Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier
Was ist Löhne eine Fahrradstraße wert?
Laut Verwaltung muss viel Geld investiert werden, um Straßen rechtssicher umzuwandeln. Radexperten sehen das allerdings anders. Um das Konzept zu retten, kommt nun eine Kompromisslösung auf den Tisch.
Löhne. Als sich die politischen Gremien in Löhne im vergangenen Jahr auf ein Fahrradstraßenkonzept einigten, war die Euphorie noch groß. Endlich, so der allgemeine Tenor, würde auch die Werrestadt Straßen einrichten, auf denen der Radverkehr Vorrang hat – und damit einen erheblichen Beitrag zur oft beschworenen Verkehrswende schaffen. Spätestens seit Mittwoch aber ist klar: Die Hürden sind höher als gedacht. Nicht nur im Radverkehrsbeirat stellt sich mittlerweile die Frage, ob und wie das Konzept überhaupt noch zu realisieren ist. Und was eine Fahrradstraße eigentlich zur Fahrradstraße macht.
Die Nachricht der Verwaltung hatte Politiker, Radler und Radfahraktivisten aus Löhne offenbar kalt erwischt. Noch vor wenigen Wochen hatten sie die Hochstraße in Gohfeld als Pilotstrecke und Modellprojekt auserkoren und eine rasche Umwidmung beschlossen. Nun aber stellte sich heraus, dass eine Ausweisung als Fahrradstraße doch nicht so ohne Weiteres über die Bühne gehen kann. Zum Teil seien erhebliche Umbauten erforderlich, so das Ergebnis einer städtischen Untersuchung. Kostenpunkt: rund 800.000 Euro plus Planungskosten. Und das bei einem Haushaltsdefizit von 13 Millionen Euro.
Sorge vor dem Todesstoß
Kein Wunder also, dass den Mitgliedern des Radverkehrsbeirates am Mittwoch die Sorgenfalten auf der Stirn standen. „Ich habe große Bedenken, dass durch diese Nachricht das gesamte Konzept beerdigt wird“, sagte etwa Kurt Begemann vom Förderverein Radverkehr. Derart hohe Kosten für nur eine Fahrradstraße seien aus seiner Sicht nicht zu vermitteln – zumal laut Fahrradstraßenkonzept noch 13 weitere Straßen langfristig umgewandelt werden sollen.
Ganz unberechtigt erscheint die Sorge in der Tat nicht. Denn auch andere Vertreter äußerten sich skeptisch bis ablehnend zu den veranschlagten Kosten. Für die Grünen erklärte Dieter Glander etwa, dass seine Fraktion keine 800.000 Euro freigeben werde. Und auch CDU-Fraktionschef Maik Büssing zeigte sich überrascht über die hohe Summe: „Wir waren uns doch einig, dass Schilder und Piktogramme im Prinzip ausreichen würden.“
Ganz so einfach aber stellt sich die Ausweisung einer Fahrradstraße zumindest aus Sicht der Verwaltung nicht dar. „Da gibt es klare Regelungen“, sagte Baudezernent Ulrich Niemeyer. So seien etwa senkrecht zur Fahrbahn verlaufende Parkbuchten nicht zulässig, der Busverkehr auf der Hochstraße mache eine breitere Fahrbahn erforderlich und um dem Radverkehr Vorrang und Vorfahrt einzuräumen, seien Markierungen nötig.
An dieser Darstellung der Stadtverwaltung aber gibt es berechtigte Zweifel. Tatsächlich nämlich sind in der besagten Straßenverkehrsordnung (StVO) keinerlei Vorgaben zu Fahrradstraßen zu finden, worauf unter anderem Georg Hofemann vom ADFC aufmerksam machte. Lediglich in der sogenannten Verwaltungsvorschrift, in der die Umsetzung der StVO geregelt ist, findet sich der Begriff überhaupt. Und selbst dort wird lediglich auf eine Beschilderung zum Beginn und zum Ende einer Fahrradstraße verwiesen. Allerdings findet sich dort auch der Zusatz, dass auf Senkrechtoder Schrägparkstände „grundsätzlich verzichtet werden sollte“.
Für Radverkehrsexperten wie Begemann und Hofemann stellt diese Formulierung allerdings allenfalls eine Empfehlung dar. Eine solche spricht auch die „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte in NRW“aus. Weil es keine einheitlichen Gestaltungsgrundsätze für Fahrradstraßen gibt, hat sie in ihrem „Leitfaden Fahrradstraßen“Erfahrungswerte zusammengetragen und Vorschläge abgeleitet. Die von der Verwaltung angeführten Grundsätze finden sich darin zwar wieder, sind allerdings ausdrücklich nicht rechtsgültig.
Auch deshalb dreht sich das weitere Vorgehen in Löhne nun vornehmlich um die Frage, wie das städtische Fahrradstraßenkonzept nun umgesetzt werden soll. Einigkeit besteht darin, das Vorhaben weiterverfolgen zu wollen. „Aber vielleicht müssen wir nicht gleich den Mercedes unter den Fahrradstraßen bauen“, fasste es Reinhard Kempe von der SPD zusammen. Auch Linken-Chef Ulrich Adler betonte, dass Abstriche nötig sind, um die Bürger von der Sinnhaftigkeit einer Fahrradstraße zu überzeugen und künftig noch weitere realisieren zu können.
Während Christdemokratin Alina Sauerland dafür plädierte, lediglich die Rechtsgrundlagen zu erfüllen, und Sozialdemokrat Oliver Kleimeier die Frage aufwarf, ob man wirklich bei der lang ersehnten ersten Fahrradstraße Löhnes nur eine rudimentäre Lösung realisieren will, versuchte sich Maik Büssing an einem Kompromiss: „Wir sollten zunächst einmal klären, was das absolute Minimum für eine Fahrradstraße ist und wie das Optimum aussehen würde. Dann haben wir eine Spannbreite der Möglichkeiten und können vielleicht eine Vernunftlösung irgendwo dazwischen finden.“
Ein Vorschlag, den das Gremium letztlich dankbar aufgriff. In einem nächsten Schritt sollen Verwaltung und Radexperten vom ADFC und Förderverein Radverkehr die Grundsätze erörtern, zudem will man sich die Expertise von fahrradstraßenerfahrenen Kommunen mit ins Boot holen. Die Ergebnisse und erarbeiteten Vorschläge werden dem Beirat schließlich in einer Sondersitzung Mitte Juni präsentiert. Im besten Fall fällt dann auch eine wegweisende Entscheidung – für die Fahrradstraßen der Zukunft.