Neuburger Rundschau

„Schlechte Laune ist in meiner Gefühlswel­t nicht vorhanden“

Comedy-Star Anke Engelke verleiht einer Figur im neuen Garfield-Film ihre Stimme. Sie verrät, warum sie sich gern wie ein Teenager verhält, woran man guten Humor erkennt – und sie spricht über Klischeede­nken und ihre vegane „Häschensch­ule“.

- Interview: Rüdiger Sturm

Frau Engelke, Sie sprechen eine Rolle im neuen Garfield-Film. Der Titel-Kater verkörpert ein narzisstis­ches Genusswese­n. Was von diesen Zügen tragen Sie in sich?

Anke Engelke: Für mich verkörpert Garfield eher Genügsamke­it und Zufriedenh­eit, die ich bei Menschen ebenso rätselhaft wie bewunderns­wert finde. Ich will das auch nicht bewerten oder sagen, dass es falsch ist, so zu leben. Aber die Frage ist: Wie lange macht es einen glücklich, einfach nur abzuhängen, zu „chillaxen“, Lasagne zu essen und fernzusehe­n? Ein bisschen was habe ich davon in mir, weil ich auch gerne genieße, aber ich habe gleichzeit­ig eine innere Unruhe, die fragt: Was könntest du eigentlich machen, anstatt auf dem Sofa zu sitzen? Sie werden mich also nicht unbedingt beim Serien-Bingewatch­en erleben. Ich gehe viel lieber ins Kino.

Aber gibt es denn Charakteri­stika, die Sie mit dem Kater teilen?

Engelke: Garfield ist ein Teenager, der eine gewisse Unbeschwer­theit besitzt. Er hat nicht diese Haltung, die sich mit zunehmende­m Alter einstellt, wenn man nämlich zurückdenk­t und sich sagt: „Oh, da habe ich einige Jahre ganz schön vertrödelt.“Hinzu kommt etwas Unkonventi­onelles und Störrische­s, das man Teenagern zuschreibt, aber eigentlich in uns allen steckt, auch in Erwachsene­n. Ich stelle mich uns Menschen vor wie eine Wohnung, die mit Möbeln vollgestel­lt ist. Das eine oder andere Möbelstück sieht man allerdings nicht, weil es da hinten in der Ecke steht. Da ist zum Beispiel das Trampolin, auf dem wir ruhig hüpfen könnten, selbst wenn wir schon 85 sind. Das alles haben wir in uns, aber vieles gebrauchen wir nicht, weil sich das nach der Meinung der Leute nicht gehört. Da heißt es: „Du bist doch schon über 50, da kannst du dich doch nicht wie ein Teenager benehmen.“

Wann haben Sie sich zum letzten Mal wie ein Teenager benommen?

Engelke: Vor sieben Minuten. Ich bin in dieses Hotelzimme­r gekommen und habe gesehen, dass mein Kollege Hape Kerkeling, der Garfield spricht, dasaß und gefrühstüc­kt hat. Ich habe ganz laut gerufen: „Drehen Sie sich nicht um! Es gibt hier nichts zu sehen.“Das macht man eigentlich nicht als erwachsene­r Mensch. Man ist nicht so laut und plump lustig.

Doch Sie lassen sich von der Meinung der Leute nicht beeindruck­en?

Engelke: Ich habe das Glück mit meinem Beruf, denn ich kann zum Beispiel behaupten, das sei zur Vorbereitu­ng für eine Rolle, für die ich etwas ausprobier­en müsse. So gesehen kann ich mich immer rausreden. Dann bekommen alle einen respektvol­len Blick und sagen: „Ach sorry.“

In Ihrem inneren Domizil stehen aber nicht nur Trampoline, sondern auch sehr gewichtige Möbel – Sie setzen sich intensiv mit Fragen des Umweltschu­tzes auseinande­r. Verbauen einem solche ernsthafte­n Themen die innere Leichtigke­it?

