Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier
Das Schicksal polnischer Kriegsgefangener
Bad Oeynhausen. Im Bereich Politik und Gesellschaft bietet die VHS Bad Oeynhausen am Freitag, 19. April, von 19 bis 20.30 Uhr den Vortrag „Aus dem Dunkel der Vergangenheit ins Licht der Gegenwart: Neue Erkenntnisse über die Uverlagerung Elritze und das Schicksal polnischer Kriegsgefangener in Kleinenbremen“an.
Im September 1998 initiierte das Bergwerkmuseum Kleinenbremen ein Forschungsprojekt. Ziel war es, die Geschichte von Kleinenbremen während des Nationalsozialismus aufzuarbeiten und das Museum um dieses wichtige Thema zu erweitern. Einen Schwerpunkt sollte dabei die U-verlagerung Elritze einnehmen. Pläne des Rüstungsministeriums sahen vor, in den letzten Kriegsjahren Teile der Grube Wohlverwahrt für die Produktion von Komponenten für Kampfflugzeuge der Firma Focke Wulf zu nutzen. Die Ergebnisse dieser intensiven Forschung führten im Frühjahr 2000 zur Eröffnung einer Ausstellung im Museum in Kleinenbremen. Allerdings nahm die Elritze aufgrund des
Kreis Minden-lübbecke. Den Auftakt machte bereits eine gut besuchte Exkursion zu den Amphibienzäunen am Gut Nordholz Ende März. Christian Vogel von der Biologischen Station leitete die Exkursion bei der die verschiedensten Amphibien bestaunt werden konnten.
Auch dieses Jahr finden wie gewohnt am jeweils ersten Montag im Monat Vorträge statt. Ausnahmen bilden Ferienzeiten und Feiertage. In ein bis zwei Stunden werden aktuelle Themen des Natur- und Klimaschutzes präsentiert und diskutiert.
Die Vorträge beginnen jeweils um 19 Uhr in den Seminarräumen des Gut Nordholzes, Nordholz 5, in Minden. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Es werden regionale Projekte und Initiativen, wie die Öko-modellregion und die Klimaschutzarbeit der Klimaschutzmanagerinnen und – manager präsentiert. Des Weiteren werden aktuelle Entwicklungen zum Artenschutz thematisiert: es wird einen Vortrag zum Otter und Biber geben. Das Eu-vogelschutzgebiet Weseraue mit seiner Bedeutung für einer Vielzahl rastender und brütender Vogelarten wird vom Gebietsbetreuer in einem bilderreichen Vortrag vorgestellt. In weiteren Vorträgen von Gastreferenten wird es um Umweltbildung, insektenreiche Naturgärten sowie regionales Wildpflanzensaatgut gehen. Eine Projektmitarbeiterin der Uni Oldenburg wird Einblicke in die Paludikultur – dem Wirtschaften auf nassen Böden – geben.
Kiebitz und Brachvogel als typische Vertreter artenreicher Feuchtwiesen können am 21. April zum weltweiten Brachvogeltag in den Bastauwiesen bestaunt werden. An diesem Tag bietet die Biologische Station eine zweistündige Exkursion in das Naturschutzgebiet an.
Da die Teilnehmerzahl bei Exkursionen und Seminaren begrenzt ist, wird um Anmeldung per Telefon oder Mail bis, wenn nicht anders angegeben, eine Woche vor dem jeweiligen Termin. Der Treffpunkt damals knappen Quellenmaterials nur einen sehr begrenzten Teil der Ausstellung ein.
Heute, 25 Jahre später, hat sich diese Situation maßgeblich geändert. Neue Quellenfunde ermöglichen eine umfassende Aufarbeitung der Uverlagerung Elritze und die Enthüllung ihrer Geheimnisse. Die Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne, die Kz-gedenkstätte Porta Westfalica und das Bergwerkmuseum Kleinenbremen haben sich diesem Thema gemeinsam angenommen.
