Taten statt scharfer Worte
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihrer knapp zweijährigen Amtszeit mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie große Reden schwingen kann – in jeglicher Hinsicht. Zum einen kann die Deutsche Emotionen artikulieren, europäische Momente schaffen. Zum anderen aber monieren Kritiker oft, dass sie konkrete Ergebnisse missen lässt. Da hat es in der Vergangenheit auch im Spitzenamt der EU oft gehapert. Blumige Worte statt handfester Taten. Doch während sie bei ihrer ersten Rede zur Lage der Union vor einem Jahr noch unter Rechtfertigungsdruck stand, als die EU zu
Beginn der Pandemie von einer Krise in die nächste taumelte, konnte sie jetzt zu Recht auf einige Erfolge in der Pandemie verweisen. Nach Anfangsschwierigkeiten hat die Kommission auf beeindruckende Weise geliefert. Europa steht ausgezeichnet da, was Impfstoffbeschaffung und -verteilung angeht. Das EU-Impfzertifikat erlaubt es den Bürgern, wieder zu reisen oder auszugehen.
Im Vergleich zu 2020 ging es diesmal weniger um Vorschläge für die Zukunft. Das war auch nicht nötig: Green Deal, Gesundheitsunion, Digitalstrategie – die im vorigen Jahr angestoßenen Großprojekte werden die Staatengemeinschaft auf Jahre hinaus beschäftigen. Ich habe geliefert, nun seid ihr dran, so darf man die Botschaft von der Leyens an das Parlament und die 27 Regierungen verstanden wissen.
Dennoch bleibt ihr ein großes Problem. Bei der größten innereuropäischen Baustelle, der Rechtsstaatlichkeit, wählt sie oft scharfe Worte, aber die Aktionen bleiben vage. Auch diesmal benannte sie die Sünder, die die „Seele Europas“schwer verletzen, nicht: die Regierungen in Warschau und Budapest. Den Dialog zu suchen, war richtig, aber ohne Erfolg. Aber nun muss die Kommission ihren neuen Schutzmechanismus nutzen und finanzielle Hilfen kappen. Das Zudrehen des Geldhahns dürfte das einzige wirkungsvolle Mittel sein, um Länder wie Polen oder Ungarn in die Schranken zu weisen.