Corona, Klima und soziale Sicherheit
Der DGB zieht seine Sommerbilanz. Die Gewerkschaften befürchten, dass die Erwerbstätigen nach der Pandemie auf der Strecke bleiben
Ingolstadt Die Mieten steigen ins Blaue. Die Energie für Haus und Mobilität wird immer teurer. Noch dazu soll das Rentenalter noch einmal angehoben, die Rente faktisch gekürzt werden. Vor allem für die Verdiener im Niedriglohnsektor sehen die Gewerkschaften schwarz. Dabei sind die Corona-Auswirkungen bei den Erwerbstätigen noch gar nicht abzusehen. Deshalb sehen sich deren Vertreter die Wahlprogramme der einzelnen Parteien und Kandidaten für die Bundestagswahl sehr genau an.
Das Pandemie-Resümee für 2020 und 2021 fällt sehr unterschiedlich aus. An der Baubranche ist Corona fast spurlos vorbeigegangen. Die Gastro- und Hotelbranche leidet dagegen enorm unter den Lockdowns. Zwar wurde an die Gastronomiebetriebe gedacht, nicht aber an deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) tummeln sich viele Gewerkschaften. Hier einige Aussagen der Repräsentanten beim diesjährigen Sommergespräch. ● Bernhard Stiedl, DGBVorsitzender Ingolstadt und Erster Bevollmächtig ter der IG Metall Ingolstadt: „Der Sozialstaat hat uns durch die Krise geführt, allerdings auch die eine oder andere Schwäche gezeigt.“Es müsse nun vermehrt in Bildung, Gesundheit und Pflege investiert werden. Es kann nicht heißen, zurück zu den Zuständen vor Corona.“Außerdem müsse die Pflegeversicherung nachjustiert werden. Und wichtig sei es, dass das Rentenniveau nicht abgesenkt, sondern zurück auf 53 Pro
angehoben werde. Sonst würden viele sehenden Auges in die Altersarmut geschickt.
● Thomas Ruckdäschel, Gewerk schaftssekretär der IG Bau: „An der Baubranche ging Corona fast gänzlich vorbei. Sie boomt regelrecht.“Allerdings werde das auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen. „Erstmals haben die Arbeitgeber die Tarifverhandlungen kommentarlos und ohne Angebot verlassen.“Neben den geforderten 5,3 Prozent mehr Lohn sei den Unternehmern vor allem die Forderung, die Wegzeit zu vergüten, ein Dorn im Auge. „Der durchschnittliche Anfahrtsweg der Beschäftigten am Bau zur Baustelle beträgt 65 Kilometer.“Auf diese Zeiten im Fahrzeug hätten die Mitarbeiter keinerlei Einfluss. „Ein Arbeitskampf in der jetzigen Situation wäre fatal – wir scheuen ihn aber nicht.“
● Gabi Gabler von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: Die Lehrerausbildung müsse so gestaltet werden, dass die Lehrkräfte auch in allen Schularten eingesetzt werden können. „Außerdem fordern wir die Anhebung des Einstiegsgehaltes der Grundschullehrerinnen und -lehrer auf das der Gymnasiallehrer. Zudem gebe es bei den Schulen einen Investitionsstau. Während der Lockdowns sei der Aufwand für die Unterrichte ein größerer gewesen. „Die Arbeitszeit war und ist enorm. Aber ich befürchte, dass der Kultusminister auch diese Ferienzeit nicht für Verbesserungen in der Schulstruktur nutzt.“
● Rainer Reißfelder von der Gewerk schaft NahrungsmittelGenussGast stätten: „Die Gastronomie ist inzwischen völlig losgelöst von jeglicher betrieblicher Mitbestimmung.“Da die offiziellen Löhne der Beschäftigten im Gastronomiebereich oft gering und durch Extrazahlungen und Trinkgelder aufgebessert würden, sei das Kurzarbeitsgeld entsprechend gering ausgefallen. „Deshalb fordern wir 1200 Euro netto Mindestkurzarbeitergeld.“Nach den Lockdowns hätten sich so manche Gastronomie- und Hotelbetreiber gewundert, dass ihre Mitarbeiter nicht mehr zurückkamen. „Aber die konnten so nicht durchkommen und haben sich andere Beschäftigungen gesucht.“
● Peter Thiele, Betriebsrat bei der DB Cargo München: „Die weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters kommt einer faktischen Rentenkürzung gleich, denn Beschäftigte im Rangierbetrieb beispielsweise können nicht bis 68 arbeiten. Wir fordern ein flexibles Renteneintrittsalter, stabile Rentenbeiträge und eine Anhebung der Rente auf 53 Prozent.“
● Andreas Blaser von der IG BCE Kel heimZwiesel: „Wir fordern eine gerechte Transformation – hin zur Digitalisierung, hin zur E-Mobilität.“Wobei die Zukunft wohl eher im Wasserstoff liege. „Bei der Stromproduktion laufen wir in eine Deckungslücke. Uns bleibt dann nichts anderes übrig, als den Atomstrom aus Tschechien zu beziehen.“
● Günter Zellner, Geschäftsführer des DGB Oberbayern: „Die Lebensarbeitszeiterhöhung findet auf dem Rücken der Armen statt.“Der Weg hin zur CO2-neutralen Wirtschaft werde ein schwerer und sei mit großen Investitionen verbunden. Auzent ßerdem müsse man sich auf die Bewältigung von Krisen, die schnell auftreten könnten, vorbereiten. „Die Altersarmut ist in den letzten zehn Jahren gestiegen.“
● Simone Stefan, Jugendsekretärin beim DGB Oberbayern: „80 Prozent der deutschen Betriebe haben 2020 gar nicht ausgebildet. Wir fordern einen gesetzlichen Anspruch auf einen Ausbildungsplatz und eine Übernahmegarantie.“Außerdem müsse die Güte der Berufsschulen verbessert werden und das Bafög müsse endlich an die realen Lebensbedingungen angeglichen werden. „Nur elf Prozent der Studierenden haben überhaupt Anspruch auf Bafög gehabt.“