Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen
Ein starker Cdu-vorsitzender
Friedrich Merz ist ein guter Redner, ein Redner, der Versammlungen begeistern kann. Die 1.001 Cdu-delegierten hat er begeistert. Sie haben seine erste Wahl ins Amt vor zwei Jahren mit einer neuen wuchtigen Mehrheit bestätigt. Merz kann als Redner auch sehr überzeugend sein. