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Mehr als 5.000 Betroffene leiden sehr unter Lärm
Wo liegen die Auto-lärm-hotspots, was bringen Tempo 30 und Spezialasphalt wirklich? Verkehrsexperten haben die wichtigsten Straßen der Gemeinde analysiert.
Steinhagen. In der entscheidenden Grafik des Lärmaktionsplanes (LAP) sieht Steinhagen aus wie ein H mit drittem Balken. Drei Straßen sind tiefrot gefärbt, eine vierte verbindet sie wie eine Achse. Es sind die Gütersloher Straße, die A33 und die ehemalige B68 (heute L756), verbunden werden sie durch das rote Band der Brockhagener / Bielefelder Straße. Weil sie die meistbefahrenen Routen der Gemeinde sind, wurden sie untersucht.
In den vergangenen Monaten hatten Verkehrsexperten im Auftrag des Rathauses den Aktionsplan erarbeitet. Derzeit liegt das 40-Seiten-dokumentöffentlichausundistüber die Homepage des Rathauses erhältlich. Noch bis Ende des Monats kann sich jeder Betroffene zu den Ergebnissen, vorallemaberzudendarausresultierenden Forderungen äußern. Überzeugende Änderungswünsche können dann noch in den Entwurf aufgenommen werden. Auf Grundlage des LAP sollen künftig Verbesserungsmaßnahmen für die Anwohner geplant werden.
Entscheidend für die berechneten Werte der Lärmkartierung ist immer die Zahl der Lkw und Pkw, die tags und nachts unterwegs sind. Die Frage, ob die verwendeten Verkehrszahlen stimmen, ist umstritten. Einige Verkehrszählungen mussten wiederholt werden. Aus Sicht der Ingenieure, die für den LAP verantwortlich zeichnen, reichen die Schätzungen aber aus, um die wichtigsten Aussagen zu treffen.
Der Lärmaktionsplan geht davon aus, dass mehr als 5.000 Steinhagener von Belastungen von mehr als 55 DB(A) tagsüber betroffen sind. Rund 2.600 Menschen in der Gemeinde leiden sogar unter mehr als 50 DB(A) nachts. In den vergangenen zehn Jahren wurden die Berechnungsverfahren mehrfach überarbeitetet und verfeinert, weshalb die Zahlen deutlich gestiegen sind.
An der ehemaligen B68 bleibt es laut
„Im nördlichen Abschnitt der L756 (Haller Straße) zwischen Ortseingang und Lindenstraße werden Lärmpegel von über 60 DB(A) nachts erreicht. Einzelne Wohngebäude weisen zudem eine Belastung an der Fassade von über 65 DB(A) Lnight auf. Auch im weiteren Verlauf der Haller Straße werden Lärmpegel von über 60 DB(A) bzw. vereinzelt 65 DB(A) gem. Lnight erreicht“, bilanzieren die Experten für die Durchgangsstraße.
Die Größe „60 DB(A) nachts“(oder Lnight) ist dabei entscheidend. DB(A) ist die Maßeinheit des „Schalldruckpegels“und misst den Lärm. Während Dezibel die Einheit für Lautstärke ist, bezeichnet das „A“die Berücksichtigung des subjektiven Hörempfindens. Das Ohr nimmt mittelhohe Töne demnach besonders stark wahr.
60 DB(A) in der Nacht ist im Aktionsplan der sogenannte „Auslösewert“ab dem Handlungsbedarf wegen des Lärms besteht. 60 DB(A) ist etwa die direkte Lautstärke eines normalen Gespräches. Für einen entspannten Schlaf ist das allerdings zu viel. Als echter Lärm werden Pegel ab etwa 80 DB(A) empfunden. Der Grenzwert für reine Wohngebiete liegt nachts bei 49 DB(A), tagsüber bei 59 (Bundes-immissionsschutzgesetz), bei Misch- und Gewerbegebieten liegt er höher.
Durch ein kleineres Verkehrsaufkommen wird eine Straße etwas leiser, allerdings nicht sehr viel. „Eine Halbierung des Verkehrsaufkommens reduziert die Lärmbelastung um etwa 3 DB(A)“, rechnen die Experten des Ingenieurbüros „PGT Umwelt und Verkehr Gmbh“vor. Teilweise würden die Wohngebäude an der L756 aber auch unter Berücksichtigung solch einer Reduzierung Fassadenpegel von über 60 DB(A) nachts aufweisen.