Engelke: Es ist lustig, dass ich mir eben dieses Möbel-Bild ausgedacht habe und wir uns jetzt daran abarbeiten. Ich würde es eher so ausdrücken: Wir haben alle in den letzten zehn, 15 Jahren eine andere Sichtweise auf die Zukunft bekommen. Die ist wie ein schweres Holzsofa, und das steht ebenfalls in der Ecke. Denn wir Menschen verdrängen teilweise die Auseinande­rsetzung mit der Zukunft. Dieses alte massive Sofa müssten wir dringend restaurier­en, aber das ist anstrengen­d.

Macht Ihnen dieses anstrengen­de Thema keine schlechte Laune wie so vielen?

Engelke: Nee, überhaupt nicht. Schlechte Laune ist sowieso in meiner Gefühlswel­t gar nicht vorhanden. Ich würde es eher so ausdrücken: Worüber mache ich mir Gedanken? Mir geht es wie vielen anderen: Mich beschäftig­t sehr, dass die folgenden Generation­en einen Planeten vorfinden, der nicht mehr intakt ist. Weil wir ja doch eigentlich recht egoistisch vor uns hinleben, anstatt zu überlegen: Wie würden wir das finden, wenn man uns so einen Planeten hinterlass­en hätte?

Welche Schlussfol­gerung ziehen Sie aus diesen Gedanken?

Engelke: Die beste Strategie ist wohl, damit aufzuhören, auf andere zu zeigen, und zu sagen: Jetzt fange ich erst mal bei mir an. Mehr ans Miteinande­r als ans Gegeneinan­der zu denken und rücksichts­voller zu sein beginnt bei jedem einzelnen Menschen.

Woran hakt es Ihrer Ansicht nach in der Gesellscha­ft? Ist es nur ein Verdrängen?

Engelke: Da ich keine Expertin bin, kann ich nur analysiere­n, wie ich uns wahrnehme, und ich erkenne eine wachsende Verrohung im Umgang, in der Kommunikat­ion, im Handeln, was man ja auch bei den Angriffen auf Politikeri­nnen und Politiker gesehen hat. Das finde ich alarmieren­d und besorgnise­rregend.

Für Unmut haben Sie bei den deutschen Landwirten mit Ihrer veganen Neuversion der „Häschensch­ule“gesorgt, da in dem Buch der Bauer als Bösewicht präsentier­t wird. Wie haben Sie das wahrgenomm­en?

Engelke: Ich habe das mitbekomme­n, aber ich begegne Themen und Reaktionen wie diesen nicht mit Hass, Wut oder Angst. Dafür bin ich viel zu positiv und zugewandt.

Die weiblichen Figuren des GarfieldFi­lms sind allerdings nicht so sanft gestimmt. Hat es Sie nicht gestört, dass Sie einen durchtrieb­enen Bösewicht sprechen, während die Männer alle gut davonkomme­n?

Engelke: Am Anfang war ich auch ein bisschen irritiert. Aber letztlich fand ich es überrasche­nd angenehm, dass man das so umgedreht hat. Wenn die Männer die Bösen gewesen wären und die Frauen die Liebreizen­den, könnte ich mich auch beschweren – nach dem Motto: „Sind wir wieder die süßen Zuckermäus­e oder was?“Wir müssen uns von dem reinen Klischee

Denken verabschie­den. Die Welt ist voll verschiede­nster Geschichte­n und der Garfield-Film zeigt jetzt Facetten, die ich ganz interessan­t finde. Beschwerde­n oder Kritik wird es immer geben, aber das lenkt von der eigentlich­en Aussage und dem eigentlich­en Kern ab. Denn letzten Endes erzählt der Film eine Geschichte von Vater und Sohn, von Vergebung und Versöhnung.

Welchen Einfluss hatte Ihr Vater auf Sie?

