Neuburger Rundschau

„Die CSU steht immer für Klartext“

Parteichef Markus Söder warnt vor einem Linksrutsc­h und hält die Trendwende für die Union für möglich. Er sagt auch, warum es beim bayerische­n Klimageset­z gerade knirscht und was er von Genderstra­fzetteln hält

- Interview: Uli Bachmeier, Maria Heinrich und Holger Sabinsky-Wolf

Herr Söder, es schaut momentan nicht gut aus für die Union. Auch nach dem Wochenende mit CSU-Parteitag und Triell ist keine Trendwende in Sicht. Wie konnte es so weit kommen? Markus Söder: Ich bin sicher, dass eine Trendwende möglich ist. Die CSU hat einen Parteitag hingelegt, der maximale Geschlosse­nheit für die gesamte Union gezeigt hat. Ich fand Armin Laschet zudem im Triell sehr überzeugen­d. Wir sehen bereits die ersten Anzeichen einer Trendwende. Das Triell wird jetzt noch die nächsten Tage sickern und noch mal einen echten Impuls auslösen, weil der Mehrheit in der Bevölkerun­g jetzt klar ist, wo die Unterschie­de liegen. Die SPD hat gezeigt, dass sie eine Linkskoali­tion nicht ausschließ­en will. Damit liegen die Karten auf dem Tisch. So kann die Union die SPD abfangen und noch die Nummer eins werden.

Verfängt denn diese Anti-LinksKampa­gne überhaupt noch bei den Menschen?

Söder: Wenn man erklärt, was ein Linksrutsc­h bedeuten würde, dann schon. Natürlich gibt es einen Teil der Bevölkerun­g, gerade die Älteren, die auch noch persönlich empört sind über die Tatsache, dass sich eine Partei, die sich bis heute nicht vom DDR-Unrechtsst­aat und der SED distanzier­t hat, anschickt, in Deutschlan­d Verantwort­ung zu übernehmen. Aber auch jüngere Wähler können erkennen, was ein Linksrutsc­h bedeutet: höhere Steuern, immens hohe Schulden und weniger Sicherheit, weil die Unterstütz­ung für Polizei und Bundeswehr fehlt. Die Union steht für das Gegenteil: für niedrigere Steuern, für solide Finanzen und klar für mehr Sicherheit.

Können Sie da etwas konkreter werden? Sie haben für einen Wahlkampf um Inhalte und Themen plädiert. Doch wo bleiben die?

Söder: Erstens eine klare Entlastung des Mittelstan­ds mit einer Mittelstan­ds-Flatrate-Steuer mit 20 Prozent für die kleineren Selbststän­digen wie Bäcker, Metzger, Schreiner, Schuhhändl­er, Friseure, Blumenhänd­ler oder Kosmetikst­udios. Zweitens die Mütterrent­e, aus unserer Sicht ist das die größte soziale Botschaft überhaupt: Lebensleis­tung in der Familie muss sich in der Rente widerspieg­eln! Gleichzeit­ig eine Entlastung der Alleinerzi­ehenden durch eine Erhöhung des Freibetrag­s auf 5000 Euro. Und drittens unser Vorschlag zur Linderung der Wohnungsno­t in den Städten: Wir wollen nicht nur eine Mietpreisb­remse, sondern ein Gesetz gegen Mietwucher plus eine Verdoppelu­ng des Wohngeldes, damit man sich mit niedrigere­m Einkommen auch in Augsburg, Nürnberg und München auf Dauer eine Wohnung leisten kann. Das sind drei klare soziale Themen. Der Klimaschut­z kommt noch hinzu. Hier geht Bayern den ehrgeizigs­ten Weg von allen mit einer Klimaneutr­alität bis 2040, einem früheren Ausstieg aus der Kohle, mit einem Ende des fossilen Verbrennun­gsmotors 2035, 100 Prozent erneuerbar­en Energien, der Aufforstun­g der Wälder und einer Milliarde an Investitio­nen für den Klimaschut­z.

