Ritterstück mit Gegenwartskritik
Die Rittertage beim Neuburger Jagdschloss sorgen für beste Unterhaltung. Besonders das Schauspiel kann mit aktueller Botschaft überzeugen.
Neuburg Pulsierendes Mittelalter mit Lagerleben rund ums Jagdschloss Grünau, edlen Rittern zu Pferde, einer Feldschlacht mit rund 60 Komparsen aus unterschiedlichen Gruppen, Fahnenschwinger, Schlangentänzer und Gaukler sowie ein alten Zeiten nachempfundenes kulinarisches Angebot erwartete die zahlreichen Besucher der Grünauer Rittertage. Sonniges Wetter über alle vier Veranstaltungstage sorgte für einen rekordverdächtigen Besucherstrom. Was sich unter anderem in langen Schlangen vor den Verzehrsständen und dicht an dicht sitzenden Zuschauern bei den Darbietungen auf dem Turnierplatz im äußeren Schlossgraben niederschlug.
Um eine besondere Attraktion bereichert hat das Herold-FlynnTeam die Grünauer Rittertage. Axel Loh alias Herold Flynn hat mit Jolly Sera und Ricky Bundles zwei absolute Trickreitprofis mitgebracht, die sich im spannenden Wettkampf hoch zu Ross nichts schenken. Eingebettet wird das kleine Ritterturnier in eine heitere Geschichte mit kritischen Untertönen und Gegenwartsbezug. Schwer arbeitet Brunhilde, die Witwe eines freien, im Kriegsdienst für seinen Lehnsherrn gefallenen Bauern, um den Lebensunterhalt für ihre Familie zu sichern. „Doch düstere Schergen schickten sich an, das Land zu knechten“, verkündet Herold Flynn als Erzähler. Um gleich darauf als Herold des Herzogs von Burgund zu verkünden, die Bauern hätten in Zukunft 100 Prozent Steuern zu zahlen.
Das akzeptiert Brunhilde nicht, denn „schon die Covitus-19-Verordnung war merkwürdig“. Sie fordert einen fairen Wettkampf und tatsächlich schlägt sich einer der beiden Ritter in Flynns Gefolge spontan auf ihre Seite und kämpft für die Bauern. Unterstützt vom durch Brunhilde beschworenen „Volk von Grünau“, dessen Jubelrufe
Waldemar von Kaltental (Ricky aber verkündet, er werde wieder Bundles) begleiten. Dagegen muss kommen – „nicht mit Rittern, dafür
nd
Sigurd von Frankenthal (Jolly mit Paragrafen, Vorschriften Sera) dessen Buhrufe ertragen. und Gesetzen“.
Mehrere Exerzitien tragen die beiden Ebenfalls in eine Rahmengeschichte Ritter aus, messen sich im verpackt hat Mario Kothe Ringleinstechen, Bechergreifen, die große Feldschlacht zu Grünau, Geldsack aufsammeln, im Erlegen in der er als Markgraf Albert zu der (hölzernen) Wildsau oder Erbeuten Brandenburg und Gast der Wittelsbacher eines Weinfäßchens. Waldemars seinem Kontrahenten Rückstand nach dem Ringleinstechen aus Kreuzzugszeiten, Rolf zu Munichen, gleicht Brunhilde bauernschlau aus, indem sie ihren
Hund durch einen Reifen springen und so Zusatzpunkte sammeln lässt.
Am Ende fällt die Entscheidung im direkten Turnierkampf. Nachdem Waldemar Sigurd aus dem
Sattel geworfen hat, erklärt der seinen Rücktritt und Flynn steht ohne Kämpfer da. Brunhilde hat indessen wie angekündigt das
Kleingedruckte auf der Botschaft des Herolds gelesen und festgestellt, dass 100 Prozent Steuern nichtig sind, wenn sie nicht unterschreibt. „Drum prüft das Kleingedruckte“, rät sie dem Volk. Flynn
gegenübersteht. In drei Durchgängen schlagen sich die buntzusammengewürfelten Heere aus (Kreuz)rittern, Wikingern, Normannen und Bogenschützen, garniert mit Verbalschlachten und Zweikämpfen der Anführer. Die sich am Ende beide geschlagen geben müssen – ihren Kindern zuliebe.
Überall auf dem Rundgang durch Schlosshof und Graben gibt es viel zu entdecken – von jungen Mädchen, die ein Hütchenspiel anbieten, über Schlangentänzerin Dea bis zum Bronzegießer Dörk. „Zinngießen ist was für Anfänger“, ruft er seinen Zuschauern lachend zu, „ich brauch‘ 1100 Grad Celsius“. Sein Equipment hat er selbst gebaut, einschließlich des riesigen Blasebalgs, den Partnerin Vanessa bedient. Heraus kommen bronzene Fibeln, Bartperlen oder Kleiderschnallen, die er stolz präsentiert und betont „alles belegt“.
Kräuterführung und -workshop, Märchenzelt mit Schlangen, Gaukler, Mittelalterumzug und Waffenschau der Lagernden, Feuerjonglage, mittelalterlicher Tanz und Musik, Neuburger Fahnenschwinger und viele Attraktionen mehr machen die Rittertage einmal mehr zu einem besonderen Erlebnis, mit dem nicht nur Besucher und Aussteller, sondern auch Veranstalterin Sabine Nötzel zufrieden sein kann.
In drei Durchgängen schlagen sich die bunt zusammengewürfelten Heere.