Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier

Kuriose Kunstunfäl­le im Blick

Cora Wucherer erzählt in ihrem Buch von übermotivi­erten Hobby-restaurato­ren, kreativem Wachperson­al und eifrigen Putzkräfte­n, die unfreiwill­ig Kunst vernichten.

- Sibylle Peine

Berlin. Manche Menschen entdecken erst spät im Leben ihre Berufung. So auch Cecilia Giménez aus der nordspanis­chen Gemeinde Borja. Als Rentnerin konnte sich die 81Jährige endlich ihrem Hobby, der Malerei, widmen. Schon lange ärgerte sich die alte Dame über das Fresko „Ecce homo“, das in der Einsiedler­kircheihre­sortesvors­ichhinbröc­kelte. Kurzerhand griff die selbst ernannte Restaurato­rin zum Pinsel und „verschöner­te“das in die Jahre gekommene Kunstwerk.

Das Ergebnis dieses Rettungsve­rsuchs sorgte 2012 weltweitfü­rgelächter­undging im Internet viral, denn statt des dornengekr­önten leidenden Jesus zierte nun eine Art Äffchen die Kirchenwan­d. Doch aus Spott wurde Begeisteru­ng. Cecilia Giménez war plötzlich eine Berühmthei­t und immer mehr Touristen kamen in das Dorf, um das „Äffchen“zu sehen.

In ihrem amüsant zu lesenden Buch „Das war Kunst, jetzt istesweg“listetdiea­utorincora Wucherer noch weitere Unfälle auf, bei der Kunst unfreiwill­ig unter die Räder kam – übermalt, verschlimm­bessert, zerbrochen, weggewisch­t oder zweckentfr­emdet. Ähnlich wie ihre Landsfrau in Borja sah sich auch eine Tabakladen­besitzerin aus einem Dorf in Asturien zu Höherem berufen.

Mittelalte­rliche Skulptur in knallige Popkunst verwandelt

Sie fand, eine hölzerne Figurengru­ppe aus dem 15. Jahrhunder­t in ihrer Heimatkirc­he könnte ein bisschen Pep gebrauchen und „verschöner­te“sie mit gut deckender Industrief­arbe. Die mittelalte­rliche Skulptur verwandelt­e sich so in knallige Popkunst. Immerhin war der Gelegenhei­tskünstler­in der Beifall ihrer Nachbarn sicher.

Nicht nur stümperhaf­te Hobby-restaurato­ren, auch kreative Wachleute in Museen können für die Kunst zur Gefahr werden. So geschehen im russischen Jekaterinb­urg. Bei dem Avantgarde­gemälde „Drei Figuren“von Anna Leporskaya missfielen einem Wachmann offenbar die leeren Gesichter

der Figuren, die er für harmlose Kinderzeic­hnungen hielt. Schnell malte er mit einem Kugelschre­iber glotzende Augen hinein, geschätzte­r Gesamtscha­den seiner Spontanakt­ion: 900.000 Euro.

Zu Bedrohunge­n unkonventi­oneller Kunst gehören Putzkräfte oder Hausmeiste­r, dieihrenjo­bernstnehm­enund die von ihnen verkannten Kunstwerke gewissenha­ft als Müll entsorgen. Eines der bekanntest­en Opfer solcher Putzaktion­en ist Joseph Beuys, dessen Fettecke 1986 in einem Mülleimer der Düsseldorf­er Kunstakade­mie landete. Ein weiteres seiner Kunstwerke, eine mit Mullbinden, Pflastern und Fett übersäte Badewanne, wurde bei einer kleinen Spd-feier blank geschrubbt und als Behältnis zum Gläserspül­en entfremdet.

Der Aufräumwut fiel 2015 auch eine Installati­on zweier

Künstlerin­nen in Bozen zum Opfer. Leere Champagner­flaschen, Konfetti und zerrissene Girlanden auf dem Boden sollten grenzenlos­en Konsumraus­ch und wilde Finanzpart­ys symbolisie­ren. Doch ein Ordner interpreti­erte sie ganz trivial als Reste eines tatsächlic­h stattgefun­denen Gelages und entsorgte sie umgehend.

Unachtsame Reinigungs­kräfte brachten im Ägyptische­n Museum in Kairo Pharao Tutanchamu­n unfreiwill­ig um seinen kostbaren Bart, als sie gegen die Vitrine mit seiner Totenmaske stießen.

Mehrfach haben auch schon stolpernde Besucher für einen Scherbenha­ufen gesorgt. So zersprange­n 2006 in einem Museum in Cambridge drei wertvolle chinesisch­e Vasen der Qing-dynastie in Hunderte Einzelteil­e, als ein Besucher über seine offenen Schnürsenk­el stolperte. Die Vasen standen ungesicher­t auf einem Fensterbre­tt neben der Treppe.

Auch eine gefährlich­e Nachbarsch­aft kann Kunstwerke ruinieren. In einem niederländ­ischen Privathaus wurde ein Gemälde des italienisc­hen Künstlers Giorgio de Chirico durch eine fehlgeleit­ete Abrissbirn­e zerstört, die eigentlich einem benachbart­en Bankgebäud­e galt, aber stattdesse­n durch die Zimmerwand des Sammlers brach.

Ebenso verpeilt war eine Autofahrer­in in Florida, die mitihremro­lls-royceüberd­as Nachbargru­ndstück bretterte und dabei mal eben so eine drei Millionen teure Skulptur von Damien Hirst zerstörte. Doch wie so manch anderer Künstler nahm dieser die unfreiwill­ige Vernichtun­g seines Werks gelassen. Mit typisch britischer Coolness sprach er gar von „First world problems“.

Cora Wucherer: Das war Kunst, jetzt ist es weg. Misslungen­e Restaurier­ungen und andere kuriose Kunstunfäl­le, Dumont Verlag, Köln, 112 Seiten, 18 Euro

 ?? Foto: dpa ?? Cecilia Giménez (81) ärgerte sich über das Fresko „Ecce homo“, das in der Einsiedler­kirche ihres Ortes vor sich hin bröckelte. Kurzerhand griff die selbst ernannte Restaurato­rin zum Pinsel und verwandelt­e den dornengekr­önten leidenden Jesus in eine Art Äffchen. Andrew Flack verwandelt­e die Geschichte in eine Oper.
Foto: dpa Cecilia Giménez (81) ärgerte sich über das Fresko „Ecce homo“, das in der Einsiedler­kirche ihres Ortes vor sich hin bröckelte. Kurzerhand griff die selbst ernannte Restaurato­rin zum Pinsel und verwandelt­e den dornengekr­önten leidenden Jesus in eine Art Äffchen. Andrew Flack verwandelt­e die Geschichte in eine Oper.
 ?? Foto: dpa ?? Spuren der zerstörten Fettecke3 von Joseph Beuys sind in einem ehemaligen Atelierrau­m des Künstlers zu sehen.
Foto: dpa Spuren der zerstörten Fettecke3 von Joseph Beuys sind in einem ehemaligen Atelierrau­m des Künstlers zu sehen.
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