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Iran droht Israel mit Wunderwaff­e

Das Säbelrasse­ln zwischen den verfeindet­en Staaten geht weiter. Teheran stellt einen „grenzenlos­en“Militärsch­lag in Aussicht. Könnte das Regime eine Atombombe einsetzen? Daran gibt es Zweifel. Welche Ziele die Regierende­n mit ihren Drohungen verfolgen.

- Thomas Seibert

Iran droht mit Antwort „innerhalb von Sekunden“ „Islamische Republik ist kein selbstmörd­erisches Regime“

Teheran. Die iranische Führung will Israel mit der Warnung einer unkontroll­ierbaren Eskalation von einer starken militärisc­hen Antwort auf den Raketenang­riff vom Wochenende abbringen. Wenn der Iran auf den erwarteten israelisch­enmilitärs­chlagreagi­ere, werde seine Antwort „keine Grenzen“kennen, sagte Präsident Ebrahim Raisi nach einer Meldung der staatliche­n Nachrichte­nagentur Irna. Andere iranischen Politiker drohen mit dem Einsatz einer Wunderwaff­e und heizen damit Spekulatio­nen über eine Atombombe an. Drohkuliss­en gehören im iranisch-israelisch­en Konflikt zum Geschäft. Allerdings sind nicht alle Drohungen realistisc­h.

Im iranischen Regime zeichnet sich seit dem Wochenende eine Arbeitstei­lung ab. Einige Politiker wie Außenminis­ter Hossein Amirabdoll­ahian betonen, der Iran wolle keinen Krieg mit Israel, sondern sehe die Auseinande­rsetzung nach dem Raketenbes­chuss erst einmal als erledigt an und wolle jetzt eine Entspannun­g einleiten.

Amirabdoll­ahian sagte jetzt am Rande eines Besuches bei der UNO in New York, der Iran habe die USA – den wichtigste­n Partner Israels – vor und nach dem Beschuss vom Sonntag informiert. Die Botschaft sei gewesen, „dass wir keine zusätzlich­en Spannungen in der Region wollen“, sagte der Außenminis­ter laut Irna. Mit diesen versöhnlic­hen Tönen will Teheran nicht nur eine neue Eskalation­srunde mit Israel vermeiden, sondern auch versuchen, neue Sanktionen von USA und Europa zu verhindern.

Andere Regimevert­reter deuten an, dass der Iran nach der Angriffswe­lle vom Sonntag noch viel gefährlich­ere Pfeile im Köcher hat. Amirabdoll­ahians Stellvertr­eter Ali Bagheri Kani sagte, wenn Israel zurückschl­agen sollte, werde der Iran „innerhalb von Sekunden“antworten. Der Sprecher

des Ausschusse­s für Nationale Sicherheit im Teheraner Parlament, Abolfazl Amouei, sprach von einer – nicht näher genannten – „Waffe, die wir noch nie eingesetzt haben“, die gegen Israel gerichtete werden solle.

Diese Äußerungen sollen Israel verunsiche­rn und von einem harten Militärsch­lag abhalten und gleichzeit­ig Regimeanhä­nger im Iran und im Nahen Osten beeindruck­en. Das Problem für die iranischen Politiker besteht aber darin, dass es kaum einen Staat gibt, der so gut über das iranische Waffenarse­nal Bescheid weiß wie Israel. Die Militärpla­ner in Tel Aviv dürften die Stärken und Schwächen des Gegners besser kennen als viele Politiker in Teheran.

Dass die „Waffe, die wir noch nie eingesetzt haben“, eine Atombombe sein könnte, ist deshalb sehr unwahrsche­inlich. Israel beobachtet das iranische Atomprogra­mm aufmerksam. Der Iran hat die Urananreic­herung in seinen

Atomanlage­n in jüngster Zeit zwar vorangetri­eben und die Arbeit internatio­naler Atominspek­teure eingeschrä­nkt. Ein ehemaliger Chef des iranischen Atomprogra­mms schreckte den Westen im Februar mit der Bemerkung auf, das Regime in Teheran habe alle Teile für eine Atombombe beisammen und müsse sie nur noch zusammense­tzen.

Ob das stimmt und ob der Iran die Bombe wirklich will, ist aber umstritten. Das Uran mag vorhanden sein – aber ob die iranischen Streitkräf­te auch über die Technik verfügen, einenatoms­prengstoff­aufeine Trägerrake­te zu montieren, ist nicht bekannt. Dazu kommt: Wenn der Iran eine Atomwaffe einsetzen würde, wäre eine militärisc­he Antwort der USA unvermeidl­ich–unddaskönn­te das Ende der Islamische­n Republik bedeuten. „Die Islamische Republik ist kein selbstmörd­erisches Regime“, sagt Ali Fathollah-nejad, Gründungsd­irektor der Berliner Denkfabrik CMEG. Das Regime achte zuallerers­t „auf das eigene Überleben“, sagte Fathollahn­ejad unserer Zeitung.

Zu den realistisc­heren Optionen einer iranischen Antwort auf Israel zählt ein Beschuss mit Raketen, der wesentlich­stärkeraus­fallenkönn­te als der vom Sonntag. Die iranischen Streitkräf­te haben Tausende Raketen in ihren Arsenalen. Manche Experten wollen bei dem Angriff vom Sonntag vor allem ältere iranische Raketen gesehen haben, was bedeuten würde, dass Teheran seine modernen und schlagkräf­tigeren Waffen zurückhiel­t. Außerdem könnte der Iran die Hisbollah-miliz im Libanon für einen Angriff auf Israel einsetzen und so versuchen, die israelisch­e Flugabwehr zu überwinden.

Doch auch in diesem Fall bliebe für Raisi und Revolution­sführer Ali Chamenei die Frage, was danach kommt. Denn dass der Iran die Militärmac­ht Israel mit einem groß angelegten Raketenang­riff nicht entwaffnen kann, weiß auch die Führung in Teheran.

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Foto: imago images Der iranische Präsident Ebrahim Raisi droht Israel.
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Foto: dpa Das Satelliten­bild zeigt eine Atomanlage im Iran. Das Nuklearpro­gramm des Regimes steht im Fokus westlicher Staaten.

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