Neuburger Rundschau

„Überprüft ihre Pässe“

In England kann man kaum glauben, was die Frauen bei der Heim-EM leisten.

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London Bei ihren Interviews direkt nach dem Spiel mussten die englischen Spielerinn­en Kopfhörer tragen, weil der Lärm im Stadion noch lange nach dem Abpfiff ohrenbetäu­bend war. Englands furioser Einzug ins EM-Finale durch das 4:0 gegen Schweden sorgte nicht nur in Sheffields Bramall Lane und beim Fanfest auf Londons Trafalgar Square für viel Begeisteru­ng. Ganz England freut sich jetzt auf das Endspiel am Sonntag im Wembley-Stadion und träumt vom ersten großen Titel für die Lionesses.

„Wir haben vor dem Turnier gesagt, dass wir die Nation inspiriere­n wollen, und ich glaube, das tun wir“, stellte Nationalco­ach Sarina Wiegman nach dem Sieg fest. „Wir wollen, dass das Land stolz auf uns ist.“Wiegmann hatte den Titel 2017 als Trainerin der Niederland­e gewonnen und könnte den Erfolg mit England wiederhole­n.

Der Telegraph nannte den Halbfinal-Auftritt etwas brachial eine „Zerstörung der Schwedinne­n“. Beth Mead (34. Minute), Lucy Bronze (48.), Alessia Russo (68.) und Fran Kirby (76.) beendeten mit ihren Toren nach drei verlorenen Halbfinals (EM 2012, WM 2015, EM 2017) die Negativser­ie der Lionesses, die erstmals seit 2009 wieder ein EM-Endspiel erreicht haben. Dabei hatte England keinen guten Start erwischt. Schon nach einer Minute war Torhüterin Mary Earps bei einem Schuss von Sofia Jakobsson gefordert. Die englische Offensive

tat sich schwer. Aber: „Wieder einmal hat die Mannschaft einen Weg gefunden“, meinte Wiegman, die regelmäßig betont, ihre Spielerinn­en seien auf alle möglichen Szenarien vorbereite­t. „Wir sind besser und besser geworden.“

„Das ist ein England-Team wie kein anderes“, befand der Guardian und schrieb scherzhaft: „Schnell, überprüft ihre Pässe.“Auch die frühere Nationalsp­ielerin und BBC-Moderatori­n Alex Scott, die 2009 mit England das EM-Finale gegen Deutschlan­d verloren hatte, konnte es kaum fassen. „Kann mich mal jemand kneifen?“, sagte sie, während in der Bramall Lane noch laut gesungen wurde. Unter den ersten Gratulante­n war auch Prinz William. „Das ganze Land ist so stolz auf alles, was ihr erreicht“, schrieb der Thronfolge­r bei Twitter. „So stolz war ich noch nie auf ein England-Team“, schwärmte Ex-Nationalsp­ieler Ian Wright beim Sender BBC. Zahlreiche weitere aktive und ehemalige

Fußballpro­fis, darunter Harry Kane, Raheem Sterling, Gary Lineker und Wayne Rooney, gratuliert­en den Lionesses.

Gelingt den Fußballfra­uen am Sonntag, was ihren männlichen Kollegen im letzten Jahr verwehrt geblieben ist? Der EM-Titel im eigenen Land wäre nicht nur die erste große Trophäe für die Lionesses, sondern der größte Erfolg für den englischen Fußball seit dem Gewinn der Männer-WM 1966 – ebenfalls im Wembley-Stadion. Die Chancen stehen gut. Seit 19 Spielen sind die Engländeri­nnen ungeschlag­en. Und vielleicht wird am Sonntag endlich der Text der ironisch gemeinten englischen Fußball-Kulthymne wahr: „Football’s coming home.“(dpa)

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Foto: Rui Vieira, dpa Leah Williamson (li.) und Ellen White stehen im Finale.

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