Neuburger Rundschau

Ritterstüc­k mit Gegenwarts­kritik

Die Rittertage beim Neuburger Jagdschlos­s sorgen für beste Unterhaltu­ng. Besonders das Schauspiel kann mit aktueller Botschaft überzeugen.

- Von Andrea Hammerl

Neuburg Pulsierend­es Mittelalte­r mit Lagerleben rund ums Jagdschlos­s Grünau, edlen Rittern zu Pferde, einer Feldschlac­ht mit rund 60 Komparsen aus unterschie­dlichen Gruppen, Fahnenschw­inger, Schlangent­änzer und Gaukler sowie ein alten Zeiten nachempfun­denes kulinarisc­hes Angebot erwartete die zahlreiche­n Besucher der Grünauer Rittertage. Sonniges Wetter über alle vier Veranstalt­ungstage sorgte für einen rekordverd­ächtigen Besucherst­rom. Was sich unter anderem in langen Schlangen vor den Verzehrsst­änden und dicht an dicht sitzenden Zuschauern bei den Darbietung­en auf dem Turnierpla­tz im äußeren Schlossgra­ben niederschl­ug.

Um eine besondere Attraktion bereichert hat das Herold-FlynnTeam die Grünauer Rittertage. Axel Loh alias Herold Flynn hat mit Jolly Sera und Ricky Bundles zwei absolute Trickreitp­rofis mitgebrach­t, die sich im spannenden Wettkampf hoch zu Ross nichts schenken. Eingebette­t wird das kleine Ritterturn­ier in eine heitere Geschichte mit kritischen Untertönen und Gegenwarts­bezug. Schwer arbeitet Brunhilde, die Witwe eines freien, im Kriegsdien­st für seinen Lehnsherrn gefallenen Bauern, um den Lebensunte­rhalt für ihre Familie zu sichern. „Doch düstere Schergen schickten sich an, das Land zu knechten“, verkündet Herold Flynn als Erzähler. Um gleich darauf als Herold des Herzogs von Burgund zu verkünden, die Bauern hätten in Zukunft 100 Prozent Steuern zu zahlen.

Das akzeptiert Brunhilde nicht, denn „schon die Covitus-19-Verordnung war merkwürdig“. Sie fordert einen fairen Wettkampf und tatsächlic­h schlägt sich einer der beiden Ritter in Flynns Gefolge spontan auf ihre Seite und kämpft für die Bauern. Unterstütz­t vom durch Brunhilde beschworen­en „Volk von Grünau“, dessen Jubelrufe

Waldemar von Kaltental (Ricky aber verkündet, er werde wieder Bundles) begleiten. Dagegen muss kommen – „nicht mit Rittern, dafür

nd

Sigurd von Frankentha­l (Jolly mit Paragrafen, Vorschrift­en Sera) dessen Buhrufe ertragen. und Gesetzen“.

Mehrere Exerzitien tragen die beiden Ebenfalls in eine Rahmengesc­hichte Ritter aus, messen sich im verpackt hat Mario Kothe Ringleinst­echen, Bechergrei­fen, die große Feldschlac­ht zu Grünau, Geldsack aufsammeln, im Erlegen in der er als Markgraf Albert zu der (hölzernen) Wildsau oder Erbeuten Brandenbur­g und Gast der Wittelsbac­her eines Weinfäßche­ns. Waldemars seinem Kontrahent­en Rückstand nach dem Ringleinst­echen aus Kreuzzugsz­eiten, Rolf zu Munichen, gleicht Brunhilde bauernschl­au aus, indem sie ihren

Hund durch einen Reifen springen und so Zusatzpunk­te sammeln lässt.

Am Ende fällt die Entscheidu­ng im direkten Turnierkam­pf. Nachdem Waldemar Sigurd aus dem

Sattel geworfen hat, erklärt der seinen Rücktritt und Flynn steht ohne Kämpfer da. Brunhilde hat indessen wie angekündig­t das

Kleingedru­ckte auf der Botschaft des Herolds gelesen und festgestel­lt, dass 100 Prozent Steuern nichtig sind, wenn sie nicht unterschre­ibt. „Drum prüft das Kleingedru­ckte“, rät sie dem Volk. Flynn

gegenübers­teht. In drei Durchgänge­n schlagen sich die buntzusamm­engewürfel­ten Heere aus (Kreuz)rittern, Wikingern, Normannen und Bogenschüt­zen, garniert mit Verbalschl­achten und Zweikämpfe­n der Anführer. Die sich am Ende beide geschlagen geben müssen – ihren Kindern zuliebe.

Überall auf dem Rundgang durch Schlosshof und Graben gibt es viel zu entdecken – von jungen Mädchen, die ein Hütchenspi­el anbieten, über Schlangent­änzerin Dea bis zum Bronzegieß­er Dörk. „Zinngießen ist was für Anfänger“, ruft er seinen Zuschauern lachend zu, „ich brauch‘ 1100 Grad Celsius“. Sein Equipment hat er selbst gebaut, einschließ­lich des riesigen Blasebalgs, den Partnerin Vanessa bedient. Heraus kommen bronzene Fibeln, Bartperlen oder Kleidersch­nallen, die er stolz präsentier­t und betont „alles belegt“.

Kräuterfüh­rung und -workshop, Märchenzel­t mit Schlangen, Gaukler, Mittelalte­rumzug und Waffenscha­u der Lagernden, Feuerjongl­age, mittelalte­rlicher Tanz und Musik, Neuburger Fahnenschw­inger und viele Attraktion­en mehr machen die Rittertage einmal mehr zu einem besonderen Erlebnis, mit dem nicht nur Besucher und Aussteller, sondern auch Veranstalt­erin Sabine Nötzel zufrieden sein kann.

In drei Durchgänge­n schlagen sich die bunt zusammenge­würfelten Heere.

 ?? Fotos: Andrea Hammerl ?? Das Ritterturn­ier begeistert­e die Zuschauer. Hier jubelt Waldemar von Kaltental (Ricky Bundles): Die (hölzerne) Wildsau ist erlegt, das Volk von Grünau jubelt.
Fotos: Andrea Hammerl Das Ritterturn­ier begeistert­e die Zuschauer. Hier jubelt Waldemar von Kaltental (Ricky Bundles): Die (hölzerne) Wildsau ist erlegt, das Volk von Grünau jubelt.
 ?? ?? Schlangent­änzerin Dea fasziniert­e Groß und Klein mit ihrer Darbietung im Schlosshof.
Schlangent­änzerin Dea fasziniert­e Groß und Klein mit ihrer Darbietung im Schlosshof.

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