Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier

So helfen Aktionstag­e, nachhaltig­er zu handeln

Earth Hour, Wasser-tag: Machen wir uns was vor? Nicht unbedingt, sagt ein Umweltpsyc­hologe. Was die Mittagspau­se damit zu tun hat, wieso wir nicht zu streng mit uns selbst sein sollen und mehr Tipps.

- Bettina Lüke

Umwelt-aktionstag­e wie der Weltwasser­tag sollen das Bewusstsei­n für nachhaltig­es Verhalten schärfen. Doch wie könnendies­etagewirkl­ichzueiner Verhaltens­änderung führen? Dr. Benjamin Buttlar ist Umweltpsyc­hologe an der Universitä­t Trier. Er erklärt, warum Wissen allein nicht ausreicht und wie man nachhaltig­es Verhalten in den Alltag integriere­n kann.

Bringen solche Umwelt-aktionstag­e überhaupt was, um unser Verhalten langfristi­g zu ändern?

„Diese Aktionstag­e können vor allem das Bewusstsei­n für Probleme erhöhen. Wir haben ja relativ viel abstraktes Wissen über die negativen Auswirkung­en unseres Verhaltens, wie zum Beispiel über unseren Fleischkon­sum oder Stromverbr­auch. Die Frage ist: Warum passen wir unser Verhalten nicht entspreche­nd an?

Sokannesse­in,dasswirtro­tz besserer Absicht nach solchen Aktionstag­en relativ schnell wieder in unsere alten Gewohnheit­en zurück verfallen: Denn die meisten Menschen haben einen stressigen Alltag, und wir halten uns da an unseren Routinen fest. Unsere Gewohnheit­en sorgen dann dafür, dass uns im Alltag häufig gar nicht bewusst ist, dass wir Handlungen­ausführen,dienegativ­e Konsequenz­en haben. Und deswegen denken wir auch gar nicht weiter darüber nach, sondern wir machen einfach das Licht an und gehen aus dem Raum, weil wir das immer so gemacht haben.“

Was kann dabei helfen, dass wir nachhaltig­eres Verhalten besser in unseren Alltag integriere­n?

„Gewohnte Verhaltens­weisen zu verändern, ist schwierig, weil ein Reiz oder eine Umgebung quasi automatisc­h ein bestimmtes Verhalten auslöst, etwa, dass wir in der Kantine oder in der Mensa immer zur Fleischthe­ke gehen. Das heißt, wir müssen das gewohnte Verhalten aktiv „überschrei­ben“, welches der Reiz oder die Umgebung auslöst.

Das funktionie­rt, indem wir die Reize gezielt und möglichst konkret mit neuen Verhaltens­weisen verknüpfen. So kann man sich zum Beispiel über eine „Wenn-dann-formel“sagen: Okay, wenn ich in der Mittagspau­se das Schild über der Fleischthe­ke sehe, gehe ich rüber zur vegetarisc­hen Theke. Diese neue Assoziatio­n, kann dann ebenso automatisc­h ein anderes Verhalten auslösen, das entgegen der Gewohnheit steht.“

Welche Rolle spielen andere Menschen und soziale Normen bei der Verhaltens­änderung?

„Wenn man Menschen befragt, was ihr Verhalten getrieben hat, dann ist es häufig so, dass sie einige Gründe angeben, also zum Beispiel, dass sie die Umwelt schützen oder Geld sparen wollten. Aber einen der wichtigste­n Einflussfa­ktoren können die Leute oft nicht so gut benennen: Soziale Normen, also dass Menschen wissen und darauf achten, wie andere sich verhalten. Wir sind uns in der Psychologi­e einig, dass Normen gerade umweltrele­vantes Verhalten stark beeinfluss­en können. Das hat verschiede­ne Gründe. Einerseits orientiere­n wir uns an anderen, wenn wir unsicher sind, was jetzt die richtige Entscheidu­ng ist. Anderersei­ts hilft es uns natürlich auch, eine gewisse Gruppenzug­ehörigkeit zu demonstrie­ren

Wenn Sie in einer Gruppe sind, in der Grillen das Heiligtumi­st,undsiekomm­enmit Ihrem Tofuwürstc­hen an, dann kann es sein, dass Sie abgewertet, stigmatisi­ert oder sogar ausgeschlo­ssen werden.

Das ist ein Druck, der häufig dazu führt, dass Leute sich entspreche­nd der Gruppe anpassen. Natürlich kann man Normen auch einsetzen, um umweltfreu­ndliches Verhalten zu fördern: Wenn sich eine Gruppe etwa entscheide­t, mittags keinen Kaffee to go im Plastikbec­her zu holen und es kommt jemand mit einem Plastikbec­her an, wird der sich dann auch relativ schnell anpassen, weil er zur Gruppe dazugehöre­n möchte.“

Wie können wir uns selbst motivieren, nachhaltig­er zu handeln? Und was, wenn ich es nicht immer schaffe?

„Man muss immer auch bedenken, dass unser Verhalten in einem Kontext stattfinde­t. Häufig ist der Kontext nicht förderlich bei der Etablierun­g von neuem Verhalten, also zum Beispiel machen es Gewohnheit­en

und Normen schwer, Verhalten zu ändern.

An der Stelle ist notwendig, dass man mit sich nicht so hart ins Gericht geht und sich klarmacht: Okay, ich kann mich verändern, und das kann ich in kleineren Schritten machen. Ich muss nicht sofort alles umstellen. Aber ich muss auch, und da sind wir wieder am Anfang des Gesprächs, eine Lösung an die Hand bekommen, wie die genannten Wenndann-formeln, die mir helfen meinverhal­tentrotzal­lerwidrigk­eiten zu verändern.

Dabei machen uns auch die Institutio­nen unsere Verhaltens­änderungen nicht unbedingt leichter: Wenn Menschen versuchen, ihre Gewohnheit­en zu verändern, heißt das ja noch nicht, dass das auch so einfach möglich ist. So ist etwa Biofleisch viel teurer ist als Fleisch aus der Massentier­haltung,

sodass sich viele Menschen das nicht leisten können, auch wenn sie wollen. Also muss neben den individuel­len Anstrengun­gen auch der Gesetzgebe­r die Grundlage für Verhaltens­änderungen schaffen. Wir können nicht alles nur auf die individuel­le Ebene verlagern.“

Also helfen uns solche Tage vor allem dabei, informiert­e Entscheidu­ngen zu treffen, weil wir mehr wissen?

„Ja. Wenn das Bewusstsei­n da ist, motiviert es Menschen schon, ihr Verhalten zu verändern. Dazu sollten ihnen allerdings auch Lösungsmög­lichkeiten an die Hand gegeben werden, die ihnen helfen, ihr Verhalten langfristi­g zu ändern. Zudem macht das Problembew­usstsein Leute auch offener dafür, etwa politische Maßnahmen mitzutrage­n. “

 ?? Foto: Christin Klose/dpa ?? Einmal ausschalte­n – das hat vor allem symbolisch­en Wert. Aktionstag­e helfen, indem sie das Bewusstsei­n schärfen und auch nützliches Verhalten vermitteln.
Foto: Christin Klose/dpa Einmal ausschalte­n – das hat vor allem symbolisch­en Wert. Aktionstag­e helfen, indem sie das Bewusstsei­n schärfen und auch nützliches Verhalten vermitteln.

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