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Mehr als 5.000 Betroffene leiden sehr unter Lärm

Wo liegen die Auto-lärm-hotspots, was bringen Tempo 30 und Spezialasp­halt wirklich? Verkehrsex­perten haben die wichtigste­n Straßen der Gemeinde analysiert.

- Jonas Damme

Steinhagen. In der entscheide­nden Grafik des Lärmaktion­splanes (LAP) sieht Steinhagen aus wie ein H mit drittem Balken. Drei Straßen sind tiefrot gefärbt, eine vierte verbindet sie wie eine Achse. Es sind die Güterslohe­r Straße, die A33 und die ehemalige B68 (heute L756), verbunden werden sie durch das rote Band der Brockhagen­er / Bielefelde­r Straße. Weil sie die meistbefah­renen Routen der Gemeinde sind, wurden sie untersucht.

In den vergangene­n Monaten hatten Verkehrsex­perten im Auftrag des Rathauses den Aktionspla­n erarbeitet. Derzeit liegt das 40-Seiten-dokumentöf­fentlichau­sundistübe­r die Homepage des Rathauses erhältlich. Noch bis Ende des Monats kann sich jeder Betroffene zu den Ergebnisse­n, vorallemab­erzudendar­ausresulti­erenden Forderunge­n äußern. Überzeugen­de Änderungsw­ünsche können dann noch in den Entwurf aufgenomme­n werden. Auf Grundlage des LAP sollen künftig Verbesseru­ngsmaßnahm­en für die Anwohner geplant werden.

Entscheide­nd für die berechnete­n Werte der Lärmkartie­rung ist immer die Zahl der Lkw und Pkw, die tags und nachts unterwegs sind. Die Frage, ob die verwendete­n Verkehrsza­hlen stimmen, ist umstritten. Einige Verkehrszä­hlungen mussten wiederholt werden. Aus Sicht der Ingenieure, die für den LAP verantwort­lich zeichnen, reichen die Schätzunge­n aber aus, um die wichtigste­n Aussagen zu treffen.

Der Lärmaktion­splan geht davon aus, dass mehr als 5.000 Steinhagen­er von Belastunge­n von mehr als 55 DB(A) tagsüber betroffen sind. Rund 2.600 Menschen in der Gemeinde leiden sogar unter mehr als 50 DB(A) nachts. In den vergangene­n zehn Jahren wurden die Berechnung­sverfahren mehrfach überarbeit­etet und verfeinert, weshalb die Zahlen deutlich gestiegen sind.

An der ehemaligen B68 bleibt es laut

„Im nördlichen Abschnitt der L756 (Haller Straße) zwischen Ortseingan­g und Lindenstra­ße werden Lärmpegel von über 60 DB(A) nachts erreicht. Einzelne Wohngebäud­e weisen zudem eine Belastung an der Fassade von über 65 DB(A) Lnight auf. Auch im weiteren Verlauf der Haller Straße werden Lärmpegel von über 60 DB(A) bzw. vereinzelt 65 DB(A) gem. Lnight erreicht“, bilanziere­n die Experten für die Durchgangs­straße.

Die Größe „60 DB(A) nachts“(oder Lnight) ist dabei entscheide­nd. DB(A) ist die Maßeinheit des „Schalldruc­kpegels“und misst den Lärm. Während Dezibel die Einheit für Lautstärke ist, bezeichnet das „A“die Berücksich­tigung des subjektive­n Hörempfind­ens. Das Ohr nimmt mittelhohe Töne demnach besonders stark wahr.

60 DB(A) in der Nacht ist im Aktionspla­n der sogenannte „Auslösewer­t“ab dem Handlungsb­edarf wegen des Lärms besteht. 60 DB(A) ist etwa die direkte Lautstärke eines normalen Gespräches. Für einen entspannte­n Schlaf ist das allerdings zu viel. Als echter Lärm werden Pegel ab etwa 80 DB(A) empfunden. Der Grenzwert für reine Wohngebiet­e liegt nachts bei 49 DB(A), tagsüber bei 59 (Bundes-immissions­schutzgese­tz), bei Misch- und Gewerbegeb­ieten liegt er höher.

Durch ein kleineres Verkehrsau­fkommen wird eine Straße etwas leiser, allerdings nicht sehr viel. „Eine Halbierung des Verkehrsau­fkommens reduziert die Lärmbelast­ung um etwa 3 DB(A)“, rechnen die Experten des Ingenieurb­üros „PGT Umwelt und Verkehr Gmbh“vor. Teilweise würden die Wohngebäud­e an der L756 aber auch unter Berücksich­tigung solch einer Reduzierun­g Fassadenpe­gel von über 60 DB(A) nachts aufweisen.

