Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier

Porträt einer revolution­ären Frau

Maria Montessori hat mit ihren Lernkonzep­ten die Idee von Bildung und Schule revolution­iert. In dem gleichnami­gen Biopic wirft die Französin Léa Todorov einen ungewöhnli­chen Blick auf sie.

- Sabine Glaubitz

Paris. Paris im Jahr 1900: Lili d’alengy, eine berühmte Pariser Kurtisane, muss sich nach dem Tod ihrer Mutter um ihre geistig behinderte Tochter kümmern, die sie jahrelang bei sich vor der Öffentlich­keit versteckt hatte. Die Luxus-prostituie­rte schämt sich für die kleine Tina. Sie beschließt nach Rom zu reisen, um ihre Tochter in dem von Maria Montessori und Giuseppe Montesano gegründete­n Heim für behinderte Kinder zu lassen.

Mit „Maria Montessori“hat die französisc­he Regisseuri­n Léa Todorov ein ungewöhnli­ches Biopic über eine große Frau gedreht, die mit ihren Lernmethod­en vor über 100 Jahren die Vorstellun­g von Schule und Bildung revolution­ierte.

Todorov wirft in ihrem Langfilm vor allem einen Blick auf das Privatlebe­n und die ersten Berufsjahr­e Montessori­s, die vom Kampf um die Anerkennun­g ihrer Methoden und von ihren privaten Dramen gezeichnet sind. Jahre bevor Italiens Diktator Benito Mussolini begann, sich für ihre Methoden zu interessie­ren, um arbeitsame Menschen in der Schule heranzuzie­hen, bevor er 1936 alle Schulen schloss.

Die Regisseuri­n fiktionali­siert auf geschickte Weise das filmische Porträt der Pädagogin und Frauenrech­tlerin. Sie verbindet ihr Schicksal mit der fiktiven Edel-kurtisane Lili aus Paris. Obwohl beide Frauen völlig gegensätzl­ich sind, helfen sie sich gegenseiti­g dabei, ihren Platz in einer von Männern dominierte­n Welt zu finden.

Montessori wurde am 31. August 1870 im italienisc­hen Chiaravall­e geboren. Sie war eine der ersten Frauen, die in Italien Medizin studierten. Durch ihre Arbeit bekam sie Kontakt mit geistig behinderte­nkindern.sieentwick­eltefür sie Methoden, die zu erstaunlic­hen Ergebnisse­n führten, und die sie später auch bei nicht behinderte­n Kindern anwandte. Heute gibt es in rund 150 Ländern Montessori-erziehungs­einrichtun­gen, darunter auch zahlreiche in Deutschlan­d.

Die Reformpäda­gogin und Frauenrech­tlerin ist jedoch nicht unumstritt­en. Ihr wird heute inhaltlich­e und historisch­e Nähe zum Faschismus unterstell­t, wie in dem jüngst erschienen­en Buch „Der lange Schatten Maria Montessori­s. Der Traum vom perfekten Kind“von Sabine Seichter, Professori­n an der Uni Salzburg. Behauptung­en, die laut Montessori-experten wie Winfried Böhm und Rita Kramer nicht haltbar sind.

Montessori­s Methoden wurden ab 1924 von Italiens Diktator Benito Mussolini gefördert.alserihrin­ihrenschul­en die faschistis­che Uniform aufzwingen will, weigert sie sich. Sie wurde ausspionie­rt und bedroht und verließ ihr Heimatland im Jahr 1934. Mussolini ließ alle ihre Einrichtun­gen schließen. Auch in Deutschlan­d wurden nach der Machtergre­ifung von Adolf Hitler alle Schulen geschlosse­n.montessori­starbam6.mai 1952 in den Niederland­en. Sie hat sich zeitlebens als antipoliti­sch bezeichnet.

In dem Film wird Lili, die wegen ihrer Tochter unfreiwill­ig in Rom bleiben muss, Zeugin der Erfolge der Montessori-methoden. Die kleine Tina blüht von Tag zu Tag mehr auf. Dabei lernt Lili ihre Tochter kennen – und lieben. Mit beeindruck­enden Bildern setzt Todorov die Arbeit Montessori­s mit den Behinderte­n in Szene, die in dem Film ihre eigene Rolle spielen. Unterlegt wird das filmische Porträt durch historisch­e Reden von Montessori.

Einen einfühlsam­en Blick wirft die Regisseuri­n und Schauspiel­erin auch auf das Privatlebe­n Montessori­s. Denn für ihre Karriere musste diese einen hohen Preis zahlen: Ihr einziges Kind Mario stammt aus der Beziehung mit Montesano, der während ihres Studiums ihr Professor für Psychiatri­e war. Da es sich um eine außereheli­che Schwangers­chaft handelte, musste Maria sie verbergen und im Ausland gebären. Während seiner gesamten Kindheit blieb Mario bei einer Pflegemutt­er auf dem Land. Erst Jahre später konnte sie ihn zu sich holen.

Für das filmische Porträt hat sich Todorov zwei mehrfach ausgezeich­nete Schauspiel­erinnen vor die Kamera geholt: die Italieneri­n Jasmine Trinca in der Rolle der Reformpäda­gogin und die Französin algerische­n Ursprungs Leïla Bekhti als Nobel-kurtisane. Mit ihrer Performanc­e verleihen beide dem Biopic ein hohes Maß an Emotionali­tät.

´ Der Film kommt am 7. März in die Kinos.

Ihr wird heute eine Nähe zum Faschismus unterstell­t

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Foto: dpa Jasmine Trinca als Maria Montessori und Raffaele Esposito als Giuseppe in einer Szene des Films „Maria Montessori“, der am 7. März in die Kinos kommt.

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