„Ehrenmord kommt nicht infrage“
Im Juli wurde die Leiche einer Frau wohl mit dem Zug nach Donauwörth gebracht und in Holzkirchen verscharrt. Der Anwalt eines der beiden Mordverdächtigen schließt für seinen Mandanten ein ethnisches Motiv aus
Donauwörth/Berlin Am 13. Juli sollen zwei afghanische Brüder ihre Schwester in Berlin ermordet und die Leiche in einem Rollkoffer per Bahn nach Donauwörth gebracht haben. Bilder aus Überwachungskameras zeigen die Tatverdächtigen mit einem entsprechenden Gepäckstück und unterstützen diese Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Nach einem kurzen Halt in Nordheim, in der Wohnung des jüngeren Bruders, sollen die beiden dann in den Nachbarlandkreis Neuburg-Schrobenhausen weitergefahren sein. Dort wurden die sterblichen Überreste der 34-Jährigen zwei Tage später in einem Waldstück gefunden.
Inzwischen gibt es Neuigkeiten, was den 25-jährigen Tatverdächtigen betrifft, der in Donauwörth gemeldet ist und derzeit – wie auch sein 22 Jahre alter Bruder – in Untersuchungshaft sitzt. Nachdem er zunächst in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen untergebracht war, wurde er jetzt nach BerlinMoabit verlegt. Sein Pflichtverteidiger, der Donauwörther Rechtsanwalt Bernd Scharinger, hat erst vor wenigen Tagen die Akten zur Einsicht bekommen, obwohl die Verhaftung der Mordverdächtigen bereits acht Wochen zurückliegt. Wie er auf Anfrage sagt, hat er seinen Mandanten inzwischen vier Mal persönlich getroffen. Auf Anraten Scharingers macht der 25-Jährige derzeit keine Angaben zu den Vorwürfen – ebenso sein jüngerer Bruder. Allerdings geht Scharinger auf das Motiv ein, das derzeit in Ermittlerkreisen als das Wahrscheinlichste gilt. Wie berichtet, gehen Polizei und Staatsanwaltschaft von einem sogenannten „Ehrenmord“aus. Die beiden Brüder mit afghanischen Wurzeln sollen mit dem Lebensstil ihrer Schwester nicht einverstanden gewesen sein. Die 34-Jährige hatte sich von ihrem Ehemann scheiden lassen und lebte ohne ihn zusammen mit ihren beiden Kindern.
Sie soll auf das Tragen eines Kopftuchs verzichtet, Kleidung des westlichen Kulturkreises getragen und sich geschminkt haben. Angeblich sei sie auch neu verliebt gewesen. Diese Lebensweise, so die Annahme der Ermittler, entsprach wohl nicht den Moralvorstellungen der 22 und 25 Jahre alten Brüder. „Aus gekränktem Ehrgefühl“, und um die Ehre der Familie wiederherzustellen, sollen die Männer deshalb ihre Schwester getötet haben.
Rechtsanwalt Bernd Scharinger erklärt dazu aus heutiger Sicht: „Meinem Mandanten sind derartige ethnische Gründe fremd. Für ihn kommt ein sogenannter ,Ehrenmord‘ nicht infrage.“
Denkbar sind rein theoretisch immer auch psychische Gründe. Zumindest schließt das die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nie aus, wenn jemand eines Kapitalverbrechens beschuldigt wird, und ordnet daher routinemäßig auch ein psychiatrisches Gutachten an. Ein solches wird nun im Fall der beiden Brüder auch eingeholt werden. Ebenso seien noch toxikologische Untersuchungen am Leichnam der getöteten Frau notwendig. Mit Prozessbeginn rechnet Bernd Scharinger im kommenden Frühjahr/Frühsommer.
Die beiden Brüder waren ins Visier der Polizei geraten, als ihre Schwester in ihrem familiären Umfeld in Berlin als vermisst gemeldet wurde. Die Beamten kamen den mutmaßlichen Mördern durch eben jene Aufnahmen der Überwachungskameras eines Bahnhofs in der Bundeshauptstadt auf die Spur, wie auch durch das Auswerten von Funkzellendaten der Handys sowie durch Zeugenaussagen. Die Daten eines eingeloggten Mobiltelefons führten dann auch in den Ehekirchener Ortsteil Holzkirchen im Nachbarlandkreis. Bei der Obduktion des Leichnams wurde eindeutig die Identität der 34-Jährigen festgestellt. Über die genauen Todesumstände gibt es bislang keine offiziellen Informationen.
In einem Dickicht, hinter Brennnessel-Büschen, sollen die Brüder dann die etwa eineinhalb Meter lange und 60 Zentimeter tiefe Grube ausgehoben haben – das Grab für die getötete Schwester. Die Gemeinde Ehekirchen hat das inzwischen verfüllte Loch mittlerweile mit Blumen bepflanzt zum Gedenken an das Opfer.