Neuburger Rundschau

Ist es wirklich undenkbar, dass Söder Kanzlerkan­didat wird?

Aller Wahrschein­lichkeit nach wird nicht der CSU-Chef die Union in die Bundestags­wahl führen. Doch in ihm wohnt ein Gefühl, das sich gegen die Vernunft auflehnt.

- Von Uli Bachmeier

ndWas müsste geschehen, dass das scheinbar Unmögliche doch noch möglich und CSU-Chef Markus Söder im kommenden Jahr Kanzlerkan­didat der Union wird? Diese im Moment wieder viel diskutiert­e Frage, davon darf man getrost ausgehen, beschäftig­t niemanden mehr als Markus Söder selbst. Enge Wegbegleit­er beschreibe­n seinen Gemütszust­and als eine Art Dauerkrise, als einen unauflösli­chen Widerstrei­t zweier Gehirnhälf­ten.

Die eine Hälfte ist die vernünftig­e. Sie listet die lange Reihe bekannter Gründe auf, warum das in der aktuellen Situation nie und nimmer etwas werden kann. Der wichtigste davon lautet: Die CDU lässt keinen CSU-Politiker ran, wenn halbwegs Aussicht darauf besteht, dass die Union die Wahl gewinnen und der CDU-Chef (oder die Chefin) Bundeskanz­ler werden kann. Friedrich Merz hat da keine Wahl. Er muss darauf bestehen, selbst zu kandidiere­n. Andernfall­s kann er den Parteivors­itz postwenden­d aufgeben und wieder in die Welt der Hochfinanz wechseln. Söder weiß das.

Seine andere Gehirnhälf­te aber mag das nicht einsehen. Hier wohnt das Gefühl. Und das Gefühl sagt ihm: Markus, du bist der Beste. Das kann es für dich doch nicht gewesen sein. Die Mehrheit der Unionswähl­er will dich. Du liegst in allen Umfragen vorne. Da kann es doch nicht sein, dass dieser Merz und die anderen in der CDU das nicht kapieren. Es muss doch einen Weg geben – irgendwo, irgendwie.

Und dann nötigt das Gefühl die Vernunft, eine Strategie zu entwickeln, die alle Optionen offenhält. Erstens: „Mein Platz ist in Bayern“sagen – auch wenn es keiner mehr glaubt. Zweitens: Dennoch immer alles in der Schwebe lassen. Drittens: Keinesfall­s in eigener Sache offensiv werden. Viertens: Die

Umfragen wirken lassen. Fünftens: Bella figura machen in Bayern und der Welt, ohne bei wichtigen Wählergrup­pen anzuecken. Und schließlic­h sechstens: Auf die Chance lauern, an die außer ihm selbst niemand glaubt.

Seine großen politische­n Vorbilder, die früheren CSU-Vorsitzend­en Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, durften nur aus einem einzigen Grund Kandidat werden: Die damaligen CDU-Vorsitzend­en Helmut Kohl beziehungs­weise Angela Merkel konnten davon ausgehen, dass sie als Herausford­erer der SPD-Kanzler Helmut Schmidt (1980) beziehungs­weise Gerhard Schröder (2002) chancenlos waren. Sie warteten ab, bis ihre Zeit kommen sollte.

Merz hat keine Zeit. Für ihn heißt es: Jetzt oder nie. Die einzige

Möglichkei­t wäre, dass er in einem Akt völliger Selbstlosi­gkeit Söder den Vortritt lässt, was, wie gesagt, den Rücktritt als CDU-Chef zwingend nach sich ziehen würde.

Damit wäre freilich nur die erste Voraussetz­ung erfüllt, um das Unmögliche möglich zu machen. Die zweite Voraussetz­ung wäre, dass der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Hendrik Wüst, der Reservekan­didat der CDU, ebenfalls verzichtet. Dessen Verhalten erscheint deckungsgl­eich mit Söders Strategie. Auch Wüst lässt alles in der Schwebe und versucht, bella figura zu machen. Im Unterschie­d zu Merz ist er zwar jung genug, auf seine Zeit zu warten. Aber warum sollte er, wenn sich schon jetzt eine Tür für ihn auftut und ein Sieg der Union sicher erscheint?

Daran wiederum könnte sich nur etwas ändern, wenn die Ampel unter Kanzler Olaf Scholz wie Phoenix aus der Asche zu neuem Leben erwacht. Wer das für möglich hält, der kann es auch für möglich halten, dass Söder Kanzlerkan­didat der Union wird.

Für Merz heißt es: Jetzt oder nie. Er kann nicht mehr warten.

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