Zum ersten Mal wird der Historiker Antonius Schanderwitz die ersten Ergebnisse dieser Zusammenarbeit in einem Vortrag in Bad Oeynhausen vorstellen. Erstmals erhält die Öffentlichkeit einen umfassenden Einblick in dieses Ns-bauprojekt sowie in die Lebensbedingungen der polnischen Kriegsgefangenen des Stalag 326 (VI K) Senne, die dort zur Arbeit eingesetzt waren.
Eine Anmeldung ist nicht nötig, der Vortrag ist entgeltfrei und findet im Vortragsraum der VHS Bad Oeynhausen statt. wird bei Anmeldung bekannt gegeben.
Auch in anderen Naturschutzgebieten des Kreises werden Exkursionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten: Mitte Mai wird es für Frühaufsteher eine Vogelstimmenführung am Naturschutzgebiet Gut Nordholz geben.
Am internationalen Museumstag, 19. Mai, werden in Zusammenarbeit mit dem LWL Museum Glashütte Gernheim zwei vogelkundliche Spaziergänge in die angrenzende Gernheimer Marsch von der Biologischen Station angeboten.
Das Naturschutzgebiet Bastauwiesen wird ein weiteres Mal Anfang Juni für eine abendliche Vogelstimmenexkursion aufgesucht. Auch das bisher nicht viel beachtete Naturschutzgebiet Schnakenpohl bei Rahden wird auf einer Exkursion unter die Lupe genommen. Bei einem Rundgang in das Naturschutzgebiet Großes Torfmoor im September soll es vor allem um den Untergrund des Torfmoores gehen. Als Kohlenstoffspeicher und Geschichtsbuch hat das Moor einiges zu erzählen.
Der Ranger des Kreises, Christian Blotz, nimmt interessierte Bürgerinnen und Bürger mit in die faszinierende Welt der Waldameisen im Mindener Wald.
Darüber hinaus finden auch dieses Jahr wieder eine Kräuterführung und eine Fledermausexkursion am Gut Nordholz statt. Im Herbst werden zwei Kranichexkursionen in die Diepholzer Moorniederung zu dem beeindruckenden Einflug der Tausenden Kraniche angeboten.
Anfang September freuen wir uns, dass es nach einer Premiere der Band „Moneko“im letzten Jahr wieder ein Konzert an der Biologischen Station geben wird. Inspiriert vom Thema Wasser sollen diesmal bekannte und neue Lieder zu hören sein. Neben der Band Moneko können sich die Teilnehmer auf den ein oder anderen Überraschungsgast freuen. Weitere Informationen werden rechtzeitig bekannt gegeben.
Bad Oeynhausen. Die Bahn war schuld. Wie so oft. Aber immerhin: Auf die letzte Minute erreichte der Kölner Kabarettist und Schauspieler Fatih Çevikkollu dann doch noch die Kurstadt um im Märchenmuseum aus seinem Sachbuch „Kartonwand. Das Trauma der Arbeitsmigrant/innen am Beispiel meiner Familie“zu lesen. Dass die erschütternden Erfahrungen, die der heute 51Jährige als Kind einer Arbeitsmigrantenfamilie gemacht hat, das Publikum spürbar erschüttert haben, konnte man auch bei der anschließenden Diskussion spüren.
„Gibt es eine Verbindung zwischen Migrationsgeschichte und psychischen Erkrankungen?“fragt Fatih Çevikkollu. Und liest zum Einstieg zwei Kapitel aus seinem im vergangen Jahr erschienenen Buch. Sechs Jahre zuvor klingelte in einem Hotelzimmer in Hannover sein Telefon. Sein Bruder rief an und teilte ihm mit, dass die Mutter in der Türkei gestorben ist. „Mich traf die Nachricht wie ein unterirdischer Atombombentest“, beschreibt der Schauspieler seine Gefühle. Der Tod seiner psychisch erkrankten Mutter wurde für ihn zu einem Wendepunkt in seinem Leben.
