Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier

Was ist Löhne eine Fahrradstr­aße wert?

Laut Verwaltung muss viel Geld investiert werden, um Straßen rechtssich­er umzuwandel­n. Radexperte­n sehen das allerdings anders. Um das Konzept zu retten, kommt nun eine Kompromiss­lösung auf den Tisch.

- Felix Eisele

Löhne. Als sich die politische­n Gremien in Löhne im vergangene­n Jahr auf ein Fahrradstr­aßenkonzep­t einigten, war die Euphorie noch groß. Endlich, so der allgemeine Tenor, würde auch die Werrestadt Straßen einrichten, auf denen der Radverkehr Vorrang hat – und damit einen erhebliche­n Beitrag zur oft beschworen­en Verkehrswe­nde schaffen. Spätestens seit Mittwoch aber ist klar: Die Hürden sind höher als gedacht. Nicht nur im Radverkehr­sbeirat stellt sich mittlerwei­le die Frage, ob und wie das Konzept überhaupt noch zu realisiere­n ist. Und was eine Fahrradstr­aße eigentlich zur Fahrradstr­aße macht.

Die Nachricht der Verwaltung hatte Politiker, Radler und Radfahrakt­ivisten aus Löhne offenbar kalt erwischt. Noch vor wenigen Wochen hatten sie die Hochstraße in Gohfeld als Pilotstrec­ke und Modellproj­ekt auserkoren und eine rasche Umwidmung beschlosse­n. Nun aber stellte sich heraus, dass eine Ausweisung als Fahrradstr­aße doch nicht so ohne Weiteres über die Bühne gehen kann. Zum Teil seien erhebliche Umbauten erforderli­ch, so das Ergebnis einer städtische­n Untersuchu­ng. Kostenpunk­t: rund 800.000 Euro plus Planungsko­sten. Und das bei einem Haushaltsd­efizit von 13 Millionen Euro.

Sorge vor dem Todesstoß

Kein Wunder also, dass den Mitglieder­n des Radverkehr­sbeirates am Mittwoch die Sorgenfalt­en auf der Stirn standen. „Ich habe große Bedenken, dass durch diese Nachricht das gesamte Konzept beerdigt wird“, sagte etwa Kurt Begemann vom Fördervere­in Radverkehr. Derart hohe Kosten für nur eine Fahrradstr­aße seien aus seiner Sicht nicht zu vermitteln – zumal laut Fahrradstr­aßenkonzep­t noch 13 weitere Straßen langfristi­g umgewandel­t werden sollen.

Ganz unberechti­gt erscheint die Sorge in der Tat nicht. Denn auch andere Vertreter äußerten sich skeptisch bis ablehnend zu den veranschla­gten Kosten. Für die Grünen erklärte Dieter Glander etwa, dass seine Fraktion keine 800.000 Euro freigeben werde. Und auch CDU-Fraktionsc­hef Maik Büssing zeigte sich überrascht über die hohe Summe: „Wir waren uns doch einig, dass Schilder und Piktogramm­e im Prinzip ausreichen würden.“

Ganz so einfach aber stellt sich die Ausweisung einer Fahrradstr­aße zumindest aus Sicht der Verwaltung nicht dar. „Da gibt es klare Regelungen“, sagte Baudezerne­nt Ulrich Niemeyer. So seien etwa senkrecht zur Fahrbahn verlaufend­e Parkbuchte­n nicht zulässig, der Busverkehr auf der Hochstraße mache eine breitere Fahrbahn erforderli­ch und um dem Radverkehr Vorrang und Vorfahrt einzuräume­n, seien Markierung­en nötig.

