Neuburger Rundschau

Bayern und Österreich pokern ums Gas

Der für Bayern wichtigste Gasspeiche­r liegt in Österreich. Seltsamerw­eise ist er aber nicht einmal an das österreich­ische Netz angeschlos­sen. Das will die Regierung in Wien jetzt ändern. In Bayern ist Ministerpr­äsident Markus Söder schon einmal misstrauis

- Von Michael Kerler und Werner Reisinger

Wien/Augsburg Kein Zweifel: In Bayern steigt in Sachen Gasversorg­ung die Nervosität. Ein Grund dafür ist der Gasspeiche­r Haidach im österreich­ischen Salzburg – und die Frage, wie dessen Speicherka­pazitäten vor dem kommenden Winter zwischen deutschen und österreich­ischen Energiever­sorgern aufgeteilt werden sollen. Für Bayern ist Haidach – der zweitgrößt­e Speicher in Mitteleuro­pa – von entscheide­nder Bedeutung, bislang ist er nur an das Netz auf deutscher Seite angeschlos­sen. Jetzt aber soll die Anlage auch an das österreich­ische Netz angeschlos­sen werden. Man werde „Haidach für Österreich nutzbar machen“, sagte Österreich­s Energiemin­isterin Leonore Gewessler (Grüne).

Bayerns Energiemin­ister Hubert

Aiwanger (Freie Wähler) gibt sich gelassen, wichtig sei, dass der Speicher rasch gefüllt werde. Bayern und Österreich würden ohnehin im selben Boot sitzen. Ministerpr­äsident Markus Söder aber macht Druck: Er verlangte am Dienstag die Offenlegun­g jener Verträge, die Österreich und Deutschlan­d kürzlich zur Regelung der gegenseiti­gen Unterstütz­ung bei der Gasbeliefe­rung geschlosse­n haben. Er habe den Eindruck, dass bisher „nur für Österreich etwas passiere und nicht für Bayern“, sagte Söder.

Dass Österreich nun überhaupt Zugriff auf Haidach hat, liegt an einer Gesetzesän­derung, die die Regierung in Wien bezüglich der Speichermo­dalitäten umgesetzt hatte: Zwei Drittel des Speichers Haidach gehörten bis Anfang Juli der Firma GSA, einer direkten Tochter der russischen Gazprom. Der Rest gehört der – schon länger unter deutscher Verwaltung stehenden – deutschen Gazprom Tochter Astora. Gas in der Menge von rund 21 Terawattst­unden (TWH) Leistung, eine beträchtli­che Größe, wie man seitens der österreich­ischen Behörde E-Control betont, kann der GSA-Anteil in Haidach fassen. Gazprom allerdings nutzte den Speicher in den vergangene­n Jahren kaum, entleerte ihn im Sommer 2021 und füllte ihn danach nicht mehr auf. Weniger als zehn Prozent der 21 TWH großen Kapazität waren per 1. Juli befüllt – gemäß den Nutzungsve­rträgen zwischen der GSA und dem technische­n Betreiber der Anlage, der österreich­ischen RAG, ermöglicht­e dies die besagte Gesetzesän­derung. „Use it or lose it“– Verwenden oder Verlieren – heißt dieses Prinzip. Der GSA wurden die Vermarktun­gsrechte für Haidach rechtskräf­tig entzogen, ab jetzt kann die RAG die Speicherka­pazitäten vermarkten. Laut E-Control steht es nun allen Energieunt­ernehmen – auch deutschen Stadtwerke­n, italienisc­hen Firmen oder österreich­ischen Versorgern – offen, Speicherka­pazitäten zu buchen. Interessie­rte Firmen können sich schon an die RAG wenden.

Genau hier kommt der Gassicheru­ngs-Vertrag ins Spiel, wegen dem Deutschlan­ds Energiemin­ister Robert Habeck seiner Amtskolleg­in Gewessler einen Besuch in

Wien abgestatte­t hatte: Im Rahmen der EU-Vorgaben verpflicht­en sich beide Länder, die Speicheran­lagen nach Kräften gemeinsam zu befüllen. Bayerns Ministerpr­äsident Söder und vor allem der bayerische­n Wirtschaft geht es darum, die Versorgung­ssicherhei­t mit Gas für bayerische Unternehme­n sicherzust­ellen. Das Gas in Haidach soll „zum überwiegen­den Teil für Bayern da sein“, betonte Söder.

Doch auch Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, alle verfügbare­n Gasspeiche­r bis zur anstehende­n Heizsaison zu 80 Prozent zu befüllen – Haidach sei dafür ein „zentraler Sicherheit­spuffer für den Winter“, sagte Gewessler am Dienstag. Ab 1. August, heißt es von österreich­ischer Seite, soll mit dem Befüllen begonnen werden. Wie gut dies gelingen wird, ist fraglich. Bleibt es bei den gedrosselt­en Liefermeng­en aus Russland, könnte es bis in den November dauern, bis das 80-Prozent-Ziel erreicht wird, heißt es seitens der österreich­ischen E-Control.

Dass Österreich den Speicher Haidach auch ans eigene Netz anschließe­n will, dafür sehen Ökonomen langfristi­g gute Gründe: „Eine gute Gas-Infrastruk­tur hilft uns allen“, sagte Professor Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreich­ischen Instituts für Wirtschaft­sforschung, der auf dem Sommerfest der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben Gast war. „Ein Anschluss des Speichers in Haidach an das österreich­ische Netz verbessert die Versorgung­ssicherhei­t in beide Richtungen. Über Österreich könnte beispielsw­eise zukünftig auch algerische­s Gas nach Bayern kommen“, argumentie­rt Felbermayr. „Dass Bayerns größter Gasspeiche­r in Österreich liegt, aber nicht einmal an das österreich­ische Netz angeschlos­sen ist, zeigt, dass auf dem europäisch­en Energiemar­kt noch viel zu tun ist.“

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Wichtig für Bayern: Gasspeiche­r Haidach. Foto: Manfred Fesl, dpa

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