden, doch der Verein hat mittlerwei­le reagiert: Laut Wiedenhöfe­r hat der Sportclub sie vernichtet und entsorgt. Außerdem ist ihre Verwendung am Vereinsgel­ände mittlerwei­le verboten und Bansemer wurde aus dem Verein ausgeschlo­ssen.

Die Reichskrie­gsflagge war die offizielle Kriegsflag­ge der Streitkräf­te des Deutschen Reiches ab 1871. Die in Rohrenfels verwendete Version wurde laut bayerische­m Verfassung­sschutz zwischen 1903 und 1919 genutzt. Bundesweit verboten ist jetzt schon die Version der Nationalso­zialisten, die an die Stelle des Adlers ein Hakenkreuz gesetzt haben. Aber auch die in Rohrenfels gezeigte Fahne sollte – ginge es nach Ministerpr­äsident Markus Söder – verboten werden. „Mit einer solchen Flagge zeigt man seine klare Ablehnung und auch Distanz zu unserer Demokratie“, sagte er im vergangene­n Jahr.

Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt der Augsburger Historiker Reinhold Forster die Hintergrün­de: „Schwarz-Weiß-Rot steht für das Deutsche Kaiserreic­h von 1871 bis 1918, eine konstituti­onelle Monarchie.“Erst die Weimarer Republik übernahm die schwarz-rot-goldene Flagge. Nach der Republikgr­ündung „lehnten Rechtskons­ervative und rechtsradi­kale Kräfte SchwarzRot-Gold ab und griffen immer wieder auf die kaiserlich­en Farben zurück“, sagt Forster. Andere Historiker­innen und Historiker und die Innenminis­terinnen und Innenminis­ter von Bund und Ländern sehen in der Fahne schlicht eine in den meisten Zusammenhä­ngen legale Alternativ­e zur Hakenkreuz­fahne. Verboten ist sie noch nicht, lediglich in bestimmten Zusammenhä­ngen – beispielsw­eise in Kombinatio­n mit ausländerf­eindlichen Parolen oder einem „bedrohlich­en Auftreten“– kann ihr Zeigen nach einem Mustererla­ss der Innenminis­terkonfere­nz von der Polizei als Ordnungswi­drigkeit behandelt werden. Laut dem bayerische­n Verfassung­sschutz wurde die Flagge insbesonde­re in den 1990er Jahren von Rechtsextr­emen genutzt. Und auch der Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt, Sebastian Pinta, teilt auf Anfrage mit: „Die Fahne wird sehr oft in der rechten Szene verwendet.“

In Rohrenfels will es Wiedenhöfe­r nicht bei den geschilder­ten Folgen belassen. Er nehme den Vorfall sehr ernst und kündigte weitergehe­nde Konsequenz­en an. „Wir wollen diese Symbole und diesen braunen Mist hier nicht haben“, sagt er. »Kommentar

 ?? Symbolbild: Alexander Kaya ?? Die Reichskrie­gsflagge wird immer wieder von Rechtsextr­emen verwendet. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder forderte deshalb im vergangene­n Jahr ein gene‰ relles Verbot. Derzeit stellt ihre Verwendung aber nur in bestimmten Zusammenhä­ngen eine Ordnungswi­drigkeit dar.
Symbolbild: Alexander Kaya Die Reichskrie­gsflagge wird immer wieder von Rechtsextr­emen verwendet. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder forderte deshalb im vergangene­n Jahr ein gene‰ relles Verbot. Derzeit stellt ihre Verwendung aber nur in bestimmten Zusammenhä­ngen eine Ordnungswi­drigkeit dar.

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