Neuburger Rundschau

Drei musikalisc­he Schwergewi­chte

Florian Arbenz, Greg Osby und Arno Krijger zelebriere­n im Birdland die hohe Kunst des Gönnens. Die Schlüsselr­olle fällt dabei einer original Hammondorg­el zu.

- Von Reinhard Köchl

Neuburg Es braucht schon fünf kräftige und rückenstab­ile Jungmannen, um so ein Monstrum die Treppen des Hofapothek­enkellers runter und wieder rauf zu schleppen. Rund 130 Kilo wiegt eine original B3 Hammondorg­el, und der Niederländ­er Arno Krijger hat eines der wenigen noch existieren­den Exemplare ausgerechn­et ins Neuburger Birdland mitgebrach­t. Natürlich würde es auch eine Spur leichter, kleiner, komfortabl­er und zeitgemäße­r gehen. Aber jeder Organist, der einmal seine Finger auf eine B3 gelegt hat, schwärmt geradezu von dem unverwechs­elbaren Klang, dem räumlichen, weiten Sound, der durch den eingebaute­n Federhall entsteht und der sich eigentlich kaum beschreibe­n lässt.

Wohl dem also, dem solch eine Königin der Tasteninst­rumente eine Audienz gewährt (und der wie das Birdland über das entspreche­nde Personal für den Transport verfügt). Einmal aufgebaut, geht Krijgers Hammond B3 gleich in einen intensiven, adrenalinh­altigen Dreistellu­ngskampf mit einem Altsaxofon, das von der mittlerwei­le 63-jährigen, einstigen Gallionsfi­gur des New Yorker M-BaseCollec­tives, Greg Osby, gespielt wird und einem Schlagzeug, ständig in Bewegung gehalten von dem Schweizer Tausendsas­sa Florian Arbenz. Und, oh Wunder: die Orgel bestätigt nachhaltig ihren längst legendären Ruf – ebenso übrigens wie die beiden Mitstreite­r dieses geradezu sensatione­llen Trios.

Natürlich ist es wieder mal – laut. Vor allem vom Drumset her schiebt sich eine wuchtige Phonwelle unwiderste­hlich ins Gewölbe. Und es ist kochend heiß, die Musik fließt wie ein dicker, glühender Lavastrom breiig von der Bühne herunter. Häufig groovt es, was bei der Beteiligun­g einer Hammondorg­el eigentlich immer im Preis inbegriffe­n ist; mal soulig, mal rockig, mal fluffig. Aber da wir uns ja in einem Jazzkonzer­t befinden, geht es den drei Instrument­alisten natürlich in erster Linie um die Erforschun­g unentdeckt­er Wege der Improvisat­ion. Und hier erwischen Arbenz, Osby und Krijger in Neuburg wirklich einen absoluten Glückstag. Die Art, wie sie ihre Exkurse ineinander verschränk­en, zeugt von großer Vertrauthe­it und dem raren Grundsatz des Sich-etwas-gönnen-Könnens. Denn jeder darf an diesem besonderen, über zweistündi­gen Abend im Birdland weidlich unter Beweis stellen, was er alles draufhat, aber auch, zu welch raffiniert­en Übergängen ein derart heterogene­s Trio eigentlich in der Lage ist.

Ein Ereignis für sich wäre allein schon Greg Osbys raffiniert eigenständ­iges Spiel. Der Alto-Virtuose belegt auf hinreißend­e Weise, dass er auch 2024 immer noch einer der weltweit Besten und vor allem Schnellste­n ist. Die Art, wie er kunstvoll und geschwind Melodien im Stile eines Töpfers modelliert und dabei stets diesen erhabenen, noblen Ton wie ein Leuchtfeue­r aufrechter­hält, sucht in der Szene immer noch ihresgleic­hen. Arno Krijger schiebt derweil seine fetten Blockakkor­de zwischen das Saxofon und Florian Arbenz mal wuchtiges, mal geheimnisv­oll gründelnde­s Drumming kann auch seltene illuminier­te Farbklecks­e wie in „The Passage Of Light“produziere­n, einer Ballade zum Niederknie­n. Mehr als eine Randnotiz ist der Auftritt des Schlagzeug­ers unmittelba­r nach der Pause. Da nimmt sich Arbenz alle Zeit der Welt und die Freiheit, ein superlange­s Solo abzuliefer­n – weil er es einfach kann!

Die große Klasse des mehr als flotten Dreiers wird vor allem in den Adaptionen sattsam bekannter Standards wie „I Love You Porgy“oder der völlig abgefahren­en Version des Eddie-Harris-Klassikers „Freedom Jazz Dance“offenkundi­g, in dem sich Krijger, Osby und Arbenz immer wieder atemberaub­ende Sprints ins Modale liefern, um dann irgendwann die Gefährten wieder aufschließ­en zu lassen, damit diese zum Finale Furioso durchstart­en können. Solche Erlebnisse gibt es nur mit einer echten Hammondorg­el. Und die nächste kommt schon in wenigen Tagen am Freitag zusammen mit dem mehrfachen amerikanis­che Downbeat-Pollsieger Larry Goldings. Jede Wette, dass diese Version noch ein klein bisschen schwerer wird.

 ?? Foto: Michael Hundsdorfe­r ?? Florian Arbenz, Greg Osby und Arno Krijger besuchen das Birdland. Bei dem Konzert steht die Orgel im Vordergrun­d.
Foto: Michael Hundsdorfe­r Florian Arbenz, Greg Osby und Arno Krijger besuchen das Birdland. Bei dem Konzert steht die Orgel im Vordergrun­d.

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