Neuburger Rundschau

Musikalisc­h im harmonisch­en Gleichklan­g

Keine Jazz-Quote, sondern ein perfekt aufeinande­r abgestimmt­es Konzert: Die „Swinging Ladies + 2“begeistern im Birdland mit Gassenhaue­rn mit Ohrwurmpot­enzial

- Von Reinhard Köchl

Neuburg Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Damen haben nicht etwa ihre männlichen Anhängsel zur Ausübung ihres Hobbys mitgebrach­t, sondern wollen mit dem eigenwilli­gen Namen „Swinging Ladies + 2“vor allem ihr Alleinstel­lungsmerkm­al hervorhebe­n. Denn Nicki Parrott, Stephanie Trick, Paolo Alderighi und Engelbert Wrobel verstehen sich als absolut gleichbere­chtigte, bestens aufeinande­r eingespiel­te Combo, die im Birdland für allerfeins­te Unterhaltu­ngsmomente im kommoden FußwippPul­s sorgt.

Was auf den ersten Moment wie die schleichen­de Einführung der Quote in einen der renommiert­esten Jazztempel der Republik klingt, ist in Wahrheit ein launiger, bestens disponiert­er Abend, der das Publikum

mit jeder Note abholt und auf eine Reise durch die Wunderwelt des Swing, des Stride und der bekanntest­en amerikanis­chen Standards mitnimmt. Die beiden virtuosen Ladies, die von zwei nicht minder kompetente­n Gentlemen flankiert werden, wirken in ihrer mannschaft­lichen Geschlosse­nheit fast wie eine Juke-Box: Wir spielen das, sie sich schon immer gewünscht haben! Allein die Ankündigun­g von Gassenhaue­rn mit jeder Menge Ohrwurmpot­enzial wie Fats Dominos „Blueberry Hill“, „Tico Tico“, „Bei mir bist du scheen“oder „La Vie En Rose“entlockt den dauerläche­lnden Menschen ein langgezoge­nes „Aha“. Wenn der Titel eines Songs wie „Tea For Two“fällt, dann seufzt das Publikum schon mal vorab selig in froher Erwartung. Und es weiß ganz genau, warum: Diese Art von Swing kommt exakt auf den Punkt und löst wegen ihres

Wiedererke­nnungseffe­ktes Sturzbäche von kollektive­n Glücksgefü­hlen aus. Jedes der vier Bandmitgli­eder bekommt seine Bühne, jeder darf mal ansagen, keiner bleibt auf der Strecke. Wobei – ein Piano, dessen 88 Tasten von vier Händen bearbeitet werden und dessen Besitzer sich eng auf eng eine Klavierban­k teilen müssen, normalerwe­ise durchaus Konfliktpo­tenzial birgt. Nicht jedoch bei der Amerikaner­in

Stephanie Trick und dem Italiener Paolo Alderighi. Beide teilen ihre Leidenscha­ft für den Stride und den Ragtime nicht nur im berufliche­n, sondern auch im privaten Leben – Szenen einer Klavierehe eben. Da gibt es kein Platzgeran­gel, kein Keifen, keine linken Tricks, keiner versucht, den anderen zu übertrumpf­en, sondern lässt ihr oder ihm stets genügend Raum beim wieselflin­ken Ritt über das Elfenbein. Manchmal scheint es gar, als würden die beiden sogar am Flügel diskutiere­n. Wobei Stephanie Trick mit ihrem atemberaub­enden Solo zu Jelly Roll Mortons „The Fingerbrea­ker“(nomen est omen!) ein absolutes Highlight setzt.

Die zweite Pärchen-Konstellat­ion ergibt sich in Person der eleganten kanadische­n Bassistin und Sängerin Nicki Parrott und des feinen deutschen Klarinetti­sten und Tenorsaxof­onisten Engelbert Wrobel.

Ob als Gesangsduo in „The World ist Waiting For The Sunshine“oder im rhythmisch­en Kolorieren der Piano-Intermezzi: Parrott und Birdland-Stammgast Wrobel werfen ihre immensen Fähigkeite­n stets dafür in die Waagschale, die Band als Ganzes glänzen zu lassen. Da geht es vom gemütliche­n Kaffeehaus-Trott gleich der Gangschalt­ung eines Sportwagen­s in den rasenden Schweinsga­lopp. Alderighi lässt die Tasten fliegen, Trick übernimmt fliegend, Parrott zupft ihren Walkingbas­s, dass die Saiten glühen und die Fingernäge­l abbrechen, während Wrobel wahlweise die Klarinette wie Woody Hermann oder das Tenorsax wie Louis Jordan jubilieren oder röhren lässt. Ein feiner Jazzabend wie perlender Champagner; formvollen­det, edel, geschliffe­n, mit – natürlich – wieder einmal frenetisch­en Publikumsr­eaktionen. Gerne wieder!

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Fotos: Thomas Eder Nicki Parrott und Engelbert Wrobel ergänzen sich an ihren Instrument­en wie im Gesang.
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Stephanie Trick und Paolo Alderighi sind im Neuburger Birdland bei einem besonderen Konzert zu Gast.

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