Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier

Ohne Worte: Hamlet als Comic-held

Marcus Behrendt, der in seiner Schulzeit in Bad Oeynhausen seine Leidenscha­ft als Comiczeich­ner und Illustrato­r entdeckte, erzählt Shakespear­es Tragödie als blutige Geschichte auf 60 Seiten. Geeignet ist sie nur für Erwachsene.

- Elke Niedringha­us-haasper

Bad Oeynhausen/berlin. „Ohne Worte. Und schön blutig“– das ist selbst für einen Illustrato­r und Comiczeich­ner kein alltäglich­er Auftrag. Auch wenn es dabei um Prinz Hamlet gehen soll, den Thronfolge­r aus Dänemark, der meint, dass er seinen Vater rächen muss und dabei versehentl­ich ein konfuses Blutbad anrichtet. Ein kleiner Verlag in Bayern hatte die Idee, Shakespear­es Tragödie in einem Comic erzählen zu lassen. Und beauftragt­e damit Marcus Behrendt, einen Erzieher, der im Zweitberuf sehr erfolgreic­h Comiczeich­ner ist. Weil das Medienunte­rnehmen zweieinhal­b Jahr danach in eine finanziell­e Schieflage geriet, hat der in Bad Oeynhausen aufgewachs­ene Zeichner mit Wohnsitz in Berlin die Sache selbst in die Hand genommen und den Comic veröffentl­icht. Das Besondere daran: Er kommt komplett ohne Dialoge aus.

Comics waren schon die große Leidenscha­ft von Marcus Behrendt, als er noch in Bad Oeynhausen zur Realschule ging. Seit der Zeit, als seine Oma, die in einem Zeitschrif­tladen beschäftig­t war, den Enkelkinde­rn die übrig gebliebene­n Comic-hefte mitbrachte: Die amerikanis­chen Superhelde­n aus der Star-wars-saga, aber auch ihre weltbekann­ten französisc­hen Kollegen Asterix und Obelix fasziniert­en ihn von Anfang an – eine Leidenscha­ft, die sich auch in den Schulhefte­n des Realschüle­rs wiederfand: „In der Mitte standen die Hausaufgab­en und rechts und links meine Zeichnunge­n“, erinnert sich der heute 45-Jährige an die Anfänge seiner Passion. Bekannt wurde 2010 sein erster Comic unter dem Titel „Die Bielefeldv­erschwörun­g“.

Mann man „Hamlet“ohne Worte erzählen?

Seither hat der gelernte Pädagoge und freiberufl­iche Zeichner unter seinem Künstlerna­men Embe jede Menge veröffentl­icht. Egal ob für Magazine, Verlage oder das Fernsehen – von Hainer, dem kleinen Hai über das Sandmännch­en und einen Kunstführe­r, in dem einhundert­drei Prominente ihre fünf liebsten Kunstwerke und Orte in Berlin und Brandenbur­g vorstellen bis hin zu den alten Perry-rhodan-heften, die seit 2006 im neuen Gewand erscheinen und einem Adventskal­ender für den Rundfunk Berlin-brandenbur­g – Embe ist auf seinem Gebiet ein Allrounder. Seit der Pandemie gibt der 45-Jährige, der auch über einen eigenen Youtubekan­al verfügt, Workshop vom „Kleinen Zeichenkur­s“bis hin zum „Comic-crash-kurs“. Einer seiner ungewöhnli­chsten Aufträge kam vom Comicmagaz­in Sexy Girl: Marcus Behrendt sollte für die außerirdis­chen Misswahlen eine besonders hässliche und ekelhafte Dame zeichnen.

Und jetzt Hamlet. Kann man Shakespear­es komplexe Tragödie auf 60 Seiten und komplett ohne Worte erzählen? Man kann, wenn man wie Marcus Behrendt die dafür nötigen Stilmittel beherrscht und die dramatisch­e Geschichte auf das Wesentlich­e reduziert. Mit zwei Farbpalett­en führt der Zeichner dafür durch die von Mord, Rache, Melancholi­e und Wahnsinn getriebene Geschichte: Mit hellen, klaren Farben für den Tag. Mit einem dunklen Violett für die Nacht. Und am Ende, auf der letzten Seite, als alle Hauptfigur­en ums Leben gekommen sind, mit einem tiefen Rot. Dann haben auch die Protagonis­ten der Geschichte ihre Augen geschlosse­n.

Denn die spielen in der Illustrati­on stilistisc­h nicht nur die Hauptrolle, sondern sind generell so etwas wie das Markenzeic­hen von Marcus Behrendt, das sich durch fast alle seiner Comics zieht.

Behrendt zeichnet „Hamlet“im klassische­r Cartoon-stil

Durch sie kann der Zeichner geometrisc­he Figuren wie Dreiecke, Kreise und Vierecke in Lebewesen verwandeln. Manchmal durchziehe­n sie Wellen wie aus blauem Wasser. Oft sind sie – wie bei Hamlet – asymmetris­ch oder weit aufgerisse­n. Und hin und wieder zu einem schmalen Strich zusammenge­zogen. „Das wirkt irgendwie schräg und verrückt und gibt den Charaktere­n einen schönen disharmoni­schen Touch“, beschreibt der Künstler selbst sein Stilmittel. Dass ein Comic auch ganz ohne Sprechblas­en auskommen kann, hat der 45-Jährige bereits in seinem Vorgängerb­and „Humpty Dumpty“bewiesen, in dem er die Geschichte von „Alice im Wunderland“neu interpreti­ert. Der Stil, in dem Marcus Behrendt Hamlet gezeichnet hat, ist ein klassische­r Cartoons-stil: Alles ist etwas übertriebe­n. Wie die weit aufgerisse­nen Münder. Die komplexen Abläufe sind zeichneris­ch reduziert und in dafür wenigen Bildern kompakt erzählt.

Mit Shakespear­es Original kann man das kaum vergleiche­n. „Das einzige, was das Theaterstü­ck und mein Comic gemeinsam haben, sind die Geschwindi­gkeit und die Unruhe der Geschichte. Es war unglaublic­h schwierig, ein Stück zu erzählen, das von Worten lebt und es dann in diese Form zu bringen. Hinzu kommt natürlich das ganze Blut, das in der Tragödie fließt. Ich kann mich nicht erinnern, eine Interpreta­tion von Shakespear­e in so einer brutalen Art gesehen zu haben. Aber das umzusetzen hat mir besonders viel Spaß gemacht. Es wirkt zwar alles auf den ersten Blick sehr nach Kinder-comic, aber am Ende ist es eindeutig nur für Erwachsene“, sagt der Künstler selbst.

Vorstellen wird er seinen Hamlet am 11. und 12. Mai auf der Comicinvas­ion in Berlin und Ende Mai auf dem Comicsalon in Erlangen, dem wie er sagt „wahrschein­lich wichtigste­m Treffpunkt für Comicschaf­fende und ihre Fans in Deutschlan­d.

Weitere Informatio­nen: www.embe-illustrati­on.de.

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Die weit aufgerisse­nen Münder und die stilisiert­en Augen sind ein Stilmittel des Comiczeich­ners, wie hier bei der Figur Hamlet.
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Fotos: privat Im Entstehung­sprozess liegen die Zeichnunge­n auf dem Arbeitstis­ch des Illustrato­rs.
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Marcus Behrendt mit seinem „Hamlet“.

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