Fatih Çevikkollu fragte sich: „Gibt es einen Zusammenhang zwischen den psychischen Problemen und dem Schicksal sogenannter Gastarbeiter in den Sechzigerjahren in Deutschland?“. Denn: „Die erste Generation der Arbeitsmigranten im Rentenalter entwickelt auffällig häufig Psychosen“, hat der 51-Jährige beobachtet.
Bevor er den Titel seines Buches erklärt, erzählt Fatih Çevikkollu die Geschichte seiner Familie, die für ihn exemplarisch für viele andere Familien in der gleichen Situation ist: „Mein Vater war Schlosser und meine Mutter Grundschullehrerin. Über das Anwerbeabkommen, das Deutschland 1961 mit der Türkei geschlossen hat, kamen sie hierher“.
Das Problem: Sie waren nicht gekommen, um zu bleiben, sondern nur um genug Geld zu verdienen, mit dem sie anschließend in der Heimat gut leben wollten. „Ein Leben im Standby-modus“, sagt Fatih Çevikkollu im Rückblick. Seine Eltern bekamen drei Kinder. Und die fünfköpfige Familie lebte auf 50 Quadratmetern. Man gönnte sich nur das Nötigste. Das erwirtschaftete Einkommen wurde für die
Rückkehr in die Türkei in teure Einrichtungsgegenstände und Elektrogeräte investiert, die original verpackt in Umzugskisten wanderten und zu einer Wand aufgestapelt wurden. „Bei uns stand diese typische Kartonwand im Schlafzimmer meiner Eltern“, weiß der Buchautor noch ganz genau.
Der Kabarettist und Schauspieler Fatih Cevikkollu berichtet im Märchenmuseum davon, wie es war, als Kind türkischer Arbeitsmigranten in Deutschland aufzuwachsen. Und sagt: „Meine Mutter hat in diesen Jahren vermutlich mehr verpackt als Christo in seinem ganzen Leben“.
Typisch für die erste Generation der Arbeitsmigranten sind auch die sogenannten „Kofferkinder“. Denn der Nachwuchs wurde regelmäßig zu den Großeltern in die Türkei geschickt, weil Mutter und Vater arbeiteten und es keine Kindertagesstätten gab. Auf rund 700.000 schätzt Fatih Çevikkollu die Zahl der damaligen „Kofferkinder“. Und sagt: „Die Eltern haben ihre Kinder ja nicht aus Spaß zu den Verwandten in der Türkei geschickt“. Das Tragische daran: „Sie konnten keine richtige Bindung zu ihren Eltern aufbauen“, glaubt der Schauspieler, der, wenn er als Kind in Deutschland war, „zu Hause eine merkwürdige Stille“erlebte.
1961 ins Land geholt, wurden die Arbeitsmigranten zwölf Jahre später mit dem Rückkehrförderungskonzept konfrontiert. Sie wurden nicht mehr gebraucht. „Deutschland ist das einzige Land der Welt, das seine Gäste arbeiten lässt“, sagt Kabarettist Fatih Çevikkollu. Unter der Moderation von Bettina Eisler, Mitarbeiterin der Stadtbücherei, diskutiert das Publikum mit dem Buchautor über das Thema. Und etliche Gäste zeigen sich erschüttert über die Erlebnisse der Arbeitsmigranten, die vielen gar nicht bekannt waren.
Dann rückt das Thema Alltagsrassismus in den Mittelpunkt. Und Fatih Çevikkollu sagt: „Als die Mutter mit Kopftuch in die Schule kam, um zu putzen, war alles gut. Als die Tochter mit Kopftuch in die Schule kam, um zu unterrichten, war das ein Problem“. Am Ende fragt er: „Was muss passieren, damit wir bei einem „wir“ankommen?“.
Fatih Çevikkollu: „Kartonwand“. Das Trauma der Arbeitsmigrant/innen am Beispiel meiner Familie. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023.