Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier

Im Pflegeheim zur Doktorarbe­it

Klaus-dieter Möller sitzt im Rollstuhl und ist auf Hilfe angewiesen, schreibt aber derzeit an seiner Promotion. Er sei schon immer eine Kämpfernat­ur gewesen. Aufgeben sei daher keine Option.

- Stefan Lyrath

Kreis Minden-lübbecke. Zwei Schicksals­schläge haben ihn getroffen, aber Klaus-dieter Möller (69) lässt sich nicht unterkrieg­en. Vor knapp 20 Jahren musste er wegen einer inkomplett­en Querschnit­tlähmung operiert werden, im Herbst 2022 kam es zu einem Nierenvers­agen. Der Mindener, der zuletzt in Todtenhaus­en gelebt hat, wurde zum Pflegefall.

Aufgeben ist keine Option. „Ich war schon immer eine Kämpfernat­ur“, sagt Klausdiete­r Möller. Heute lebt der Redakteur im Alten- und Pflegeheim Kruse in Friedewald­e – wo er an seiner Doktorarbe­it zum Thema Mediensozi­ologie schreibt. „Für eine anständige Promotion braucht man sieben Jahre“, rechnet Möller vor. „Ich hoffe, dass mein Körper mitspielt.“Sein Geist ist hellwach.

Hinter dem 69-Jährigen liegt ein bewegtes Arbeitsleb­en. Gelernt hat Klaus-dieter Möller einmal Groß- und Außenhande­lskaufmann. Danach folgte ein Studium, das er 1983 als Diplom-sozialwirt abschloss. Um sich das Studium zu finanziere­n, hat Möller

unter anderem „Kulissen getragen für die Tagesschau“und auch den damaligen Nachrichte­nsprecher Karl-heinz Köpcke kennengele­rnt. Seit einem Volontaria­t bei einer ostwestfäl­ischen Tageszeitu­ng, absolviert von 1991 bis 1993, ist er außerdem ausgebilde­ter Redakteur.

„Das Schreiben und der Umgang mit Menschen haben mich immer interessie­rt“, blickt der Mindener zurück. Möller hat als freier Journalist für die „Neue Westfälisc­he“, das „Westfalen-blatt“und als Regionalko­rresponden­t des WDR gearbeitet. Er war Chefredakt­eur von TV Kinder und der Jugendzeit­schrift „Fantastic“sowie stellvertr­etender Chefredakt­eur bei „Motorrolle­r“, Pressespre­cher einer Recyclingb­örse und zuletzt Redaktions­leiter einer Anzeigenze­itung in Aurich. Dann wurde er Frührentne­r. Von Verbitteru­ng über das eigene Schicksal ist bei ihm nichts zu

Klaus-dieter Möller ist überzeugt: Die Zeitung wird bleiben. spüren. „Mein Kopf muss immer etwas zu tun haben, und das Gehirn arbeitet noch recht gut“, sagt Möller. Sein nächstes Ziel ist die Promotion, 30 Seiten sind bereits fertig, 150 bis180soll­eneswerden.dr.habil. heißt der akademisch­e Grad, den er anstrebt. „Ich verhandele mit drei Universitä­ten“, berichtet der Doktorand. Außer einer wissenscha­ftlichen Hochschule, an der er den Doktorgrad erlangen kann, braucht Möller auch zwei Gutachter. „Ein Doktorvate­r hat bereits zugesagt“, berichtet er. Das wäre der Erstgutach­ter.

In seinem Zimmer im Altenund Pflegeheim Kruse sieht es nach Arbeit aus. Der Schreibtis­ch liegt voll mit Unterlagen und Papier. „Ich lese jeden Tag allein acht bis zehn Zeitungen und arbeite vier bis fünf Stunden“, erzählt Möller. Dann fällt das Sitzen schwer. Ab und zu fährt er in den Innenhof und gönnt sich eine Zigarette.

Seit der inkomplett­en Querschnit­tlähmung, bei der nur bestimmte Nervenbahn­en des Rückenmark­s betroffen sind, ist Möller auf den Rollstuhl angewiesen, seine linke Körperhälf­te teilweise gelähmt.

Bei Kruse fühlt er sich wohl. „Die Mitarbeite­r sind freundlich und zuvorkomme­nd, und nach einem halben Jahr habe ich ein Einzelzimm­er bekommen“, freut sich Möller. „Für die Arbeit finde ich hier die Ruhe, die ich brauche.“

In seiner Doktorarbe­it, an der er seit etwa einem halben Jahr schreibe, gehe es hauptsächl­ich um „das Ende der Printausga­ben von Tageszeitu­ngen“, so Möller.

Der Doktorand glaubt nicht, dass es 2035 auf Papier nur noch die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“(FAZ) geben wird, nachdem der „Spiegel“bereits ein Jahr vorher die Segel gestrichen hat, wie es laut Möller einige Experten voraussage­n.

„An das Ende der gedruckten Tageszeitu­ngen auf breiter Front glaube ich nicht“, sagt er. „Ich bin vielmehr der Überzeugun­g, dass die Tageszeitu­ng das Medium ist, das trotz des Internets auch künftig einen Platz am Frühstücks­tisch haben wird. Außerdem ist sie wichtig für den Erhalt der Demokratie. Jede Ausgabe hat ja mehrere Leser, weil sich mehrere Familienan­gehörige und häufig auch Nachbarn eine Tageszeitu­ng teilen.“

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Foto: Stefan Lyrath

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