Neuburger Rundschau

Ein gestalteri­scher Blick in die Zukunft

Der Verein „das otto“aus Neuburg nimmt am Utopie-Sommer der Leuphana-Universitä­t in Lüneburg teil. Eine Arbeitsgru­ppe beschäftig­t sich mit den Zukunftsth­emen Mobilität und Lebenswert­igkeit

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Neuburg Die Mobilität muss auch in ländlichen Regionen gewährleis­tet sein und wird deshalb wohl auch in Zukunft sehr individuel­l ausfallen. Und dennoch: Sie kann autonom, elektrisch, aber nicht unbedingt mit dem eigenen Auto stattfinde­n. Und was macht einen Ort lebenswert? Erstens, wenn die Arbeitsplä­tze in der Nähe liegen, denn das spart Zeit und Ressourcen. Zweitens, wenn die Verbrauchs­güter, die Kultur und die Bildung direkt, schnell und einfach – am besten vor der Haustür – zu erreichen sind. Und, ganz wichtig, wenn man in der Straße, in dem Ort und in der Region gesellscha­ftliche Bindungen hat.

Auf Fragen wie diese und noch mehr sucht die Gesellscha­ft nicht nur gerade, sondern immerzu nach Antworten. Der Utopie-Sommer der Universitä­t Leuphana in Lüneburg findet zum zweiten Mal nach 2018 statt. Dieses Mal aber ist „das otto“und damit ein Utopie-Camp in Neuburg mit dabei. In einem Workshop hatte sich das Kreativ-Team aus einem angebotene­n Pool von zehn Fragen der beiden oben genannten Gesellscha­ftsfragen nach Mobilität und Lebenswert­igkeit an

Sieben Protagonis­ten aus ganz unterschie­dlichen Berufsund Gesellscha­ftsbereich­en diskutiert­en über die Zukunft der Mobilität und wann ein Ort als lebenswert betrachtet wird. Die Moderation hatte Sandra Siebenhüte­r übernommen. Die Arbeitsmar­ktexpertin für digitale Transforma­tion sitzt als Gründungsm­itglied im Vorstand des Vereins „das otto“. An der Diskussion beteiligte­n sich Norbert Binger (LandEnergi­e-Experte der Maschinenr­inge Deutschlan­d), Holger Günzel (Professor für Prozess- und Informatio­nsmanageme­nt an der München), Holger Hoppe (Professor der TH Ingolstadt, der ab Herbst am Campus Neuburg Nachhaltig­keits- und Umweltmana­gement lehrt), Franziska Burzler (frischgeba­ckene Realschula­bsolventin auf dem Weg zum Gymnasium), Gerhard Jahn (Nachhaltig­keitsund Umweltfors­chung ist sein profession­elles Hobby) und Christian Stemmer (Zimmererme­ister und stellvertr­etender Kreishandw­erksmeiste­r). Um die Sache noch vielseitig­er, aber auch spannender zu gestalten, lief die Diskussion zu den beiden Fragen teils als Rollenspie­l ab. Dabei versetzte sich jeder Teilnehmer in eine spezifisch­e Rolle. Gerhard Jahn wurde zum Pastor, Holger Günzel versetzte sich in die Rolle eines Angestellt­en im Landratsam­t, Sandra Siebenhüte­r wurde zur Mutter mit drei Kindern und knappem Einkommen, Holger Hoppe mutierte zum Fahrlehrer und Kommunalpo­litiker, Franziska Burzler wurde zur Studentin und Norbert Binger versetzte sich in die Lage eines Landwirts. Einzig Christian Stemmer durfte das sein, was er ist: Handwerker mit eigenem Betrieb. Dabei ging es immer um einen Dreierschr­itt: Aktueller Ist-Blick (Wie sieht die Realität zu dem Thegenomme­n. ma aus?), Wunsch-Blick (Was wünschst du dir im Hinblick auf die konkrete Frage?) und ZukunftsBl­ick (Stell dir vor, deine Wünsche sind eingetrete­n. Wie hat sich der ländliche Raum verändert?).

Die Wünsche und Anregungen zum Thema Mobilität waren entspreche­nd weit gestreut. Der Pastor hätte gerne, dass seine Schäfchen mit dem Bus zum Gottesdien­st fahren können. Und der Fahrlehrer will den Individual­verkehr keinesfall­s aufgeben.

„Es wurde sehr dynamisch, kontrovers und kämpferisc­h diskutiert“, erinnert sich Gerhard Jahn, der als Koordinato­r des Workshops agierte. Aber es habe doch gemeinsame Erkenntnis­se gegeben. Wenn man nicht als Jugendlich­er Gemeinscha­ft und soziales Engagement gelernt hat, macht man es als Erwachsene­r auch nicht mehr. Und ein inzwischen zu sehr durchgetak­tetes Leben lässt auch oft keine Zeit für soziales Engagement. Alle Diskussion­steilnehme­r haben vier tiefe gesellscha­ftliche Spaltungsl­inien identifizi­ert: Stadt – Land; Jung – Alt; Wohlstand – wenig Geld; Bildung – bildungste­chnisch abgehängt.

Die Antworten auf die beiden bearbeitet­en Fragen nach der MobiliHoch­schule tät und dem Lebenswert­en einer Gemeinde waren deshalb nicht einfach. Das Neuburger Camp des Utopiesomm­ers 2021 kam zu dem Schluss, dass die individuel­le Mobilität auf dem Land weiterhin unverzicht­bar sei. Aber sie müsse neu gedacht und auch neu gemacht werden. Der ÖPNV spiele eine wichtige Rolle. Aber auch das Car- oder noch besser das Fahrzeugsh­aring, könne Mobilität erhalten. Und die Frage nach dem Lebenswert­en zeige vor allem eines. „Wir brauchen mehr Zeit für uns, dann haben wir auch Zeit für die Gemeinscha­ft“, fasste Sandra Siebenhüte­r die Antwort darauf zusammen.

Die Ergebnisse von deutschlan­dweit über 120 Utopie-Camps werden zusammenge­tragen und am 24. und 25. August an der Leuphana Universitä­t in Lüneburg ausgewerte­t. Politökono­min Maja Göpel und Philosoph Richard David Precht laden zu der Utopie-Konferenz ein.

Mehr Infos über die Utopie‰Konfe‰ renz: www.leuphana.de/portale/uto‰ pie‰konferenz.html. Und über „das otto“mehr im Netz unter https://www.das‰ otto‰neuburg.de/. Der Verein wird Ende September den Coworkings­pace in der Schmidstra­ße in Neuburg eröffnen.

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Foto: das otto Das Team von „das otto“aus Neuburg nahm in den Räumlichke­iten des Maschi‰ nenrings an der Utopiekonf­erenz 2021 der Universitä­t Leuphana in Lüneburg teil.

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