Neuburger Rundschau

Warum Martin Huber für die CSU noch wertvoll sein könnte

Der neue Generalsek­retär ist seit Mai im Amt. Öffentlich hat der Oberbayer bisher recht wenige Akzente gesetzt. Noch. Ein Porträt.

- Von Stefan Lange

Berlin Zum Gespräch mit den Journalist­en aus Berlin rauscht Markus Söder förmlich in den kleinen, mit Jagdtrophä­en beladenen Saal eines bekannten Münchner Wirtshause­s. Söder zeigt die für ihn typische Präsenz, physisch wie psychisch ist der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Vorsitzend­e wie meist sofort voll da – und man fragt sich einmal wieder, wer bei den Christsozi­alen gegen Söder überhaupt bestehen kann.

Neben dem großen CSU-Chef sitzt Martin Huber, seit Mai neuer Generalsek­retär der Partei. Der 44-Jährige verliert den körperlich­en Vergleich mit seinem Chef, ist gleichwohl präsent. Huber hört aufmerksam zu, das ist jetzt gerade nicht sein Auftritt, der kommt später, wenn er seine Gäste aus der Hauptstadt in seine Heimat Altötting begleitet. In Berlin ist Huber noch wenig bekannt, die Neugierde ist groß. Wer ist dieser Huber, der überrasche­nd ins Amt kam? Einer, der Söder standhalte­n kann?

Die Binnensich­t innerhalb der CSU auf Huber ist eine andere, als die Draufsicht der Journalist­innen und Journalist­en aus Berlin. In der Hauptstadt haben sie es vor allem mit den Abgeordnet­en der CSULandesg­ruppe zu tun. Allen voran deren Vorsitzend­er Alexander Dobrindt, der so einer ist, der den Vergleich mit Söder aushalten kann. CSU-Generalsek­retäre kommen ab und an zu Besuch, man trifft sich dann in der bayerische­n Landesvert­retung, unweit des Boulevards Unter den Linden und der Friedrichs­traße. Söder war selber mal Generalsek­retär, Dobrindt auch. Huber kam ins Amt, weil sein Vorgänger Stephan Mayer nach nur wenigen Wochen zurücktrat.

Mayer wie auch Huber seien Verlegenhe­itslösunge­n, sagen sie in der CSU. Es gebe nicht viele Talente, die Auswahl für Söder sei nicht besonders groß gewesen. Jedenfalls nicht angesichts des Umstands,

dass im Freistaat im kommenden Herbst ein neuer Landtag gewählt wird und Söder unter Beobachtun­g steht. Früher, als er noch nicht Landes- und Parteichef war, da forderte er gerne mal 40 Prozent plus für seine Partei. Jetzt muss er selber liefern. Wenn sie ihn denn zum Spitzenkan­didaten machen, oder nicht doch vielleicht Ilse Aigner, die oft genannt wird, wenn es in der Partei wegen Söders Performanc­e grummelt. Aber das ist, wie gesagt, die Binnensich­t, die Medienleut­e aus Berlin stecken

nicht so tief drin, möglicherw­eise erlaubt das gleichzeit­ig einen anderen Blick auf die Dinge. „Er brennt, er will das“, sagte Söder über Huber, nachdem er ihn ins Amt gehoben hatte. Und: „Ich vertraue dir zu 100 Prozent, ich traue dir das auch zu.“Generalsek­retäre sind für die Wahlkampfo­rganisatio­n zuständig. Sie müssen den Chef ins rechte Bild setzen und gleichzeit­ig selbst ran. Bei volksnahen Parteien wie der CSU geht da viel über den direkten Kontakt, Bierzelte müssen bespielt werden, je näher

der Wahltermin rückt, desto stressiger wird der Job.

Huber ist Landtagsab­geordneter, er kennt die langen Abende mit Sitzungen, Veranstalt­ungen, Gesprächen. Letztere drehen sich gerade sehr oft um den Krieg in der Ukraine und die Folgen, Huber kann da aus der Praxis heraus gute Antworten geben. Altötting liegt im bayerische­n Chemiedrei­eck, der Wacker-Konzern beispielsw­eise hat hier seinen Hauptsitz. Das Unternehme­n mit einem Jahresumsa­tz von rund 6,2 Milliarden

Euro zählt zu den weltweit größten Hersteller­n von Siliconen und braucht gigantisch viel Energie – ein Prozent des bundesweit­en Stromverbr­auchs geht auf das Konto der Firmen im Chemiedrei­eck. Wacker hat den Energiebed­arf einer Großstadt wie Hamburg, falls der russische Präsident Wladimir Putin den Gashahn weiter zudreht, bekommen sie hier ein Problem. Denn die verschiede­nen Produktion­sanlagen sind miteinande­r gekoppelt, fährt man eine herunter, wirkt sich das auf die anderen aus.

Huber weiß um die Sorgen vor Kurzarbeit oder Jobverlust. Altötting ist ein wohlhabend­er Flecken, die Industrie hier zahlt gut Löhne, da gibt es viel zu verlieren. Der Generalsek­retär hat aber auch Antworten auf die Energiekri­se. Stadt und Landkreis haben schon vor vielen Jahren das „Energiespa­rwerk“gebaut, das unter anderem Fernwärme liefert und zu etwa 80 Prozent mit Holz betrieben wird. Die Abhängigke­it von Gas und Öl ist dadurch geringer, es gibt viel Wasserkraf­t in der Region. Windkraft macht hier, da kann Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) noch so oft etwas anderes behaupten, nach Berechnung­en der Altöttinge­r keinen Sinn. Der Wind weht nicht stetig genug, die Windkrafta­nlagen müssten für einen effektiven Betrieb 200 Meter hoch sein.

Wenn „die da in Berlin“also wieder ihre Theorien erläutern, kann Huber kontern. Er geht auch mit den Grünen vor Ort in den Clinch. Die liegen in den Umfragen bei 20 Prozent und sind längst ein ernst zu nehmender Gegner. Rechnerisc­h sind sogar Koalitione­n gegen die CSU unter ihrer Führung möglich.

Auf Huber kommt da in den nächsten Monaten jede Menge Arbeit zu, die Unwägbarke­iten der Corona-Pandemie machen seinen Job nicht leichter. Aus der Berliner Draufsicht allerdings sieht er dabei gerade nicht wie eine Verlegenhe­itslösung aus.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Parteichef und Generalsek­retär auf einer Bühne: Ministerpr­äsident Markus Söder setzt nach den Turbulenze­n um den Rücktritt von Stephan Mayr auf den Oberbayern Martin Huber als Generalsek­retär.

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