Theater am Gymnasium: Der unterhaltsame Weg in die Katastrophe
Das Oberstufentheater des Descartes-Gymnasiums regt mit „Biedermann und die Brandstifter“zum Lachen und Nachdenken an.
Wie ist es möglich, dass jemand sehenden Auges in sein eigenes Verderben läuft, obwohl es so viele Warnzeichen gibt? Eine historische wie aktuelle Frage, mit der sich das Stück des Oberstufentheaters des Descartes-Gymnasiums „Biedermann und die Brandstifter“von Max Frisch unter der Regie von Tobias Jordan eindringlich auseinandersetzt.
Derjenige, der sich das Unglück wortwörtlich ins Haus holt, ist Gottlieb Biedermann. Gerade las er noch in der Zeitung, dass in mehreren Fällen harmlose Hausierer um ein Obdach auf dem Dachboden gebeten und daraufhin das Haus in Brand gesetzt hatten, und echauffierte sich über die Dummheit der Leute, da steht ein Hausierer bei ihm in der Stube und erhält tatsächlich die Erlaubnis, auf dem Dachboden zu nächtigen. Wie kann das sein? Gottlieb Biedermann wird von Lea Stadler als humorloser, eiskalter und sehr auf seinen Ruf bedachter Geschäftsmann dargestellt, der einerseits seinem Angestellten Knechtling ohne ein Anzeichen von schlechtem Gewissen kündigt, sich andererseits vom Hausierer Josef Schmitz einwickeln lässt und nur zu gern an die ihm eingeredete eigene Menschlichkeit glaubt. Durch David Fuchs tritt Herr Schmitz, hergerichtet in Clownsmanier, als zwar dreister, aber durch seine Nonchalance vereinnahmender Hausierer auf, der nicht nur Biedermanns, sondern auch die Sympathien des Publikums auf seine Seite zieht. Ob er bei Hausmädchen Anna (punktet mit zunehmender Aufmüpfigkeit: Beatrice Petric) sich selbst zu einem ausgiebigen Frühstück einlädt und mit Tomaten jongliert, sich wasserfallartig bei Biedermanns Frau Babette (spielt überzeugend die eingeschüchterte Hausfrau: Carolin Jande)
für seine Manieren entschuldigt und mit herausragender Mimik seine schwere Kindheit unterstreicht, er sorgt im Publikum immer wieder für Lacher.
Dabei wird wird die Lage zunehmend ernster, insbesondere, als sich Willi Eisenring, Schmitz‘ Freund, auch noch auf dem Dachboden einquartiert und Fässer mit Benzin dort unterbringt. Christine
Weidmann gibt sowohl optisch in Hemd und Weste als auch in ihrem Spiel mit vollendenten Manieren, aber einem stets ironischen Lächeln, mit dem sie die diebische Freude am Vorhaben der Brandstifter offen zur Schau stellt, den Gegenpart zu Josef Schmitz. Der dritte im Bunde ist ein Akademiker, der durch die Brandstifterei die Welt verändern möchte (ausgesprochen steif dargestellt von Quirin Vief). Während auf dem Dachboden die Brandstifter Biedermann ihre Tarnungsstrategien darlegen – Scherz, Sentimentalität und als beste Tarnung die nackte Wahrheit – erfährt Biedermann vom Selbstmord seines Angestellten Knechtling. Der herzlose Umgang mit dessen Tod steht dem launigen Abendessen mit den Brandstiftern diametral gegenüber. Auch wenn Biedermann die Gefahr nun ahnt, verschließt er die Augen und gibt den beiden am Ende die fehlenden Streichhölzer. So nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Vor dem in blitzendes Rot getauchten Hintergrund, dem sich ausbreitenden Rauch aus der Nebelmaschine und den eingespielten Explosionsgeräuschen hält das Publikum erst einen Moment inne, bevor der Applaus einsetzt. Dem Oberstufentheater ist es mit seinem Stück gelungen, sowohl einen unterhaltsamen als auch nachdenklich stimmenden
Theaterabend zu bieten. Durch die zwei Ebenen des Bühnenbilds – unten die Stube der Biedermanns, oben der Dachboden – ist die Gefahr der Brandstiftung von Anfang an bildlich präsent. Die Inszenierung macht deutlich, dass hierbei auch an geistige Brandstiftung zu denken ist: Das zeigt die von Biedermann gelesene Zeitung, die einen Artikel über die AfD enthält.
Zudem besteht der Chor der Wächter, der von Phyllis Redwitz und Antun Jurisa eindringlich gesprochen wird, aus zwei Journalisten, die einerseits vor der Katastrophe warnen, andererseits bei Biedermann mit ihren Fragen als Trotzreaktion das Herunterspielen der Indizien hervorrufen. Biedermann wäre aufgerufen gewesen über die Konsequenzen seines Handelns nachzudenken und dafür Verantwortung zu übernehmen – das Oberstufentheater macht genau das jedem Zuschauer zu seiner eigenen Aufgabe.