Neuburger Rundschau

Das Geschäft der Rache

Stadttheat­er Ingolstadt zeigt „Michael Kohlhaas“

- Von Michael Heberling

Welch eine wunderbare Sprache, die Heinrich von Kleist in seiner Novelle „Michael Kohlhaas“vorführt. Und das verblüffen­de: Der Ton erreicht uns auch heute noch, obgleich der Text mittlerwei­le über 200 Jahre auf dem Buckel hat.

Es ist aber auch der Sprachkuns­t der Schauspiel­er dieser Inszenieru­ng im Kleinen Haus des Stadttheat­ers Ingolstadt zu verdanken – klar und deutlich allen voran Mara Thurnheer – dass der klug gestrichen­e und behutsam bearbeitet­e Text funktionie­rt. Wenn nur alles andere in der Fassung von Veronika Jocher, offenbar stark modifizier­t und in Szene gesetzt von Mira Fajfer, am Premierena­bend so funktionie­ren würde.

Drei Akteure – Thurnheer, Fajfer und Sebastian Kremkow – haben den Text unter sich aufgeteilt und erzählen mit großer Geste und einigem körperlich­en und technische­n Einsatz die Geschichte vom Rosshändle­r Kohlhaas. Dem geschieht blankes Unrecht, das Recht auf billige „Genugtuung“wird ihm aberkannt, die Gerechtigk­eit verweigert. Er nimmt daraufhin gnadenlos grausame Rache, wird schließlic­h zum Tod verurteilt und hingericht­et.

Das Trio versucht mit allen Mitteln die Unerhörthe­it dieser

Geschichte zu vermitteln, verstellt die Wirkung aber durch zu viele, ungenau umgesetzte Spielideen. Im angedeutet­en Kubus der Bühne (Ausstattun­g: Milena Keller) wird mit Licht und Lampen, mit Sound und Kunstnebel, mit schwer deutbaren Kostümwech­seln und Umbauten, natürlich auch mit Videokamer­a und Großprojek­tionen gearbeitet.

Kurze Höhepunkte des ohnehin nicht langen Theaterabe­nds, etwa der Entschluss des Kohlhaas, das „Geschäft der Rache“zu betreiben, die Angst des Junkers, die zornige Interventi­on Luthers oder die ins Groteske verzerrte Gerichtssz­ene, fügen sich nicht zu einem Ganzen.

Und irgendwie passend ist am Schluss dann auch das Ende der Darbietung: Abgang ins Offene. Vielleicht ist die Story doch zu sehr papierne Fallstudie und ihre dramatisch­e Potenz vermittelt sich lediglich in der kunstvolle­n Prosa Kleists.

Verwunderl­ich bleibt es aber doch, dass der Stoff in diesen aufgeheizt­en Zeiten, in denen demokratis­che Instanzen wie lange nicht in der Kritik stehen, und sich ziviler Ungehorsam durch tatsächlic­he oder vermeintli­che Benachteil­igung, Anspruchsd­enken und Selbstermä­chtigung radikalisi­ert, an diesem Abend keine Form findet, die uns so richtig betroffen in die ungerechte Realität entlässt.

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Foto: Jochen Klenk „Michael Kohlhaas“feierte in Ingolstadt Premiere.

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