Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier
Im Pflegeheim zur Doktorarbeit
Klaus-dieter Möller sitzt im Rollstuhl und ist auf Hilfe angewiesen, schreibt aber derzeit an seiner Promotion. Er sei schon immer eine Kämpfernatur gewesen. Aufgeben sei daher keine Option.
Kreis Minden-lübbecke. Zwei Schicksalsschläge haben ihn getroffen, aber Klaus-dieter Möller (69) lässt sich nicht unterkriegen. Vor knapp 20 Jahren musste er wegen einer inkompletten Querschnittlähmung operiert werden, im Herbst 2022 kam es zu einem Nierenversagen. Der Mindener, der zuletzt in Todtenhausen gelebt hat, wurde zum Pflegefall.
Aufgeben ist keine Option. „Ich war schon immer eine Kämpfernatur“, sagt Klausdieter Möller. Heute lebt der Redakteur im Alten- und Pflegeheim Kruse in Friedewalde – wo er an seiner Doktorarbeit zum Thema Mediensoziologie schreibt. „Für eine anständige Promotion braucht man sieben Jahre“, rechnet Möller vor. „Ich hoffe, dass mein Körper mitspielt.“Sein Geist ist hellwach.
Hinter dem 69-Jährigen liegt ein bewegtes Arbeitsleben. Gelernt hat Klaus-dieter Möller einmal Groß- und Außenhandelskaufmann. Danach folgte ein Studium, das er 1983 als Diplom-sozialwirt abschloss. Um sich das Studium zu finanzieren, hat Möller
unter anderem „Kulissen getragen für die Tagesschau“und auch den damaligen Nachrichtensprecher Karl-heinz Köpcke kennengelernt. Seit einem Volontariat bei einer ostwestfälischen Tageszeitung, absolviert von 1991 bis 1993, ist er außerdem ausgebildeter Redakteur.
„Das Schreiben und der Umgang mit Menschen haben mich immer interessiert“, blickt der Mindener zurück. Möller hat als freier Journalist für die „Neue Westfälische“, das „Westfalen-blatt“und als Regionalkorrespondent des WDR gearbeitet. Er war Chefredakteur von TV Kinder und der Jugendzeitschrift „Fantastic“sowie stellvertretender Chefredakteur bei „Motorroller“, Pressesprecher einer Recyclingbörse und zuletzt Redaktionsleiter einer Anzeigenzeitung in Aurich. Dann wurde er Frührentner. Von Verbitterung über das eigene Schicksal ist bei ihm nichts zu
Klaus-dieter Möller ist überzeugt: Die Zeitung wird bleiben. spüren. „Mein Kopf muss immer etwas zu tun haben, und das Gehirn arbeitet noch recht gut“, sagt Möller. Sein nächstes Ziel ist die Promotion, 30 Seiten sind bereits fertig, 150 bis180solleneswerden.dr.habil. heißt der akademische Grad, den er anstrebt. „Ich verhandele mit drei Universitäten“, berichtet der Doktorand. Außer einer wissenschaftlichen Hochschule, an der er den Doktorgrad erlangen kann, braucht Möller auch zwei Gutachter. „Ein Doktorvater hat bereits zugesagt“, berichtet er. Das wäre der Erstgutachter.
In seinem Zimmer im Altenund Pflegeheim Kruse sieht es nach Arbeit aus. Der Schreibtisch liegt voll mit Unterlagen und Papier. „Ich lese jeden Tag allein acht bis zehn Zeitungen und arbeite vier bis fünf Stunden“, erzählt Möller. Dann fällt das Sitzen schwer. Ab und zu fährt er in den Innenhof und gönnt sich eine Zigarette.
Seit der inkompletten Querschnittlähmung, bei der nur bestimmte Nervenbahnen des Rückenmarks betroffen sind, ist Möller auf den Rollstuhl angewiesen, seine linke Körperhälfte teilweise gelähmt.
Bei Kruse fühlt er sich wohl. „Die Mitarbeiter sind freundlich und zuvorkommend, und nach einem halben Jahr habe ich ein Einzelzimmer bekommen“, freut sich Möller. „Für die Arbeit finde ich hier die Ruhe, die ich brauche.“
In seiner Doktorarbeit, an der er seit etwa einem halben Jahr schreibe, gehe es hauptsächlich um „das Ende der Printausgaben von Tageszeitungen“, so Möller.
Der Doktorand glaubt nicht, dass es 2035 auf Papier nur noch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“(FAZ) geben wird, nachdem der „Spiegel“bereits ein Jahr vorher die Segel gestrichen hat, wie es laut Möller einige Experten voraussagen.
„An das Ende der gedruckten Tageszeitungen auf breiter Front glaube ich nicht“, sagt er. „Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass die Tageszeitung das Medium ist, das trotz des Internets auch künftig einen Platz am Frühstückstisch haben wird. Außerdem ist sie wichtig für den Erhalt der Demokratie. Jede Ausgabe hat ja mehrere Leser, weil sich mehrere Familienangehörige und häufig auch Nachbarn eine Tageszeitung teilen.“