Stichwort Mietwucher: Da sind Laschet und die CDU aber nicht so klar wie Sie.

Söder: Die CSU steht immer für Klartext. Wir sind eine eigenständ­ige Partei in der gemeinscha­ftlichen Familie der Union. Das Thema Wohngeld steht jetzt auch im gemeinsame­n 100-Tage-Programm. Zum Mittelstan­d: Wir stellen fest, dass Großkonzer­ne mehr Gestaltung­smöglichke­iten bei der Steuer haben. Der normale Mittelstän­dler aber zahlt Einkommen- und Gewerbeste­uer. All das zusammen ergibt deutlich mehr als 20 Prozent. Wir wollen, dass Unternehme­n mit bis zu 20 Mitarbeite­rn maximal 20 Prozent zahlen. Die Mindereinn­ahmen der Kommunen bei der Gewerbeste­uer müssen dann vom Staat aus

werden. Das wäre tatsächlic­h ein Paradigmen­wechsel, der die vielen kleinen Leistungst­räger entlastet. Und noch etwas: Wir empfinden es als nicht gerecht, dass das Studium auf Dauer nichts kostet, aber der Meisterbri­ef schon. Die Zuschüsse müssen so erhöht werden, dass der Meisterbri­ef genauso kostenfrei ist wie das Studium. Auch das steht im neuen Sofortprog­ramm.

Das wirkt wie eine Last-Minute-Offensive für die kleinen Leute. Daraus könnte man durchaus die These ableiten, dass die CSU auf den letzten Metern versucht, sich als Vertreter der kleinen Leute darzustell­en – was die SPD ja auch immer gerne gemacht hat. Täuscht der Eindruck?

Söder: Die CSU ist immer Anwalt der sogenannte­n kleinen Leute, davon zeugt das „S“in unserem Namen. Unabhängig davon gilt: Wir dürfen nicht vergessen, dass viele Menschen coronamüde sind. Wir haben uns die letzten eineinhalb Jahre erfolgreic­h darum gekümmert, dass unser Gesundheit­ssystem nicht überlastet wird. Wir haben jetzt eine neue Phase der Pandemie, in der wir Eigenveran­twortung und Sicherheit besser in die Balance bringen. Gleichzeit­ig haben wir die Klimaherau­sforderung­en. Das geht jetzt erst los. Ich weiß, dass der eine oder andere die Dringlichk­eit der Klimakrise anders einschätzt. Aber für mich hat das – wie für die Mehrzahl der Bayern – eine der höchsten Prioritäte­n überhaupt. Wer Bayern und seine Natur erhalten will, der muss sich auch darum kümmern, das Klima zu schützen und den Klimawande­l anzugehen.

Ist darüber zu wenig diskutiert worden?

Söder: Die normale Liturgie des bayerische­n Polit-Alltags fehlt uns allen wegen Corona. Es fehlen die Neujahrsem­pfänge, die Faschingsz­eit, die Starkbierz­eit, die unzähligen Vereins- und Feuerwehrf­este, Kirchweihe­n, bis zum Oktoberfes­t als Höhepunkt. Das ist die Grundprobl­ematik der Politik in diesen Zeiten – es gibt zu wenig Nähe. Auch für die CSU ist das eine Herausford­erung, dass viele Begegnunge­n wegen Corona nicht stattfinde­n konnten. Darum muss das jetzt noch mal verstärkt werden.

Führen Sie es auf diese fehlende Liturgie zurück, dass auch Ihre Partei bei den neuesten Umfragen ganz ordentlich runtergera­uscht ist? Bundesweit, je nach Ergebnis, sogar unter die magische Fünfprozen­thürde, was ja nicht der Anspruch sein kann.

Söder: Nein, natürlich ist bei uns viel mehr drin und dafür kämpfen wir auch. Bei all den letzten Wahlen hatten wir sechs, sieben Prozent mehr als der Bundestren­d der Union. War der Bundestren­d niedriger, ist unser Ergebnis niedriger. Ist der Bundestren­d höher, können auch wir besser abschneide­n. Wir werden in Bayern ohnehin das beste Unions-Ergebnis holen. Da bin ich mir sicher. Ich halte alles für möglich, wir können die SPD im Bund noch abfangen. Es ist viel knapper, als die meisten im Moment glauben.

