Was der Fall Sam Altman lehrt
Der geschasste ChatGPT-Entwickler kehrt nach fünf Tagen zu OpenAI zurück. Der Führungsstreit wirft ein Schlaglicht auf das Dilemma, vor dem die Entwicklung der KI steht.
In den USA geschehen manche Dinge im Zeitraffer, diesen Eindruck kann man zumindest aus europäischer Sicht bekommen. Am Freitag noch hat das von ihm selbst mitgegründete Unternehmen OpenAI Sam Altman als Chef vor die Tür gesetzt, am Mittwoch darauf ist bereits klar, dass er zurückkehren wird. Rund 700 der 770 Mitarbeiter müssen gedroht haben, das Unternehmen sonst zu verlassen, was das Ende für die Firma bedeutet hätte, dessen Programm ChatGPT in der Lage ist, Fragen aller Art zu beantworten. Was ist das Wichtigste, das man über Bayern wissen muss? Wer ist Bürgermeister in München? Für ChatGPT kein Problem, es antwortet menschenähnlich, kleine Fehler inklusive. Der Führungsstreit bei OpenAI ist aber mehr als eine amüsante Episode aus der Wirtschaftswelt. Er wirft ein Schlaglicht
auf das Dilemma, vor dem die Entwicklung der künstlichen Intelligenz heute steht, eine der mächtigsten Technologien unserer Zeit.
Der Konflikt um Sam Altman hat deutlich gemacht, dass sich im Bereich der KI zwei Lager herausgebildet haben, was immer die genauen Gründe für den Rauswurf gewesen sein mögen. Ein Lager macht sich dafür stark, die Methoden der KI in den Dienst der Menschheit zu stellen, ein gemeinwohlorientierter Ansatz, unter dem einst auch OpenAI gegründet worden ist. Die dafür nötige Offenheit der KI-Codes trägt das Unternehmen sogar im Namen, eben „OpenAI“. Ein zweites Lager setzt auf eine stärkere Kommerzialisierung: Die Entwicklung der Technologie wird mit sehr viel Geld vorangetrieben, der Zugriff auf die Programme stärker eingeschränkt.
In den vergangenen Jahren gab es in der IT-Welt durchaus erfolgreiche
nicht-kommerzielle Projekte. Ein Aushängeschild ist das Online-Lexikon Wikipedia, ein gemeinnütziges Unternehmen, das seine Artikel kostenfrei zur Verfügung stellt. Der Nachteil: Wikipedia muss jedes Jahr um Spenden werben, um die Existenz zu sichern. Auch andere Projekte wie das Betriebssystem Linux setzen auf Offenheit. Im Gegenzug muss sich Linux mit gerade mal drei Prozent Marktanteil begnügen.
Die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz erfordert jedoch erhebliche Ressourcen an Personal und Rechenleistungen. Das gemeinwohlorientierte Unternehmen OpenAI hat deshalb aus gutem Grund ein stärker profitorientiertes Tochterunternehmen namens OpenAI Global LLC gegründet. Sam Altmans Rückkehr deutet darauf hin, dass dieser Aspekt in Zukunft eher nicht schwächer wird.
Die Kommerzialisierung, das hat die Internet-Geschichte gezeigt, bringt aber häufig Nachteile mit sich. Aus kuscheligen Studenten-Netzwerken ist mit Facebook ein globaler Milliarden-Konzern geworden. Die Folgen des rasanten Wachstums waren zeitweise Hasspropaganda auf den Seiten, Falschinformationen und ein Datenskandal, der Marc Zuckerberg 2018 eine Vorladung vor den USKongress beschert hat. Die Suchmaschine
Google muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Monopolist zu sein.
KI kann der Menschheit großen Nutzen bringen, beispielsweise bei der Erkennung von Krankheiten und dem Management des Energiesystems. Gleichzeitig sind aber auch die Risiken groß. Was, wenn KI-Programme Gesichter erkennen, Strafzettel schreiben, Urteile fällen? Was, wenn gefälschte Bilder und Texte Wahlergebnisse beeinflussen? Was, wenn eines Tages der Punkt erreicht wird, an dem sich das Programm selbst weiterentwickelt und der Kontrolle entzieht?
Die Entwicklung der KI darf nicht ausgebremst werden, sie wird jedoch Regeln brauchen. Bisher gibt es erst wenig verbindliche Leitprinzipien der G7-Staaten, die EU ringt derzeit um ein KI-Gesetz.
Die KI steht erst am Anfang ihrer Entwicklung, die Regeln, um dem Dilemma von Kommerz und Gemeinwohl zu entkommen, aber auch.