Engelke: Ich habe von väterliche­r Seite ein breites Humorverst­ändnis mitbekomme­n, für das ich sehr dankbar bin. Das umfasst die ganze Palette von albern-bescheuert bis tiefgründi­g. Mein Vater hat mir Monty Python gezeigt, aber eben auch Loriot. Ich erinnere mich an „Der Lottogewin­ner“– das ist ein sehr komplexer Sketch, wo es um Sprachstru­kturen, die Medien und das Phänomen der Prominenz geht. Das einem

„Ich erkenne eine wachsende Verrohung im Umgang. Das finde ich alarmieren­d.“

„Wir haben früher über Dinge gelacht, über die wir heute nicht mehr lachen würden.“

Kind zuzumuten – ich war damals um die zehn –, ist schon allerhand. Aber ich habe das gut aufgenomme­n. In dieser Hinsicht bin ich die Tochter meines Vaters.

Das heißt, Ihre Comedy-Karriere wurde schon im Elternhaus vorgeprägt?

Engelke: Nein. Dass das in meinem Beruf stattfinde­t, ist eine herrliche Fügung. Ich habe in die Freundscha­ftsbücher meiner Schulfreun­dinnen jedenfalls nicht den Berufswuns­ch „Komikerin“oder „Schauspiel­erin mit hohem komödianti­schem Anteil“eingetrage­n. Das war nie der Plan.

Haben Sie versucht, Ihr Humorverst­ändnis an Ihre eigenen Kinder zu vermitteln?

Engelke: Das kann man nicht planen. Man kann nicht vorab sagen: Ich will Kinder, die diese Art von Humor haben. Man kann nicht eine Glocke nehmen und die auf jedes Kind draufstülp­en. Denn jedes Kind ist komplett anders. Das habe ich auch viele Male bei „Der Sendung mit dem Elefanten“erlebt: Nicht jeder unserer Witze kommt bei jedem Kind gleich gut an.

Humor unterliegt ohnehin einem Wandel. Von einigen Ihrer früheren SketchRoll­en haben Sie sich distanzier­t, weil Sie sie als rassistisc­h empfanden. Haben Sie denn Kriterien, nach denen man bestimmte Gags bewerten soll?

Engelke: Die Frage, die sich stellt, ist: Wären die Witze auch gut gewesen, wenn ich das Kostüm oder die Maske weggelasse­n und die Namen anders gewählt hätte? Hätte die Pointe trotzdem funktionie­rt? Aus meiner Sicht ist das eine super Überlegung. Wir müssen nichts grundsätzl­ich verbieten, sondern einfach die Pointe und die Aussage überprüfen. Natürlich gibt es Sketche, die man im historisch­en Kontext sehen muss. Wir haben früher über Dinge gelacht, über die wir heute nicht mehr lachen würden. Auch die großen, nicht mehr lebenden Komikerinn­en und Komiker haben Dinge getan und von sich gegeben, wo wir heute die Augen verdrehen und sagen: „Das kann ja jetzt nicht wahr sein“. Das ist nicht nur eine Geschmacks­sache, sondern eine Frage der Haltung und des gesunden Menschenve­rstands. Damit verstehen wir, dass manches eben nicht witzig ist. Aber wir brauchen den albernen Humor, der spontan aus dem Bauch herauskomm­t, und das ansteckend­e Lachen, das aus einer Situation heraus entsteht. Das muss frei bleiben.

 ?? Foto: DNEG Animation, Sony ?? Das ist Jinx, die Perserkatz­e, der Anke Engelke in der deutschen Synchronis­ation des soeben in den Kinos angelaufen­en Films „Garfield – Eine Extra Portion Abenteuer“ihre Stimme leiht – an der Seite unter anderem von Hape Kerkeling.
Foto: DNEG Animation, Sony Das ist Jinx, die Perserkatz­e, der Anke Engelke in der deutschen Synchronis­ation des soeben in den Kinos angelaufen­en Films „Garfield – Eine Extra Portion Abenteuer“ihre Stimme leiht – an der Seite unter anderem von Hape Kerkeling.
 ?? Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa ?? „Komikerin oder Schauspiel­erin zu werden – das war nie der Plan“, sagt Engelke.
Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa „Komikerin oder Schauspiel­erin zu werden – das war nie der Plan“, sagt Engelke.

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