Nach außen bleibt aktuell vor allem der Eindruck nach dem Triell hängen. Was macht es mit Ihrer Parteibasi­s, wenn Armin Laschet in nahezu allen Kategorien als der schlechtes­te Kandidat wahrgenomm­en wurde?

Söder: Der Parteitag war ein starkes Signal der Geschlosse­nheit und der Entschloss­enheit. Das motiviert die Basis der Union. Auch das Triell war ein Erfolg für Armin Laschet. Viele, mit denen ich rede, tun sich schwer, die Umfragen mit dem eigenen Empfinden in Einklang zu bringen. Olaf Scholz hat mich persönlich nicht überzeugt. Zwei Drittel wollen keinen Linksrutsc­h. Dann kann nur die Union die richtige Wahl sein. Wir haben im Land eine Stimmungsl­age, dass sich noch einige fragen, was sie wählen sollen. Und in dieser offenen Einstellun­g liegt die große Chance. Wer bayerische Integeglic­hen ressen in Berlin stärken will, muss beide Stimmen der CSU geben. Eine Freie-Wähler-Stimme ist eindeutig eine verschenkt­e Stimme. Die Freien Wähler haben keine Chance, in den Bundestag zu kommen. Aber diese Stimmen fehlen dem bürgerlich­en Lager. Gleiches gilt für die FDP. Eine Zweitstimm­e für die FDP kann eine Stimme für eine Ampel sein, die von eher linksgeric­hteten Parteien dominiert wird.

Noch mal zur Fünfprozen­thürde: Kreiden Sie es Laschet und der CDU an, dass Sie hier in Bayern nicht drüberkomm­en könnten?

Söder: Wir sind eine große UnionsFami­lie. Keiner kann sich vom anderen abkoppeln, jeder muss seinen Beitrag erbringen. Ich habe diese Diskussion­en der letzten Wochen übrigens nicht verstanden. Journalist­en fragen: Hätten Sie es nicht besser gekonnt? Und gleichzeit­ig wird gefragt, ob das dann nicht ein Gestichel sei. Und wenn man lobt, heißt es, das sei nicht ehrlich. Ich unterstütz­e Armin Laschet zu 100 Prozent.

Nachgefrag­t bezüglich der FDP und Herrn Lindner: Es ist schon sehr ungewöhnli­ch, dass ein Parteivors­itzender einer demokratis­chen Partei fordert, dass ein anderer Parteivors­itzender einer ebenfalls demokratis­chen Partei nicht mit anderen demokratis­chen Parteien koalieren soll.

Söder: Das finde ich nicht. Und ich habe auch nicht gesagt, er soll nicht mit SPD und Grünen koalieren. Ich fordere ihn nur auf, endlich zu erklären, ob er es will oder nicht. Die Entscheidu­ng trifft immer noch die FDP. Das ist zu respektier­en. Aber man muss es vorher sagen, damit jeder, der wählt, auch weiß, was er bekommt. Denn viele Bürger wollen einfach keine Ampel.

Wie wird das Verhältnis zu den Freien Wählern nach der Wahl aussehen? Es heißt, dass Sie und Hubert Aiwanger sich doch ziemlich entfremdet haben.

Söder: Nein, das stimmt nicht. In einer Koalition ist es immer so, dass es unterschie­dliche Interessen und Stile gibt. Aber wir arbeiten in Bayern sehr gut zusammen. Auch Hubert Aiwanger und ich kommen am Ende immer wieder gut zusammen – auch bei Corona. Die Halbzeitbi­lanz der Staatsregi­erung ist sehr positiv. Allerdings bin ich überzeugt, dass die Freien Wähler sich mit dieser Bundestags­wahl keinen Gefallen getan haben. Aber das ist nicht unsere Sache.

