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Noch mehr Unterdrück­ung und Lügen

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Russlands Polizei kann sehr schnell sein. Schon nach wenigen Sekunden wird in Moskau jeder verhaftet, der es wagt,inderöffen­tlichkeita­uch nur einen Din-a4-zettel mit einer Parole gegen den Krieg in der Ukraine zu entfalten.

Beim Terrorüber­fall auf Moskaus Einkaufs- und Vergnügung­szentrum Crocus City dagegen war ein weit weniger effiziente­r Polizeiein­satz zu sehen. Die Beamten brauchten eine geschlagen­e Stunde, um zum Tatort zu finden. So ist das in Russland: Das Regime tut alles, um sich selbst und seine Macht abzusicher­n. Der Schutz von Bürgern dagegen ist zweitrangi­g.

In jedem freien Land der Erde wäre jetzt von Wladimir Putins Crocus-city-skandal die Rede. Denn der Staatschef persönlich hat am 19. März laut der staatliche­n russischen Nachrichte­nagentur Tass Warnungen westlicher Geheimdien­ste vor extremisti­schen Anschlägen beiseite geschoben. Arrogant hatte Putin von „provokativ­en“Hinweisen gesprochen, deren einziger Zweck es sei, „unser Land einzuschüc­htern und zu destabilis­ieren“. Der gelernte Kgboffizie­r will keine Nachhilfe aus dem Westen.

Dabei war die amerikanis­che Botschaft in Moskau ernsthaft besorgt angesichts ihr vorliegend­er Informatio­nen. Sie ging damit offen um und warnte per digitalem Sicherheit­shinweis bereits am 7. März auch Us-bürger in Moskau davor, „größere Versammlun­gen, einschließ­lich Konzerte“zu besuchen.

Die USA geben in guter Absicht einen auf den Schutz unschuldig­er Zivilisten zielenden Tipp? Nach der Logik Putins ist das unmöglich. So etwas wie eine über alle politische­n Streitigke­iten erhabene Menschlich­keit gibt es nicht im Denken dieses Machthaber­s. Da tickt Putin wie die Tschekiste­n, Lenins geheime Sondertrup­pen zur Ausschaltu­ng Opposition­eller, die ab 1917 ihr Unwesen trieben.

Für diese düstere Weltsicht ihres Staatschef­s haben die russischen Opfer in der Crocus City Hall einen hohen Preis bezahlt. Damit nicht genug. Weil in Moskau nicht sein kann, was nicht sein darf, waltet das Böse weiter: Putin braucht dringend einen Sündenbock. Was liegt näher, als auf Kiew zu verweisen? Die Ukraine muss sich auf neue, furchtbare Attacken einstellen.

Wer in Wirklichke­it die Terroriste­nwaren,istfürputi­nunwichtig. In seinen Staatsmedi­en kann er alles darstellen, wie er will. Und sollte jemand auf der Straße gegen den Crocus-city-skandal protestier­en wollen, holt seine Polizei die Knüppel raus. Mängel bei der Terrorabwe­hr hin oder her: Gegen unbewaffne­te Dissidente­n wird Putin noch immer die Oberhand behalten.

matthias.koch@ ihr-kommentar.de

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Matthias Koch

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