Ein gestalterischer Blick in die Zukunft
Der Verein „das otto“aus Neuburg nimmt am Utopie-Sommer der Leuphana-Universität in Lüneburg teil. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Zukunftsthemen Mobilität und Lebenswertigkeit
Neuburg Die Mobilität muss auch in ländlichen Regionen gewährleistet sein und wird deshalb wohl auch in Zukunft sehr individuell ausfallen. Und dennoch: Sie kann autonom, elektrisch, aber nicht unbedingt mit dem eigenen Auto stattfinden. Und was macht einen Ort lebenswert? Erstens, wenn die Arbeitsplätze in der Nähe liegen, denn das spart Zeit und Ressourcen. Zweitens, wenn die Verbrauchsgüter, die Kultur und die Bildung direkt, schnell und einfach – am besten vor der Haustür – zu erreichen sind. Und, ganz wichtig, wenn man in der Straße, in dem Ort und in der Region gesellschaftliche Bindungen hat.
Auf Fragen wie diese und noch mehr sucht die Gesellschaft nicht nur gerade, sondern immerzu nach Antworten. Der Utopie-Sommer der Universität Leuphana in Lüneburg findet zum zweiten Mal nach 2018 statt. Dieses Mal aber ist „das otto“und damit ein Utopie-Camp in Neuburg mit dabei. In einem Workshop hatte sich das Kreativ-Team aus einem angebotenen Pool von zehn Fragen der beiden oben genannten Gesellschaftsfragen nach Mobilität und Lebenswertigkeit an
Sieben Protagonisten aus ganz unterschiedlichen Berufsund Gesellschaftsbereichen diskutierten über die Zukunft der Mobilität und wann ein Ort als lebenswert betrachtet wird. Die Moderation hatte Sandra Siebenhüter übernommen. Die Arbeitsmarktexpertin für digitale Transformation sitzt als Gründungsmitglied im Vorstand des Vereins „das otto“. An der Diskussion beteiligten sich Norbert Binger (LandEnergie-Experte der Maschinenringe Deutschland), Holger Günzel (Professor für Prozess- und Informationsmanagement an der München), Holger Hoppe (Professor der TH Ingolstadt, der ab Herbst am Campus Neuburg Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement lehrt), Franziska Burzler (frischgebackene Realschulabsolventin auf dem Weg zum Gymnasium), Gerhard Jahn (Nachhaltigkeitsund Umweltforschung ist sein professionelles Hobby) und Christian Stemmer (Zimmerermeister und stellvertretender Kreishandwerksmeister). Um die Sache noch vielseitiger, aber auch spannender zu gestalten, lief die Diskussion zu den beiden Fragen teils als Rollenspiel ab. Dabei versetzte sich jeder Teilnehmer in eine spezifische Rolle. Gerhard Jahn wurde zum Pastor, Holger Günzel versetzte sich in die Rolle eines Angestellten im Landratsamt, Sandra Siebenhüter wurde zur Mutter mit drei Kindern und knappem Einkommen, Holger Hoppe mutierte zum Fahrlehrer und Kommunalpolitiker, Franziska Burzler wurde zur Studentin und Norbert Binger versetzte sich in die Lage eines Landwirts. Einzig Christian Stemmer durfte das sein, was er ist: Handwerker mit eigenem Betrieb. Dabei ging es immer um einen Dreierschritt: Aktueller Ist-Blick (Wie sieht die Realität zu dem Thegenommen. ma aus?), Wunsch-Blick (Was wünschst du dir im Hinblick auf die konkrete Frage?) und ZukunftsBlick (Stell dir vor, deine Wünsche sind eingetreten. Wie hat sich der ländliche Raum verändert?).
Die Wünsche und Anregungen zum Thema Mobilität waren entsprechend weit gestreut. Der Pastor hätte gerne, dass seine Schäfchen mit dem Bus zum Gottesdienst fahren können. Und der Fahrlehrer will den Individualverkehr keinesfalls aufgeben.
„Es wurde sehr dynamisch, kontrovers und kämpferisch diskutiert“, erinnert sich Gerhard Jahn, der als Koordinator des Workshops agierte. Aber es habe doch gemeinsame Erkenntnisse gegeben. Wenn man nicht als Jugendlicher Gemeinschaft und soziales Engagement gelernt hat, macht man es als Erwachsener auch nicht mehr. Und ein inzwischen zu sehr durchgetaktetes Leben lässt auch oft keine Zeit für soziales Engagement. Alle Diskussionsteilnehmer haben vier tiefe gesellschaftliche Spaltungslinien identifiziert: Stadt – Land; Jung – Alt; Wohlstand – wenig Geld; Bildung – bildungstechnisch abgehängt.
Die Antworten auf die beiden bearbeiteten Fragen nach der MobiliHochschule tät und dem Lebenswerten einer Gemeinde waren deshalb nicht einfach. Das Neuburger Camp des Utopiesommers 2021 kam zu dem Schluss, dass die individuelle Mobilität auf dem Land weiterhin unverzichtbar sei. Aber sie müsse neu gedacht und auch neu gemacht werden. Der ÖPNV spiele eine wichtige Rolle. Aber auch das Car- oder noch besser das Fahrzeugsharing, könne Mobilität erhalten. Und die Frage nach dem Lebenswerten zeige vor allem eines. „Wir brauchen mehr Zeit für uns, dann haben wir auch Zeit für die Gemeinschaft“, fasste Sandra Siebenhüter die Antwort darauf zusammen.
Die Ergebnisse von deutschlandweit über 120 Utopie-Camps werden zusammengetragen und am 24. und 25. August an der Leuphana Universität in Lüneburg ausgewertet. Politökonomin Maja Göpel und Philosoph Richard David Precht laden zu der Utopie-Konferenz ein.
Mehr Infos über die UtopieKonfe renz: www.leuphana.de/portale/uto piekonferenz.html. Und über „das otto“mehr im Netz unter https://www.das ottoneuburg.de/. Der Verein wird Ende September den Coworkingspace in der Schmidstraße in Neuburg eröffnen.