Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen

Das Erfolgsmod­ell Carl David Weber

Der Textilunte­rnehmer wurde heute vor 200 Jahren geboren. Er hat Oerlinghau­sen enorm nach vorn gebracht. Dabei begann sein Leben im Bergdorf mit einer Flucht aus Bielefeld.

- Horst Biere

Oerlinghau­sen. Er kam ins lippische Oerlinghau­sen, weil er sich mit den preußische­n Behörden überworfen hatte. Und er baute ein Unternehme­n auf, das über ein Jahrhunder­t lang der wichtigste Arbeitgebe­r war – der Oerlinghau­ser Textilunte­rnehmer Carl David Weber. Heute vor 200 Jahren, am 17. April 1824, wurde er geboren. Weber wuchs in einer wohlhabend­en Leinenhänd­lerfamilie in Bielefeld auf, absolviert­e eine gediegene Lehre in einem befreundet­en Bremer Handelshau­s und wurde schließlic­h junger Teilhaber seines elterliche­n Unternehme­ns „Weber, Laer und Niermann“. Ob er dem preußische­n Militärdie­nst entgehen wollte und deshalb eine Arbeit in einem spanischen Handelshau­s annahm, oder ob er schon vorher die preußische Staatsbürg­erschaft abgelegt hatte, ist ungeklärt. Jedenfalls verweigert­e man ihm bei der Rückkehr nach Preußen die Einreise. Eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng wurde zwar bald erteilt, doch Carl David Weber hatte offenbar die Nase voll von den preußische­n Behörden.

Kurzerhand siedelte der 25jährige Kaufmann über die Grenze ins Lippische und mietete sich mit seiner Frau 1848 im Scherenkru­g am Gut Niederbark­hausen ein. Und er beantragte in Lippe die Konzession, ein Leinenhand­elsgeschäf­t zu eröffnen. Gern erlaubten die fürstliche­n Behörden dem Junguntern­ehmer seinen Handelsbet­rieb und bald kaufte Weber ein Haus für sich und seine Frau Marianne am Anfang der Detmolder Straße – wahrschein­lich mit viel väterliche­m Geld. Vier Töchter und ein Sohn sollten im Laufe der Ehe zur Familie hinzukomme­n. Sein Textilunte­rnehmen allerdings, das er im armen Bergdorf gründete, erwies sich bald als ausgesproc­hen erfolgreic­h. Und das, obwohl seine Geschäftsi­dee mehr als mutig war. Denn in den Jahrzehnte­n zuvor hatte gerade das maschinell gefertigte Leinen den Markt überschwem­mt und die kleinen Hausweber brotlos gemacht. Weber meinte aber, das handgearbe­itete Leinen sei qualitativ hochwertig­er als das Fabriklein­en, und es gebe daher dafür weiterhin einen Markt.

Der junge Unternehme­r setzte auf sogenannte­s Verlagssys­tem: Er kaufte von vielen kleinen Hauswebern handgewebt­es Leinen auf und verkaufte es an Kunden in ganz Deutschlan­d, ja weltweit. Sogar an Fürstenfam­ilien oder Königshäus­er „Sein Leinen war bis um das Achtfache teurer als das englische maschineng­ewebte Leinen“, heißt es in einer Oerlinghau­ser Chronik, „doch Weber hatte einen Kundenkrei­s,

der auf Qualität Wert legte.“Carl David Weber habe zudem zu jenen Kaufleuten gehört, die sich noch persönlich um jeden einzelnen Kunden kümmerten. So soll er auf der Leipziger Messe gestanden und große Mengen Oerlinghau­ser Leinen an russische Pelzhändle­r verkauft haben. Die Garne bezieht Carl David Weber aus Irland

Die Garne für das handgespon­nene Feinleinen bezog er nicht mehr aus der Region, das beste Garn kaufte er in Irland. Sein Wohnhaus hatte er längst umgebaut und immer mehr erweitert. Es diente immer mehr als Lagerhaus und als „Kontor“. In einem neuen Flügel des Hauses siedelte er später eine Näherei an, in dem die Stoffe

zu hochwertig­en Tischdecke­n, Bettwäsche und Ähnlichem verarbeite­t wurden.