Mehrere Maßnahmen sollen das Problem mindern. Bereits in Planung ist die Verbesserung der Lärmschutzwand in Fahrtrichtung Bielefeld durch Straßen NRW, so die Experten aus Hannover. Über die Finanzierung des Bauprojektes war bisher aber noch nicht abschließend entschieden worden.
Zusätzlich könnte an den stark betroffenen Siedlungen eine Senkung der zulässigen Geschwindigkeit auf Tempo 50 sinnvoll sein. Auch die geplante „Veloroute“, bei der die die L756 zugunsten von Radfahrern deutlich reduziert werden soll, wird den Lärmpegel senken.
Ein Lärmband quer durch Steinhagen
An der Ortsdurchfahrt L778 (Brockhagener / Woerdener / Bielefelder Straße) werden ebenfalls Lärmpegel von über 55 DB(A) berechnet, teilweise sogar von über 60 DB(A) nachts. „Vor dem Hintergrund des tatsächlich deutlich höheren Verkehrsaufkommens ist von einer höheren Lärmbelastung in diesem Bereich auszugehen“, attestieren die Experten außerdem. Sprich: Es herrscht Handlungsbedarf.
Ein erster Schritt ist die im kommenden Jahr beginnende Sanierung der Asphaltdecke. Dafür soll der lärmmindernde Fahrbahnbelag „SMA-8“verwendet werden. Durch eine Verbreiterung der Fahrradwege rücken die Autos außerdem etwas weiter von den Wohnhäusern ab. Bei besonders beeinträchtigten Gebäuden sei außerdem die Förderung von baulichen Lärmschutzmaßnahmen denkbar, so der LAP.
Vollständig wird das Problem damit aber wohl nicht gelöst werden. „Da auch nach der Realisierung der Maßnahmen an verschiedenen Wohnhäusern eine Überschreitung der Lärmgrenzwerte erreicht wird, sollte in den betroffenen Bereichen eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h imnachtzeitraumgeprüftwerden“, empfiehlt der Aktionsplan.
Belastung durch A33 soll gering sein
„Die Lärmbelastung im Zuge der BAB 33 auf Basis der Lärmkartierung ist vergleichsweise gering“, schreiben die Experten. Anwenigenwohnhäusernwürden nachts Fassadenpegel von 55 DB(A) erreicht.
Angesichts der Entwicklung des Verkehrsaufkommens sei eine Schwankung der Lärmbelastung um etwa 3 DB(A) möglich. Dabei seien die Lärmschutzwände in der Berechnung
noch nicht einmal berücksichtigt worden. Sie führten zu einer zusätzlichen Reduzierung von fünf bis zehn DB(A).
„An den vereinzelt liegenden Wohngebäuden im Zuge der Brockhagener Straße zwischen Auf dem Hofe und der JVA liegen die Fassadenpegelpunkte bei über 60 DB(A) nachts“, heißt es im Aktionsplan. Konkrete Handlungsempfehlungen gibt es hier indes nicht.
Entspannter sei die Situation an der Verbindung zwischen Gütersloh und Halle. „Nur vereinzelt weisen Wohnhäuser im Zuge der Gütersloher und Sandforther Straße Lärmpegel über den Auslösewerten von 55 DB(A) auf, so dass hier kein Hotspot vorliegt.“
Was jeder einzelne jetzt tun kann
Unabhängig von den Aktivitäten der Gemeinde kann jeder stark von Lärm betroffene Anwohner als Privatperson einen formlosen Antrag auf lärmtechnische Berechnungen an den Straßenbaulastträger Straßen NRW stellen. Diese Berechnungen basieren auf nationalem Recht und sind nicht mit dem im Lärmaktionsplan verwendeten Berechnungsverfahren vergleichbar. Bei deutlichen Überschreitungen kann im Einzelfall eine freiwillige Leistung (des Bundes oder des Landes) gewährt werden, die bis zu 75 Prozent der Kosten für die Schalldämmmaßnahmen am Gebäude betragen kann.