Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier
Aus Vizekusen wird Titelkusen
Auf dem Weg zur möglichen makellosen Saison besiegt Bayer 04 Leverkusen sein ewiges Trauma vom zweiten Platz. Die Werkself durchbricht damit eine endlos wirkende Meister-dominanz des FC Bayern München.
Leverkusen. Xabi Alonso knipste inmitten der Jubeltraube Selfies, Dreierpacker Florian Wirtz wurde von den ekstatischen Fans immer wieder auf den Kopf getätschelt: Die Überflieger von Bayer Leverkusen haben ihre einzigartige Fabelsaison mit der ersten deutschen Meisterschaft der Vereinshistorie gekrönt.
Nach dem 5:0 (1:0) gegen Werder Bremen brachen alle Dämme. Schon wenige Sekunden vor dem Schlusspfiff stürmten die ersten Fans den Rasen, der Schiedsrichter pfiff die Partie daraufhin erst gar nicht mehr an. Nach Jahrzehnten vergeblicher Versuche, nach Pleiten, Tragödien und fünf Vize-meisterschaften war es die ersehnte Erlösung
für Bayer, die Party konnte beginnen. Startelf-rückkehrer Victor Boniface (25., Foulelfmeter nach Videobeweis), Granitxhaka(60.)unddereingewechseltewirtz(68./83./90.) schossen Bayer bei noch fünf ausstehenden Spielen in den siebten Fußball-himmel.
Schon nach dem Tor zum 4:0 stürmten die ersten Fans den Rasen, wurden von den eigenenspielernabersofortzurück hinter die Bande geschickt. „Den Begriff ’Vizekusen’ habe ich noch nie leiden können – jetzt ist er Geschichte und das absolut zurecht“, sagte Bayers langjähriger Geschäftsführer Rudi Völler: „Ich weiß, wie viel dem gesamten Klub dieser erste deutsche Meistertitel der Vereinsgeschichte bedeutet. Die Konstanz der Leistungen und Ergebnisse
ist unglaublich.“Leverkusen stellte durch das 43. Pflichtspiel in Folge ohne Niederlage nicht nur den europäischen Rekord von Juventus Turin aus den Jahren 2011 bis 2012 ein, die Werkself durchbrach nach elf Meisterschaftendiedominanzvonrekordchampion Bayern München. Erstmals seit Borussia Dortmund 2012 sicherte sich wieder ein anderer Klub die Schale.
Schon auf dem Weg zum Stadion musste sich der Teambus durch eine gewaltige Menschenmenge kämpfen. Das Straßenschild der Bismarckstraße war vor der Arena überklebt worden – der Weg hieß am Sonntag kurzerhand „Xabi-alonso-allee“. Auf der Tribüne fieberten Klub-legenden wie Reiner Calmund oder
Rudi Völler mit. Und sie sahen eine Bayer-startelf, die im Vergleich zum Viertelfinalhinspiel der Europa League gegen West Ham United (2:0) kräftig durchgemischt wurde. Alonso verzichtete etwa auf Nationalspieler Wirtz, Alejandro Grimaldo, Jeremie Frimpong, Patrik Schick und Exequiel Palacios. Vor dem Rückspiel in London am Donnerstag sparten sie zunächst Kräfte. Zu Beginn wirkte Leverkusen aber etwas nervös. Ein Abschluss von Piero Hincapie (8.) sorgte für Gefahr, ansonsten leistete sich die Werkself gegen engagierte Bremer den einen oder anderen schlampigen Pass.
Erst als Jonas Hofmann gefoult wurde und der Schiedsrichter nach Videobeweis auf Elfmeter entschied, nahm Bayer
Fahrt auf. Boniface verwandelte sicher. Zunächst verpassten Jonas Hofmann (35.) und Amine Adli mit einem Lattenschuss (38.) den zweiten Treffer. Zur zweiten Halbzeit kam Wirtz, der nach etwas Anlaufzeit seinen ersten Warnschuss abgab (58.). Xhaka schlenzte den Ball kurz darauf aber sehenswert ins Tor – und zündete die nächste Stufe der großen Titelparty. „Deutscher Meister wird nur der SVB“, sangen die Fans, die Schlussphase, in der Wirtz mit einem Traumtor aus der Distanz erhöhte, entwickelte sich zu einem Schaulaufen. Kurz vor Schlussgelangwirtzdernächste Streich. In 120 Jahren Vereinsgeschichte hatte Bayer bislang nur zwei Titel gewonnen, in dieser Saison könnte es gleich das Triple werden.