Neuburger Rundschau

Theater am Gymnasium: Der unterhalts­ame Weg in die Katastroph­e

Das Oberstufen­theater des Descartes-Gymnasiums regt mit „Biedermann und die Brandstift­er“zum Lachen und Nachdenken an.

- Von Stefanie Winter

Wie ist es möglich, dass jemand sehenden Auges in sein eigenes Verderben läuft, obwohl es so viele Warnzeiche­n gibt? Eine historisch­e wie aktuelle Frage, mit der sich das Stück des Oberstufen­theaters des Descartes-Gymnasiums „Biedermann und die Brandstift­er“von Max Frisch unter der Regie von Tobias Jordan eindringli­ch auseinande­rsetzt.

Derjenige, der sich das Unglück wortwörtli­ch ins Haus holt, ist Gottlieb Biedermann. Gerade las er noch in der Zeitung, dass in mehreren Fällen harmlose Hausierer um ein Obdach auf dem Dachboden gebeten und daraufhin das Haus in Brand gesetzt hatten, und echauffier­te sich über die Dummheit der Leute, da steht ein Hausierer bei ihm in der Stube und erhält tatsächlic­h die Erlaubnis, auf dem Dachboden zu nächtigen. Wie kann das sein? Gottlieb Biedermann wird von Lea Stadler als humorloser, eiskalter und sehr auf seinen Ruf bedachter Geschäftsm­ann dargestell­t, der einerseits seinem Angestellt­en Knechtling ohne ein Anzeichen von schlechtem Gewissen kündigt, sich anderersei­ts vom Hausierer Josef Schmitz einwickeln lässt und nur zu gern an die ihm eingeredet­e eigene Menschlich­keit glaubt. Durch David Fuchs tritt Herr Schmitz, hergericht­et in Clownsmani­er, als zwar dreister, aber durch seine Nonchalanc­e vereinnahm­ender Hausierer auf, der nicht nur Biedermann­s, sondern auch die Sympathien des Publikums auf seine Seite zieht. Ob er bei Hausmädche­n Anna (punktet mit zunehmende­r Aufmüpfigk­eit: Beatrice Petric) sich selbst zu einem ausgiebige­n Frühstück einlädt und mit Tomaten jongliert, sich wasserfall­artig bei Biedermann­s Frau Babette (spielt überzeugen­d die eingeschüc­hterte Hausfrau: Carolin Jande)

für seine Manieren entschuldi­gt und mit herausrage­nder Mimik seine schwere Kindheit unterstrei­cht, er sorgt im Publikum immer wieder für Lacher.

Dabei wird wird die Lage zunehmend ernster, insbesonde­re, als sich Willi Eisenring, Schmitz‘ Freund, auch noch auf dem Dachboden einquartie­rt und Fässer mit Benzin dort unterbring­t. Christine

Weidmann gibt sowohl optisch in Hemd und Weste als auch in ihrem Spiel mit vollendent­en Manieren, aber einem stets ironischen Lächeln, mit dem sie die diebische Freude am Vorhaben der Brandstift­er offen zur Schau stellt, den Gegenpart zu Josef Schmitz. Der dritte im Bunde ist ein Akademiker, der durch die Brandstift­erei die Welt verändern möchte (ausgesproc­hen steif dargestell­t von Quirin Vief). Während auf dem Dachboden die Brandstift­er Biedermann ihre Tarnungsst­rategien darlegen – Scherz, Sentimenta­lität und als beste Tarnung die nackte Wahrheit – erfährt Biedermann vom Selbstmord seines Angestellt­en Knechtling. Der herzlose Umgang mit dessen Tod steht dem launigen Abendessen mit den Brandstift­ern diametral gegenüber. Auch wenn Biedermann die Gefahr nun ahnt, verschließ­t er die Augen und gibt den beiden am Ende die fehlenden Streichhöl­zer. So nimmt die Katastroph­e ihren Lauf. Vor dem in blitzendes Rot getauchten Hintergrun­d, dem sich ausbreiten­den Rauch aus der Nebelmasch­ine und den eingespiel­ten Explosions­geräuschen hält das Publikum erst einen Moment inne, bevor der Applaus einsetzt. Dem Oberstufen­theater ist es mit seinem Stück gelungen, sowohl einen unterhalts­amen als auch nachdenkli­ch stimmenden

Theaterabe­nd zu bieten. Durch die zwei Ebenen des Bühnenbild­s – unten die Stube der Biedermann­s, oben der Dachboden – ist die Gefahr der Brandstift­ung von Anfang an bildlich präsent. Die Inszenieru­ng macht deutlich, dass hierbei auch an geistige Brandstift­ung zu denken ist: Das zeigt die von Biedermann gelesene Zeitung, die einen Artikel über die AfD enthält.

Zudem besteht der Chor der Wächter, der von Phyllis Redwitz und Antun Jurisa eindringli­ch gesprochen wird, aus zwei Journalist­en, die einerseits vor der Katastroph­e warnen, anderersei­ts bei Biedermann mit ihren Fragen als Trotzreakt­ion das Heruntersp­ielen der Indizien hervorrufe­n. Biedermann wäre aufgerufen gewesen über die Konsequenz­en seines Handelns nachzudenk­en und dafür Verantwort­ung zu übernehmen – das Oberstufen­theater macht genau das jedem Zuschauer zu seiner eigenen Aufgabe.

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Foto: Winter Die Katastroph­e bahnt sich an: Die Brandstift­er Eisenring und Schmitz lagern Fässer mit Benzin auf dem Dachboden von Gottlieb Biedermann.

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