Günstiger wohnen als Genossenschaft
Wer Haus, Grund oder auch nur eine Wohnung kaufen möchte, muss in Bayern sehr viel Geld in die Hand nehmen. Immer weniger können sich das alleine leisten. Gemeinsam aber kann es klappen
Augsburg Wer in diesen Tagen wieder und wieder sein Erspartes nachzählt, die Kreditangebote durchkalkuliert, beim nächsten zum Verkauf stehenden Grundstück erneut überboten wird und die nächste einigermaßen akzeptable Wohnung doch an das mit einem dicken Erbe (und der entsprechend höheren Eigenkapitaldecke) ausgestatteten Paar geht, könnte darüber nachdenken, in einer Wohnungsbaugenossenschaft zu zeichnen. Aber was ist das eigentlich genau? Und wie kommt man da rein? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist eine Wohnungsbaugenossenschaft?
Ganz vereinfacht gesagt: Man wird Mieter im eigenen Haus. Wohnungsbaugenossenschaften blicken dabei auf eine lange Geschichte zurück: Die ersten wurden in England bereits im 19. Jahrhundert gegründet. Die Idee dahinter ist, wie Tobias Straubinger vom Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW) erklärt, nach den Grundsätzen der „Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung den Wohnungsbau selbst in die Hand zu nehmen“. 1847 wurde auch in Deutschland – in Berlin – die erste Wohnungsgenossenschaft gegründet. Heute vertritt in Bayern der VdW die hiesigen Baugenossenschaften und -gesellschaften. Deren Mitglieder zeichnen Anteile an ihrer Genossenschaft und werden so Miteigentümer am Unternehmen.
Seit wann gibt es so was in Bayern? Seit 1871. Die älteste bayerische Genossenschaft ist die Baugenossenschaft München. Im Oktober begeht sie ihr 150-Jahre-Jubiläum. Interessant auch: 1889 wurde ein Genossenschaftsgesetz erlassen, das diesen eine begrenzte Haftungspflicht ermöglichte. Zuvor standen – im Fall des Falles – Genossenschaftsmitglieder bei einer Insolvenz nicht nur mit ihrem Genossenschaftsanteil, sondern mit allem, was sie hatten, im Feuer. Das neue Genossenschaftsgesetz führte in der Folge daher zu einem ersten Gründungsboom.
Wie werde ich Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft?
Die Wohnungsgenossenschaften im VdW Bayern verfügen laut Sprecher Straubinger über einen Bestand von rund 171000 Wohnungen. Wenn
frei wird, kann man sich bewerben. Um sie beziehen zu können, wird man dann zumeist Mitglied bei der Genossenschaft. Dafür, erklärt Straubinger weiter, würden sogenannte Pflichtanteile an der jeweiligen Wohnungsgenossenschaft erworben: „Die Höhe der Anteile richtet sich nach der Wohnungsgröße.“
Wie viele Wohnungsbaugenossenschaften gibt es in Bayern und Schwaben?
Laut VdW haben sich im Verband aktuell 355 Genossenschaften organisiert. Im Regierungsbezirk Schwaben sind es 51. Die jüngste davon ist die Augsburger Wogenau eG.
Was macht zum Beispiel die Wogenau?