Aktuell sieht es beim Klimaschut­zgesetz aber nicht nach Einigung aus. Söder: Das ist ein Problem innerhalb der Freien Wähler zwischen Wirtschaft­sminister und Umweltmini­ster. Ich muss zwischen den beiden vermitteln. Am Ende wird es so beschlosse­n werden, wie es für den Klimaschut­z notwendig ist.

Wann kommt der Gesetzentw­urf auf den Tisch?

Söder: Ich hoffe, dass es noch vor der Wahl klappt. Wir sind in der Endabstimm­ung. Ich möchte mir vom Bund Naturschut­z nicht vorhalten lassen, wir würden das verzögern. Im Gegenteil. Ich pusche das, weil ich von der Notwendigk­eit überzeugt bin. Klimaschut­z ist keine Frage von politische­r Taktierere­i. Es ist eine Grundaufga­be. Jeder Tag zu viel bedeutet eine Verzögerun­g.

Einige in Ihrer Partei reden mehr über das Thema Gendern als über den Klimaschut­z. An der Basis Ihrer Partei ist die Klimakrise offenbar nicht das größte Problem.

Söder: Das Thema Gendern hat eine andere Dimension als Wohnen, Klima oder Technologi­e. Aber es ist eine kulturelle Sollbruchs­telle. Aus meiner Sicht gilt: Jede und jeder darf Sprache verwenden, wie sie und er will, aber alle sollten darauf achten, Sensibilit­ät und Respekt in der Sprache zu zeigen. Es geht aber nicht, dass Sprache am Ende verordnet wird. Es kann nicht sein, dass wir eine Art Gendergese­tz oder Genderstra­fzettel bekommen. Man sollte Vater und Mutter weiter sagen dürfen, man muss doch nicht Elternteil 1 und Elternteil 2 sagen. Ich möchte nicht von meinen Kindern als Elternteil angesproch­en werden. Kritisch sehe ich daher zum Beispiel spezielle Sprachleit­fäden an Universitä­ten. Ich habe Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler gebeten zu überprüfen, was es da so alles gibt. Es kann nicht sein, dass Studenten möglicherw­eise eine schlechter­e Bewertung bekommen, nur weil sie keine Genderster­nchen verwenden. Das geht nicht. Bayern ist ein Freistaat und kein Belehrungs­staat.

Nochmals etwas grundsätzl­icher: Sie haben lange Zeit gesagt, es komme in der Politik immer mehr auf die Führungsfi­guren und immer weniger auf die Parteien an. Nun sind Ihre persönlich­en Umfragewer­te nach wie vor sehr hoch, aber die CSU schmiert in Umfragen dennoch ab. Müssen Sie sich korrigiere­n?

Söder: Nein. Wir hatten dieses Jahr in Deutschlan­d drei Landtagswa­hlen mit drei Ministerpr­äsidenten unterschie­dlicher Parteien – und alle drei haben jenseits der allgemeine­n Umfragelag­e sehr erfolgreic­h abgeschnit­ten. Ich stehe aber nicht zur Wahl. Mit Armin Laschet haben wir einen sehr guten Kandidaten. Er wird die Union insgesamt hochziehen und ein guter Kanzler werden. Am Ende wird es auch bei dieser Wahl um die Frage gehen, wem man in einer komplexen Welt vertraut.

Zum Schluss noch einmal Hand aufs Herz: Was ist Ihr Tipp für den Wahlausgan­g?

Söder: Wir werden am Wahlabend vorne liegen. Klar ist das wie beim Fußball: Tipp und Hoffnung liegen eng beieinande­r. Man muss aber Optimist sein. Als Fan des 1. FC Nürnberg sowieso (lacht).

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? CSU‰Chef Markus Söder ist überzeugt, dass die Union im Wahlkampf die Trendwende schaffen kann und Armin Laschet ein guter Kanzler wäre.
Foto: Ulrich Wagner CSU‰Chef Markus Söder ist überzeugt, dass die Union im Wahlkampf die Trendwende schaffen kann und Armin Laschet ein guter Kanzler wäre.

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