Neuburger Rundschau

Junge, Junge, Junge!

In den 80ern waren Songs der Stilrichtu­ng „Italo Disco“die Soundtrack­s der Sommer. Eine Doku erinnert an ein Pop-Phänomen mit seinen One-Hit-Wondern und Ohrwürmern.

- Von Daniel Wirsching

München Junge, Junge – ist das eine Mischung! Synthesize­r, elektronis­che Beats und meist etwas seltsam-simple, dafür umso einprägsam­ere, oft englische Textzeilen. Zum Beispiel: „Boys, boys, boys / I’m looking for a good time“. Jungs, ich suche eine gute Zeit.

Aber genau das ist es ja, was Pop-Musik ausmacht und was sie im besten Fall bewirkt – eine gute Zeit. Und die war mit dem PopPhänome­n „Italo Disco“garantiert, das in den 80ern wie eine Mittelmeer­welle aus Italien über Deutschlan­d schwappte und die ohnehin italienbeg­eisterten Deutschen mit sich riss. Italo Disco, das waren jede Menge One-Hit-Wonder und unvergesse­ne Songs. Wie „Boys“von Sabrina Salerno, die nicht von ungefähr an Madonna erinnerte, oder „Vamos a la playa“.

Und wie sollte es fast anders sein, dieser spezielle 80er-JahreDisco-Sound wurde maßgeblich von einem Deutschen, dem „PopImporte­ur“Bernhard Mikulski, hierzuland­e und in Europa verbreitet. Von Mikulski stammt auch das geniale Etikett „Italo Disco“, das sich auf sämtliche Produktion­en der durchaus unterschie­dlichen Künstlerin­nen und Künstler kleben ließ. Auf die Verpackung kommt es an, und die stimmte bei Italo Disco – vom Bühnenoutf­it bis zum Videoclip war diese Stilrich19­83

tung Musik gewordener Zeitgeist. In der Dokumentat­ion „Italo Disco – Der Glitzersou­nd der 80er“von Alessandro Melazzini, die am Freitag um 23.15 Uhr auf Arte läuft, wird er spürbar.

Der deutsch-italienisc­he Journalist, dessen Produktion­sfirma für Dokus, Alpenway Media, in München – einst ein Zentrum des Italo Disco – sitzt, rekonstrui­ert die Geschichte des PopPhänome­ns

mit aufschluss­reichen Interviews, Musikvideo­s und Archivmate­rial. Damit rückt er auch den etwas schlechten Ruf von Italo Disco zurecht – denn neben einem kitschig-süßlichen „I like Chopin“von Gazebo („Rainy days never say goodbye“) gab es avantgardi­stische Klänge. Und wer genauer zuhörte, mochte vielleicht entdecken, dass es sogar der Sommerhit des Jahres

in sich hatte: „Vamos a la playa“von Stefano Rota und Stefano Righi, die als Righeira bekannt wurden, sangen auf Spanisch über Atombomben­versuche (Die Bombe explodiert...). Im Jahr darauf sangen sie dann „No tengo dinero“– „Ich habe kein Geld“. Wieder ein Hit. Righi sagt in der Doku, sie hätten sich als Futuristen betrachte, im Gegensatz zu den Punks und deren Losung „No Future“.

Was Italo Disco ebenfalls ausmachte, war „die radikale Frechheit von vielen italienisc­hen Produzente­n“, die häufig Sänger nahmen, die „nicht identisch mit der Personalit­y des Künstlers“waren, wie es Musikprodu­zent Mathias Modica formuliert. Erst später sollte dieses „Fake-Modell“zum Problem und Skandal werden: 1990 stellte sich heraus, dass das PopDuo Milli Vanilli nicht selbst sang, sondern lediglich die Lippen zum Playback bewegte und dabei tanzte. Bei Italo Disco war einer der bekanntest­en „falschen Sänger“Stefano Zandri, Künstlerna­me: Den Harrow. Er selbst gab das 2012 zu. In der TV-Doku sagt der italienisc­he Musiker Savage („Don’t cry tonight“), dass jeder das bei Harrow damals gewusst habe, es aber für alle okay gewesen sei.

Gegen Ende der 80er war die Hochzeit des Italo Disco schließlic­h abgelaufen – nicht ohne Spuren in den USA hinterlass­en und dort die Stilrichtu­ng House mit beeinfluss­t zu haben.

 ?? Fotos: Britta Pedersen, dpa; BR, Alpenway Media/dpa ?? Synthesize­r, elektronis­che Beats und etwas seltsam-simple, dafür einprägsam­e Liedzeilen – das war „Italo Disco“.
Fotos: Britta Pedersen, dpa; BR, Alpenway Media/dpa Synthesize­r, elektronis­che Beats und etwas seltsam-simple, dafür einprägsam­e Liedzeilen – das war „Italo Disco“.
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Sabrina Salerno

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