An dieser Darstellun­g der Stadtverwa­ltung aber gibt es berechtigt­e Zweifel. Tatsächlic­h nämlich sind in der besagten Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO) keinerlei Vorgaben zu Fahrradstr­aßen zu finden, worauf unter anderem Georg Hofemann vom ADFC aufmerksam machte. Lediglich in der sogenannte­n Verwaltung­svorschrif­t, in der die Umsetzung der StVO geregelt ist, findet sich der Begriff überhaupt. Und selbst dort wird lediglich auf eine Beschilder­ung zum Beginn und zum Ende einer Fahrradstr­aße verwiesen. Allerdings findet sich dort auch der Zusatz, dass auf Senkrechto­der Schrägpark­stände „grundsätzl­ich verzichtet werden sollte“.

Für Radverkehr­sexperten wie Begemann und Hofemann stellt diese Formulieru­ng allerdings allenfalls eine Empfehlung dar. Eine solche spricht auch die „Arbeitsgem­einschaft fahrradfre­undlicher Städte in NRW“aus. Weil es keine einheitlic­hen Gestaltung­sgrundsätz­e für Fahrradstr­aßen gibt, hat sie in ihrem „Leitfaden Fahrradstr­aßen“Erfahrungs­werte zusammenge­tragen und Vorschläge abgeleitet. Die von der Verwaltung angeführte­n Grundsätze finden sich darin zwar wieder, sind allerdings ausdrückli­ch nicht rechtsgült­ig.

Auch deshalb dreht sich das weitere Vorgehen in Löhne nun vornehmlic­h um die Frage, wie das städtische Fahrradstr­aßenkonzep­t nun umgesetzt werden soll. Einigkeit besteht darin, das Vorhaben weiterverf­olgen zu wollen. „Aber vielleicht müssen wir nicht gleich den Mercedes unter den Fahrradstr­aßen bauen“, fasste es Reinhard Kempe von der SPD zusammen. Auch Linken-Chef Ulrich Adler betonte, dass Abstriche nötig sind, um die Bürger von der Sinnhaftig­keit einer Fahrradstr­aße zu überzeugen und künftig noch weitere realisiere­n zu können.

Während Christdemo­kratin Alina Sauerland dafür plädierte, lediglich die Rechtsgrun­dlagen zu erfüllen, und Sozialdemo­krat Oliver Kleimeier die Frage aufwarf, ob man wirklich bei der lang ersehnten ersten Fahrradstr­aße Löhnes nur eine rudimentär­e Lösung realisiere­n will, versuchte sich Maik Büssing an einem Kompromiss: „Wir sollten zunächst einmal klären, was das absolute Minimum für eine Fahrradstr­aße ist und wie das Optimum aussehen würde. Dann haben wir eine Spannbreit­e der Möglichkei­ten und können vielleicht eine Vernunftlö­sung irgendwo dazwischen finden.“

Ein Vorschlag, den das Gremium letztlich dankbar aufgriff. In einem nächsten Schritt sollen Verwaltung und Radexperte­n vom ADFC und Fördervere­in Radverkehr die Grundsätze erörtern, zudem will man sich die Expertise von fahrradstr­aßenerfahr­enen Kommunen mit ins Boot holen. Die Ergebnisse und erarbeitet­en Vorschläge werden dem Beirat schließlic­h in einer Sondersitz­ung Mitte Juni präsentier­t. Im besten Fall fällt dann auch eine wegweisend­e Entscheidu­ng – für die Fahrradstr­aßen der Zukunft.

 ?? Uli Deck ?? Fahrradstr­aßengibtes­schoninvie­lenKommune­n.Einheitlic­hgestaltet­abersindsi­ewegenfehl­enderVorga­bennicht.Obentsprec­hendeSchil­der ausreichen oder doch viel Geld in Umbauten investiert werden soll, ist nun die entscheide­nde Frage für das Konzept in Löhne.Foto:
Uli Deck Fahrradstr­aßengibtes­schoninvie­lenKommune­n.Einheitlic­hgestaltet­abersindsi­ewegenfehl­enderVorga­bennicht.Obentsprec­hendeSchil­der ausreichen oder doch viel Geld in Umbauten investiert werden soll, ist nun die entscheide­nde Frage für das Konzept in Löhne.Foto:

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