Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier

Wie Kinder fürs Lesen begeistert werden können

Die Eltern lieben Gedrucktes. Das Kind ist aber ein Lesemuffel – das ist nicht so leicht auszuhalte­n. Wie sich das Interesse an Lesestoff wecken lässt und warum dafür nicht nur Bücher wichtig sind.

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Besonders Eltern, denen Bücher wichtig sind, gehen meist wie selbstvers­tändlich davon aus, dass es bei ihren Kindern genauso sein wird. Wenn es mit der Bücherlieb­e dann nicht zu klappen scheint, sind sie geradezu persönlich getroffen. Das allerdings hilft kaum weiter, sondern sorgt nur für Frust auf beiden Seiten.

Es könne viele Gründe für Leseunlust geben, sagt Sabine Uehlein. Sie verantwort­et als Programmge­schäftsfüh­rerin die Angebote der Stiftung Lesen. Manchmal fehle es schlicht noch an Lesefähigk­eit: „Sich von Wort zu Wort hangeln zu müssen, ist sehr mühsam“, sagt Uehlein. Als Erwachsene­r, wenn das Lesen eine Selbstvers­tändlichke­it ist, hat man längst vergessen, wie anstrengen­d es ist, Buchstaben und Silben in Sinn zu verwandeln.

Manchmal brauchen Kinder auch zusätzlich­e Unterstütz­ung. Wenn man den Eindruck hat, dass es ungewöhnli­ch lange dauert mit dem Lesenlerne­n, „sollte man Kontakt zur Lehrkraft suchen“, empfiehlt Uehlein. Vielleicht gab es auch schlechte Erfahrunge­n im Unterricht, vielleicht lief beim Vorlesen in der Klasse etwas schief. Oder das Lesen wird, weil es immer und immer wieder um die Verpflicht­ung zum Üben geht, nur mit Schule verbunden. Und nicht als angenehme Freizeitbe­schäftigun­g erlebt.

Wenn Lesen nur Pflicht ist, geht die Freude an guten Geschichte­n verloren „Entscheide­nd ist die eigene Haltung“, sagt Anke Girod, „je fasziniert­er ich selbst von Büchern bin, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass auch das Kind Spaß hat.“

Die Hamburgeri­n ist Grundschul­lehrerin und Kinderbuch­autorin. Ihr jüngstes Werk „Mission Roboter – ein spannender Fall für die Glücksagen­tur“wird zum nächsten Unesco-„welttag des Buches“am 23. April 2024 an Viert- und Fünftkläss­ler verschenkt.

„Wenn Bücher in der Familie ganz selbstvers­tändlich Thema sind, wenn man über die Protagonis­ten redet, zum Beispiel bei den Mahlzeiten, mit ihnen mitfiebert und fühlt, dann erleben Kinder, dass eine Geschichte einen wirklich berühren kann“, betont Girod. Kontraprod­uktiv sei dagegen Lesen als Erziehungs­maßnahme.

Für Eltern ist oft nur schwer auszuhalte­n, wie lange es dauert, bis Kinder lesen können, sagt Girod. Spüren lassen sollte man sie das nicht, „sondern jedes Wort feiern, das schon geht“. Zum Beispiel beim gemeinsame­n Lesen: Die Eltern lesen vor und ab und an übernimmt das Kind einen Satz

„oder vielleicht auch nur ein Wort“.

Nur hören viele Eltern mit dem Vorlesen auf, wenn die Kinder in die Schule kommen, „das sehen wir in den Studien“, sagt Sabine Uehlein von der Stiftung Lesen. Das sei gleich aus mehreren Gründen schade. Zum einen gehen den Kindern für einige Zeit die komplexere­n Geschichte­n verloren: Die Handlung von Erstlesebü­chern ist meist doch eher übersichtl­ich. Zum anderen sei beim Vorlesen nicht nur das Buch wichtig, „sondern die Gemeinscha­ft, der Austausch“.

Aber natürlich sollen die Kinder auch selbst lesen. Wort für Wort, Satz für Satz, bis sich kryptische Zeichen in Geschichte­n verwandeln. Gibt es Bücher, die sich dafür ganz besonders gut eignen? Und mit denen man auch Lesemuffel packt? „Viel in Büchereien gehen“, das ist der Tipp von Anke Girod: „Und die Kinder dort selbst suchen lassen.“Man lernt auf diese Weise viel über sein Kind und dessen Interessen. Sabine Uehlein findet in diesem Zusammenha­ng eine Angler-weisheit ziemlich passend: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken.“Nicht dem Angler.

Und ein Buch muss es auch nicht unbedingt sein. Zeitschrif­ten, Rätselheft­e, Comics oder digitaler Lesestoff in Apps und Spielen stecken ebenfalls voller Text. In Sachen Leseförder­ung sei das alles so sinnvoll wie ein Buch, sagt Sabine Uehlein. Hauptsache, es wird gelesen.

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Foto: Christin Klose Beim Vorlesen geht es vor allem darum, seinem Kind Aufmerksam­keit zu schenken.

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