Die hat es sich zum Ziel gemacht, „Grund und Boden dem Kapitalmarkt zu entziehen – insbesondere in einer Zeit explodierender Bodenpreise und weniger städtischer Grundstücke“. Sie hat inzwischen
das erste Bauprojekt im Sheridan-Park. Das Grundstück hat eine Größe von rund 4000 Quadratmetern. Hilde Strobl, Vorständin der Wogenau, sagt: „Wir bauen nun 46 Wohnungen für 70 Erwachsene und 30 Kinder.“Dabei soll integrativ geplant werden. Sprich: Es wird auch eine Gemeinschaftswaschküche geben oder ein gemeinsames Gästezimmer. Denn, sagt Strobl: „Nicht jeder braucht einen eigenen Balkon, wenn es zum Beispiel eine tolle gemeinsame Dachterrasse gibt.“Man habe bereits verbindliche Zusagen von Wogenau-Mitgliedern, habe aber weit mehr Interessenten. „Wir können leider nicht allen gerecht werden.“Wichtig sei, betont Strobl: „Die Wohnungen werden in unterschiedlicher Größe angelegt, sodass eine Familie, wenn Nachwuchs kommt, auch innerhalb der Anlage umziehen kann. Umgekehrt gilt das auch: Wenn die Kinder irgendwann ausziehen, kann man sich wieder kleiner stellen.“Die Wogenau beschreibt ihr Konzept so: „Die Mitglieder bewirtschaften ein Wohngeeine bäude als kollektives Eigentum. Das bedeutet: Sie sind nicht Besitzer*innen einer Wohnung, sondern Anteilseigner*innen am gesamten Projekt. Sie haben lebenslanges Mietrecht bei langfristig gleichbleibender Miete.“
Wie läuft das dann konkret?
Für das Bauprojekt im SheridanPark wird nun von den teilnehmenden Mitgliedern ein – abhängig von der Wohnungsgröße – fixer Betrag eingesammelt werden. Der bildet das Eigenkapital für das Darlehen bei der Bank. Wenn alles abbezahlt ist, ist es möglich, die zu erwartenden Mieteinnahmen für neue Projekte einzusetzen oder Dividende an die Mitglieder auszuzahlen, erklärt Strobl.
Welche Vorteile haben Mitglieder einer Wohnungsbaugenossenschaft?
VdW-Mann Straubinger sagt: „Der Auftrag der Wohnungsgenossenschaften besteht darin, ihre Mitglieder zu fördern. Das ist in den Satauch zungen festgelegt. Die Förderung besteht zumeist darin, den Mitgliedern guten, sicheren und sozial verantwortbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Konkret heißt das bezahlbare Mieten und sicheres Wohnen ohne Angst vor Eigenbedarfskündigungen.“
Kann ich selbst eine gründen? Grundsätzlich kann jeder eine Wohnungsgenossenschaft gründen, sagt Straubinger. Die regionalen Prüfungsverbände wie der VdW Bayern und der Bundesverband GdW beraten dabei. Der Bedarf im teuren Bayern wächst offensichtlich. Seit 2015 hat der VdW Bayern nach eigenen Angaben 32 neue Genossenschaften aufgenommen. Straubinger sagt: „So viele Neugründungen gibt es in keinem anderen Bundesland.“Und er fügt hinzu: „Der VdW Bayern spricht sich für eine Konzeptvergabe von kommunalen Baugrundstücken aus. Nur so haben die Genossenschaften eine Chance, an Bauland zu kommen und bezahlbare, nachhaltige und partizipative Wohnprojekte zu realisieren.“
Wie lange muss man als Interessent warten?
Das kann man pauschal nicht sagen. Das richtet sich nach der Situation am lokalen Wohnungsmarkt. Straubinger betont allerdings: „In vielen Städten werden die Genossenschaften von Anfragen förmlich überrannt. Und auch die Mieterfluktuation bei den Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern ist mit 4,5 Prozent ziemlich gering.“Positiv sei, dass viele Traditionsgenossenschaften wieder Neubauwohnungen schaffen würden.
Wie sind die Mietpreise, wenn ich eine Genossenschaftswohnung habe?
Die Durchschnittsmiete bei den Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern liegt bei 6,40 Euro pro Quadratmeter. Die Erst- und Wiedervermietungsmieten für neue Mietverträge hängen stark vom Standort der Genossenschaften ab. In Augsburg liegt sie laut VdW aktuell bei 7,13 Euro pro Quadratmeter, in München sind es 9,21 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Im allgemeinen Wohnungsmarkt liegt die durchschnittliche Erst- und Wiedervermietungsmiete in Augsburg laut VdW bei 11,03 Euro pro Quadratmeter. In München sind es 19,21 Euro.