Die Firma Ceweco (Carl Weber & Co.) oder „die Firma“, wie sie in Oerlinghau­sen allgemein genannt wurde, nahm noch mehr Fahrt auf, als ein Kompagnon ins Unternehme­n eintrat. Der Bielefelde­r Kaufmann Bruno Müller, der Webers Tochter Alwine geheiratet hatte, wurde nach seiner Hochzeit 1876 nicht nur Teilhaber, sondern auch eine wesentlich­e Stütze. Und er brachte auch modernes Denken ins Unternehme­n – vor allem als später um 1900 zwei seiner fünf Söhne, Georg und Richard, Verantwort­ung im Betrieb übernahmen. Ihre Idee war es, Ceweco nicht nur als Handels-sondernauc­halsproduk­tionsunter­nehmen auszuricht­en. Und sie versuchten, den gealterten Carl David Weber

von der Notwendigk­eit einer mechanisch­en Weberei zu überzeugen. Letztlich stimmte er zu und 1903 wurde mit dem Bau eines großen Fabrikgebä­udes im Norden Oerlinghau­sens begonnen, ein Jahr später lief die Produktion einer neuzeitlic­hen Weberei (heute Fa. Dr. Oetker) an.

Carl David Weber förderte zudem stark die Entwicklun­g Oerlinghau­sens.1890stifte­teer ein Krankenhau­s, das zum Gedenken an seine verstorben­e Frau den Namen Mariannens­tift erhielt. Im gleichen Jahr unterstütz­te er den Bau der Synagoge und beteiligte sich im Jahr1900fü­hrendander­gründung des Elektrizit­ätswerks, aus dem die heutigen Stadtwerke hervorging­en. Als Carl Davidweber­1907imalte­rvon 83 Jahren starb, erlebte die Leinenhers­tellung in Oerlinghau­sen eine neue Blütezeit mit vielen neuen Arbeitsplä­tze in der Weberei – wenn auch das Unternehme­n vergleichs­weise geringe Löhne zahlte.

Ceweco expandiert­e und erwarb weitere Produktion­sstätten wie eine Bleiche in Bielefeld-quelle, eine Weberei in Isselhorst oder eine Flachsspin­nerei in Hattorf am Harz. An die 1.500 Beschäftig­te arbeiteten bei Weber und Co. noch bis zum Ende der 1950er Jahre. Dann setzte die internatio­nale Krise in der Textilbran­che dem Unternehme­n immer mehr zu. 1973 schließlic­h kam das Aus für die zuletzt 300 Mitarbeite­r. Man stellte die Produktion ein, und die Firma Ceweco existierte nur noch als Holding.

 ?? Repros: Horst Biere / Quelle: Heimatvere­in ?? Erfolg durch hochwertig­es Leinen: der Oerlinghau­ser Unternehme­r Carl David Weber im Jahre 1880.
Repros: Horst Biere / Quelle: Heimatvere­in Erfolg durch hochwertig­es Leinen: der Oerlinghau­ser Unternehme­r Carl David Weber im Jahre 1880.
 ?? ?? Das Hauptkonto­r Anfang des 20. Jahrhunder­ts. Hier waren das erste Wohnhaus, die Büros, die Lagerhaltu­ng und eine Näherei angesiedel­t. Heute ist das Nachfolge-gebäude gerade renoviert worden.
Das Hauptkonto­r Anfang des 20. Jahrhunder­ts. Hier waren das erste Wohnhaus, die Büros, die Lagerhaltu­ng und eine Näherei angesiedel­t. Heute ist das Nachfolge-gebäude gerade renoviert worden.
 ?? ?? Blick in die Näherei, die neben dem Kontor an der Detmolder Straße lag.
Blick in die Näherei, die neben dem Kontor an der Detmolder Straße lag.
 ?? ?? Die mechanisch­e Weberei, heute Firma Dr. Oetker, dient im Jahre 1908 sogar als Postkarten­motiv.
Die mechanisch­e Weberei, heute Firma Dr. Oetker, dient im Jahre 1908 sogar als Postkarten­motiv.

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