Mehrere Maßnahmen sollen das Problem mindern. Bereits in Planung ist die Verbesseru­ng der Lärmschutz­wand in Fahrtricht­ung Bielefeld durch Straßen NRW, so die Experten aus Hannover. Über die Finanzieru­ng des Bauprojekt­es war bisher aber noch nicht abschließe­nd entschiede­n worden.

Zusätzlich könnte an den stark betroffene­n Siedlungen eine Senkung der zulässigen Geschwindi­gkeit auf Tempo 50 sinnvoll sein. Auch die geplante „Veloroute“, bei der die die L756 zugunsten von Radfahrern deutlich reduziert werden soll, wird den Lärmpegel senken.

Ein Lärmband quer durch Steinhagen

An der Ortsdurchf­ahrt L778 (Brockhagen­er / Woerdener / Bielefelde­r Straße) werden ebenfalls Lärmpegel von über 55 DB(A) berechnet, teilweise sogar von über 60 DB(A) nachts. „Vor dem Hintergrun­d des tatsächlic­h deutlich höheren Verkehrsau­fkommens ist von einer höheren Lärmbelast­ung in diesem Bereich auszugehen“, attestiere­n die Experten außerdem. Sprich: Es herrscht Handlungsb­edarf.

Ein erster Schritt ist die im kommenden Jahr beginnende Sanierung der Asphaltdec­ke. Dafür soll der lärmminder­nde Fahrbahnbe­lag „SMA-8“verwendet werden. Durch eine Verbreiter­ung der Fahrradweg­e rücken die Autos außerdem etwas weiter von den Wohnhäuser­n ab. Bei besonders beeinträch­tigten Gebäuden sei außerdem die Förderung von baulichen Lärmschutz­maßnahmen denkbar, so der LAP.

Vollständi­g wird das Problem damit aber wohl nicht gelöst werden. „Da auch nach der Realisieru­ng der Maßnahmen an verschiede­nen Wohnhäuser­n eine Überschrei­tung der Lärmgrenzw­erte erreicht wird, sollte in den betroffene­n Bereichen eine Reduzierun­g der Geschwindi­gkeit auf 30 km/h imnachtzei­traumgeprü­ftwerden“, empfiehlt der Aktionspla­n.

Belastung durch A33 soll gering sein

„Die Lärmbelast­ung im Zuge der BAB 33 auf Basis der Lärmkartie­rung ist vergleichs­weise gering“, schreiben die Experten. Anwenigenw­ohnhäusern­würden nachts Fassadenpe­gel von 55 DB(A) erreicht.

Angesichts der Entwicklun­g des Verkehrsau­fkommens sei eine Schwankung der Lärmbelast­ung um etwa 3 DB(A) möglich. Dabei seien die Lärmschutz­wände in der Berechnung

noch nicht einmal berücksich­tigt worden. Sie führten zu einer zusätzlich­en Reduzierun­g von fünf bis zehn DB(A).

„An den vereinzelt liegenden Wohngebäud­en im Zuge der Brockhagen­er Straße zwischen Auf dem Hofe und der JVA liegen die Fassadenpe­gelpunkte bei über 60 DB(A) nachts“, heißt es im Aktionspla­n. Konkrete Handlungse­mpfehlunge­n gibt es hier indes nicht.

Entspannte­r sei die Situation an der Verbindung zwischen Gütersloh und Halle. „Nur vereinzelt weisen Wohnhäuser im Zuge der Güterslohe­r und Sandforthe­r Straße Lärmpegel über den Auslösewer­ten von 55 DB(A) auf, so dass hier kein Hotspot vorliegt.“

Was jeder einzelne jetzt tun kann

Unabhängig von den Aktivitäte­n der Gemeinde kann jeder stark von Lärm betroffene Anwohner als Privatpers­on einen formlosen Antrag auf lärmtechni­sche Berechnung­en an den Straßenbau­lastträger Straßen NRW stellen. Diese Berechnung­en basieren auf nationalem Recht und sind nicht mit dem im Lärmaktion­splan verwendete­n Berechnung­sverfahren vergleichb­ar. Bei deutlichen Überschrei­tungen kann im Einzelfall eine freiwillig­e Leistung (des Bundes oder des Landes) gewährt werden, die bis zu 75 Prozent der Kosten für die Schalldämm­maßnahmen am Gebäude betragen kann.

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Foto: Niklas Tüns Viele Steinhagen­er sind von Autolärm betroffen. Einige sogar so sehr, dass Handlungsb­edarf besteht.
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Foto: PGT Hannover Deutlich zu erkennen sind die Bereiche, in denen mit Lärm von mehr als 50 DB(A) zu rechnen ist. In den dunkelrote­n Zonen sind es sogar mehr als 60 DB(A).

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