„Das ist unser Tagesgeschäft“
Derzeit vermeldet die Neuburger Polizei kuriose Fälle, in denen aus Nichtigkeiten schwerwiegende Konflikte entstehen. Ist die Zündschnur der Menschen kürzer geworden, womöglich wegen der Pandemie? Die Polizei klärt auf
Neuburg Es ging offenbar um einen bellenden Hund. Das Tier löste einen Streit aus, wie er unter Nachbarn schon mal vorkommen kann. Doch das, was am Freitagabend in der Adalbert-Stifter-Straße in Neuburg passierte, hat mit einer normalen Meinungsverschiedenheit nichts mehr zu tun. Ein 34-Jähriger bedrohte im Verlauf des Streits, der sich immer mehr zuspitzte, seine Nachbarn mit dem Tod. Um seiner Äußerung Nachdruck zu verleihen, nahm er erst eine Kettensäge, dann eine Axt zur Hand. Auch ein Vorfall am Montagabend lässt Außenstehende halb verwundert, halb belustigt zurück. Zwei Männer, 23 und 51 Jahre alt, gerieten in der Berliner Straße in Neuburg aneinander, erst verbal, dann körperlich. Beide mussten mit leichten Verletzungen zur ambulanten Versorgung ins Krankenhaus. Auslöser des Streits war laut Polizei offenbar eine Pizza (siehe Meldung rechts). Die kuriosen Vorfälle führen zu der Frage: Ist die Zündschnur der Menschen kürzer geworden, nach anstrengenden Monaten der Corona-Pandemie? Die Neuburger Polizei klärt auf.
Polizeihauptkommissar Sebastian Dorsch stellt angesichts der aktuellen Ereignisse klar: „Das ist unser Tagesgeschäft.“Eine gesellschaftliche Entwicklung, dass die Menschen aufgrund der schwierigen Umstände dünnhäutiger geworden sind, könne man seiner Meinung nach nicht daraus ableiten. Vielmehr handele es sich um ein „Grundrauschen“, mit dem Polizisten tagtäglich konfrontiert seien. An den Einsätzen habe sich, in Vergleich
zu Vor-Corona-Zeiten, weder qualitativ noch quantitativ etwas verändert, so Dorsch. Eine Veränderung im Alltag der Beamten sieht er dennoch durch die Pandemie. „Die Leute sind gegenüber der Polizei ein bisschen kritischer“, berichtet Dorsch. Wer kein Verständnis für die Corona-Beschränkungen aufbringt, lässt seinen Frust an Polizisten heraus – die stehen stellvertretend für den Staat.
Dorsch bestätigt jedoch, dass die Neuburger Polizei aktuell bemüht sei, über mehr Einsätze in ihrem Pressebericht zu schreiben. Es gehe darum, den Menschen die ganze Bandbreite des Polizeialltags näherzubringen, sagt Dorsch. Heißt: Die Beamten haben es aktuell nicht mit mehr kuriosen Einsätzen zu tun, sie bringen nur mehr davon an die Öffentlichkeit. Dieses Bestreben hat einen konkreten Hintergrund. Vor einigen Wochen haben in Karlshuld drei junge Männer auf einen Jungen eingeschlagen. Ein Mann ging dazwischen und wurde daraufhin selbst angegriffen (wir berichteten). Die Polizei hatte den Vorfall damals nicht öffentlich gemacht. Eine Entscheidung, die den Beamten einige Kritik aus der Bevölkerung einbrachte. Dorsch verteidigt das Vorgehen. „Wir wollten keinen Brennpunkt schüren, den wir nicht sehen“, sagt er. Natürlich verdiene ein solcher Vorfall Aufmerksamkeit, doch man wolle Jugendgruppen, die regelmäßig durch Konflikte auffallen, „keine Nahrung“durch Öffentlichkeit geben. Um zu bekräftigen, dass man bezüglich der Information der Bürger sensibilisiert sei, will die Polizei nun mehr aus ihrer täglichen Arbeit berichten.
Daran, vom Vorfall von Samstagnacht zu berichten, bestand bei der Polizei kein Zweifel. Die Nachricht, dass offenbar ein Mann mit Waffe in der Neuburger Innenstadt unterwegs war, verbreitete sich durch Soziale Medien und Chatgruppen bereits nachts in Windeseile. Zum Teil verschanzten sich manche Gäste vorübergehend in ihrer Bar, um in Sicherheit zu bleiben – bis die Polizei vor Ort war. Die Beamten schnappten schließlich einen 18-jährigen Neuburger, der mit einer SoftairWaffe hantiert hatte.
Symbolfoto: Ralf Lienert