Der Traum vom eigenen Heim auf Rädern
Der Campingboom ist noch nicht vorbei. Die Zulassungszahlen für Wohnmobile sind binnen eines Jahres um gut 13 Prozent gestiegen. Doch nicht nur Serienautos sind gefragt. Auch der Selbstumbau und individuelle Mobile und Anhänger finden immer mehr Fans
Augsburg/Merching Vier Räder, drei Vordersitze, etwa zwei mal zwei Meter Ladefläche – von außen sieht das Auto aus wie ein normaler Geländewagen. Im Innenraum steht an die Wand angebracht eine Konstruktion aus Metall und Stoff, ein wenig wie eine Kommode mit mehreren Schubladen. Eine Küchenzeile, Bänke, ein Wasserbecken – in der Kommode ist die gesamte Ausstattung eines Campingwagens verstaut. Das Auto war bis vor kurzem noch ein ganz normaler Geländewagen, den Peter Hase mit seinen Mitarbeitern binnen kurzer Zeit zu einem Drei-Mann-Wohnauto umgebaut hat. Hase ist Geschäftsführer der Firma Zooom aus Merching im Landkreis Aichach-Friedberg, die maßgeschneiderte Wohnmobile baut. Die Nachfrage nach derlei Fahrzeugen ist rasant gestiegen, sagt Hase. Der Trend scheint auch noch nicht vorbei zu sein.
Wie das Bayerische Landesamt für Statistik vermeldet, ist die Zahl an Wohnmobilen im Freistaat zuletzt stark gestiegen. So nahm der Bestand innerhalb eines Jahres um knapp 13 Prozent zu – ein Phänomen, das auch bundesweit zu beobachten war. Hier erhöhte sich die Zahl der Wohnmobile auf fast 675000, dies entspricht einem Plus von 14,5 Prozent. Peter Hase hat seine eigene Erklärung für diese
Entwicklung. Seit der Corona-Pandemie ziehe es die Menschen nach draußen, trotz geschlossener Hotels und nicht mietbarer Airbnb-Wohnungen. Die Konsequenz: Die Menschen statteten sich selbst aus.
Sucht man im Netz nach Worten wie „Wohnmobil“, „selbst“und „bauen“, schlagen die sozialen Medien direkt Videos mit Menschen vor, die sich selbst um den Umbau ihres Autos kümmern. Das Ergebnis ist in der Regel ein perfekter Wohnwagen, mit Betten, Küchenzeile, bei
Autos mit mehr Platz, sogar mit eingebauter Dusche. Dieser Trend macht sich auch bei Peter Hase bemerkbar. Er steht nun an einem anderen Wagen mit etwas erhöhtem Dach. Weil man im Innenraum keinen Platz mehr zum Schlafen findet, wenn Tisch, Sitzgelegenheiten und Küche ausgeklappt sind, ist das alte Dach herausgeschweißt und durch ein neues ersetzt worden. Dieses lässt sich ausklappen und dient dann als Bett für zwei Personen. „Zu uns kommen auch Leute, die sehr genaue Vorstellungen und ihr Auto zum Teil schon selbst umgebaut haben.“Das spare natürlich Geld, der Haken laut Hase: „Wenn man zum Beispiel Fenster einbauen will, verändert man die Statik des Wagens. Das kann bei Unfällen zu stärkeren Schäden des Autos und Verletzungen bei den Insassen führen.“Am schwierigsten seien Strom- und Wasserzufuhr zu verbauen. Dennoch: Gerade während des Lockdowns wurden wohl viele solcher Wagen in Eigeninitiative gebaut.
Kein Wunder, dass auch die Übernachtungszahlen auf Campingplätzen sprunghaft angestiegen sind. Bayerische Campingplätze verzeichneten etwa 1,3 Millionen Übernachtungen im ersten Halbjahr. Im Juni, dem ersten Monat des Jahres ohne Lockdown, übertrafen die Übernachtungszahlen mit knapp einer Million den Wert von Juni 2020 um über 16 Prozent. Damit nähern sich die Werte dem Niveau vor Corona mit 1,1 Millionen Übernachtungen im Juni 2019 an.
Den Boom gebe es allerdings schon seit etwa fünf Jahren, sagt Patrick Hase. Der Verkauf und Verleih von Wohnmobilen stieg auch bei ihm auf ein Rekordhoch, die Pandemie sei dafür jedoch nur sekundär verantwortlich. Für ihn hat in erster Linie der Komfort entscheidend dazu beigetragen, dass die Branche boomt. Einige Einzelteile, die Hase in den Autos verbaut, hat er sogar schon in Asien abgesetzt.
Manchmal gibt es auch skurrile Anfragen für den Merchinger Unternehmer Hase. So steht seit einigen Tagen ein ausrangierter Pferdetransporter in der Lagerhalle. Darin sollen in kaum einer Woche ein Bett, eine Küchenzeile und eine Theke Platz finden. Für Pferde ist dann kein Platz mehr.
Anhänger umbauen macht Patrick Nüske nicht. Der in Dasing, auch im Landkreis Aichach-Friedberg, ansässige Händler verkauft aber ebenfalls außergewöhnliche Anhänger – Camper, wie er sie nennt. Zu ihm kommen jedoch eher Alleinreisende – und das bereits seit Jahren. Corona habe die Nachfrage zwar ein wenig steigen lassen, viel Zuwachs gebe es seither jedoch nicht. Der Grund ist für Nüske einfach: „Die Leute wollen flexibler sein, einfach ihren Camper ans Auto docken und losfahren können. Nüske stellt außerdem eine gewisse Genügsamkeit unter seiner Kundschaft fest: „Die Leute wollen bewusst in den Urlaub fahren und dabei auch die Umwelt nicht außer Acht lassen, da bietet sich ein Camper natürlich an.“