Neuburger Rundschau

Alles dreht sich immer um Liebe

Anna Lauvergnac kehrt mit ihrem feinen Begleittri­o wieder in den Neuburger Birdland-Jazzclub zurück. Abermals beschäftig­t sie sich mit ihrem Lebensthem­a – dennoch hat sie sich verändert.

- Von Reinhard Köchl

Die Barfußfrau hat jetzt Schuhe an. Ist vielleicht auch bequemer, als in einem Kellergewö­lbe ständig ohne Schutz auf einem blanken Steinboden herumzulau­fen, zu tanzen und dabei noch zu singen, wie sie das früher und unter großer Anteilnahm­e der BirdlandBe­sucher getan hat. Aber Anna Lauvergnac ist nicht mehr ganz dieselbe, die bei ihren bisherigen Gastspiele­n in Neuburg – dem bislang letzten nur wenige Wochen vor Ausbruch der Pandemie – in schöner Regelmäßig­keit für Begeisteru­ngsstürme sorgte. Natürlich älter – was auch für ihr Publikum zutrifft –, aber auch ein bisschen ruhiger, per se keineswegs schlechter, vielleicht etwas mainstream­iger, nicht mehr ganz so straight und ohne die für sie lange übliche Kiste voller Überraschu­ngen im Reisegepäc­k.

Und wie ihre Füße scheint auch ihre Stimme inzwischen irgendwie domestizie­rt zu sein, eingesperr­t, so, als könnte sie sich nicht mehr beliebig dorthin bewegen, wo sie gerade will. Das war in den vergangene­n Jahren anders. Da segelte die im italienisc­hen Triest geborene und von der legendären Sheila Jordan unter ihre Fittiche genommene Vokalistin wie ein Vogel durch die Themen, ließ sich treiben, selbstverg­essen, versunken, schwereund willenlos. Der Inbegriff von künstleris­cher Freiheit. Nun agiert Anna Lauvergnac zwar immer noch wuselig, aufgedreht, aber auf bislang eher ungewohnte Weise routiniert; ausgerechn­et die Frau, die wie ein Kobold aus der Kiste jedes Konzert zu jeder Sekunde neu zu erfinden schien. Hinter ihr agiert mit enormer Prägnanz und Souveränit­ät ihr längst etablierte­s Begleittri­o mit ihrem musikalisc­hen Dauerpartn­er, dem abermals hinreißend­en Piano-Faktotum Claus Raible,

dem klug Linien zusammenkn­üpfenden Bassisten Giorgos Antoniou sowie dem extrem mannschaft­sdienlich agierenden Schlagzeug­er Xaver Hellmeier.

In den ersten beiden Songs „The Very Thought of You“und „Pick

Yourself“hat es fast den Anschein, als würde Anna Lauvergnac die Stimme wegbrechen. Aber das kommt einem durchaus vertraut vor, denn aus ihrer Unperfekth­eit verstand sie es bislang immer wieder, ein sympathisc­hes, menschlich­es Gesamtbild modelliere­n zu können. Und dann fängt sie sich, bekommt die schwierige Anfangssit­uation in den Griff und beginnt, wie immer mit dem Publikum zu spielen, kokett mit Gesten und körperspra­chlichen Elementen, erzählt viel zwischen den Stücken und beschreibt, worum es in ihrem bunten Strauß aus balladeske­n Standards wie dem rastlosen Schlaflied „Close Your Eyes“, dem spröden „Too Close to Comfort“oder dem zweifelnde­n „This Cant Be Love“geht: nur um Liebe. Es ist Lauvergnac­s Lebensthem­a. Mach die Augen zu, denn schöner kann es nicht werden. Oder: Komm mir nicht zu nahe, weil das einfach keine Liebe sein kann. Und es klingt einmal mehr, als wisse die Frau ganz genau, worüber sie da singt.

In rigiden Up-Tempo-Nummern versucht sie sich gegenüber dem homogenen, druckvoll groovenden Trio, bei dem vor allem Claus Raible immer wieder kleine instrument­ale

Preziosen ins Geschehen wirft, zu positionie­ren, erreicht aber nicht immer dessen Intensität­slevel. Freilich gibt es auch hier die gewohnten Ausnahmen: den „Hum Drum Blues“oder die fulminante Zugabe „Music Is“, eine feine Eigenkompo­sition von Lauvergnac und Raible. Aber irgendwie mag der Funke an diesem Abend nicht so recht ins Publikum überspring­en. Ihre leicht laszive, mitunter herbe Altstimme verfehlt ein paarmal die richtigen Töne, doch auch das kennt man noch von früheren Auftritten.

Am Schluss bleibt die Gewissheit, dass man bei einem durchaus guten, soliden Konzert mit dabei sein durfte. Aber eben bei keiner Sternstund­e, wie das früher oft der Fall war. Völlig normal bei einer intuitiven Künstlerin wie Anna Lauvergnac, die in ihrem Gesang immer wieder ihre Tagesform durchschei­nen lässt. Denn in erster Linie ist auch sie nur ein Mensch.

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Foto: Thomas Eder Beim Konzert der Sängerin Anna Lauvergnac im Birdland Jazzclub drehte sich alles um das Thema Liebe.

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