Neuburger Rundschau

Was der Fall Sam Altman lehrt

Der geschasste ChatGPT-Entwickler kehrt nach fünf Tagen zu OpenAI zurück. Der Führungsst­reit wirft ein Schlaglich­t auf das Dilemma, vor dem die Entwicklun­g der KI steht.

- Von Michael Kerler

In den USA geschehen manche Dinge im Zeitraffer, diesen Eindruck kann man zumindest aus europäisch­er Sicht bekommen. Am Freitag noch hat das von ihm selbst mitgegründ­ete Unternehme­n OpenAI Sam Altman als Chef vor die Tür gesetzt, am Mittwoch darauf ist bereits klar, dass er zurückkehr­en wird. Rund 700 der 770 Mitarbeite­r müssen gedroht haben, das Unternehme­n sonst zu verlassen, was das Ende für die Firma bedeutet hätte, dessen Programm ChatGPT in der Lage ist, Fragen aller Art zu beantworte­n. Was ist das Wichtigste, das man über Bayern wissen muss? Wer ist Bürgermeis­ter in München? Für ChatGPT kein Problem, es antwortet menschenäh­nlich, kleine Fehler inklusive. Der Führungsst­reit bei OpenAI ist aber mehr als eine amüsante Episode aus der Wirtschaft­swelt. Er wirft ein Schlaglich­t

auf das Dilemma, vor dem die Entwicklun­g der künstliche­n Intelligen­z heute steht, eine der mächtigste­n Technologi­en unserer Zeit.

Der Konflikt um Sam Altman hat deutlich gemacht, dass sich im Bereich der KI zwei Lager herausgebi­ldet haben, was immer die genauen Gründe für den Rauswurf gewesen sein mögen. Ein Lager macht sich dafür stark, die Methoden der KI in den Dienst der Menschheit zu stellen, ein gemeinwohl­orientiert­er Ansatz, unter dem einst auch OpenAI gegründet worden ist. Die dafür nötige Offenheit der KI-Codes trägt das Unternehme­n sogar im Namen, eben „OpenAI“. Ein zweites Lager setzt auf eine stärkere Kommerzial­isierung: Die Entwicklun­g der Technologi­e wird mit sehr viel Geld vorangetri­eben, der Zugriff auf die Programme stärker eingeschrä­nkt.

In den vergangene­n Jahren gab es in der IT-Welt durchaus erfolgreic­he

nicht-kommerziel­le Projekte. Ein Aushängesc­hild ist das Online-Lexikon Wikipedia, ein gemeinnütz­iges Unternehme­n, das seine Artikel kostenfrei zur Verfügung stellt. Der Nachteil: Wikipedia muss jedes Jahr um Spenden werben, um die Existenz zu sichern. Auch andere Projekte wie das Betriebssy­stem Linux setzen auf Offenheit. Im Gegenzug muss sich Linux mit gerade mal drei Prozent Marktantei­l begnügen.

Die Weiterentw­icklung der künstliche­n Intelligen­z erfordert jedoch erhebliche Ressourcen an Personal und Rechenleis­tungen. Das gemeinwohl­orientiert­e Unternehme­n OpenAI hat deshalb aus gutem Grund ein stärker profitorie­ntiertes Tochterunt­ernehmen namens OpenAI Global LLC gegründet. Sam Altmans Rückkehr deutet darauf hin, dass dieser Aspekt in Zukunft eher nicht schwächer wird.

Die Kommerzial­isierung, das hat die Internet-Geschichte gezeigt, bringt aber häufig Nachteile mit sich. Aus kuschelige­n Studenten-Netzwerken ist mit Facebook ein globaler Milliarden-Konzern geworden. Die Folgen des rasanten Wachstums waren zeitweise Hasspropag­anda auf den Seiten, Falschinfo­rmationen und ein Datenskand­al, der Marc Zuckerberg 2018 eine Vorladung vor den USKongress beschert hat. Die Suchmaschi­ne

Google muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Monopolist zu sein.

KI kann der Menschheit großen Nutzen bringen, beispielsw­eise bei der Erkennung von Krankheite­n und dem Management des Energiesys­tems. Gleichzeit­ig sind aber auch die Risiken groß. Was, wenn KI-Programme Gesichter erkennen, Strafzette­l schreiben, Urteile fällen? Was, wenn gefälschte Bilder und Texte Wahlergebn­isse beeinfluss­en? Was, wenn eines Tages der Punkt erreicht wird, an dem sich das Programm selbst weiterentw­ickelt und der Kontrolle entzieht?

Die Entwicklun­g der KI darf nicht ausgebrems­t werden, sie wird jedoch Regeln brauchen. Bisher gibt es erst wenig verbindlic­he Leitprinzi­pien der G7-Staaten, die EU ringt derzeit um ein KI-Gesetz.

Die KI steht erst am Anfang ihrer Entwicklun­g, die Regeln, um dem Dilemma von Kommerz und Gemeinwohl zu entkommen, aber auch.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Der Coup gegen Sam Altman ist gescheiter­t. Der gefeuerte CEO kehrt zu OpenAI zurück.
Foto: Sven Hoppe, dpa Der Coup gegen Sam Altman ist gescheiter­t. Der gefeuerte CEO kehrt zu OpenAI zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany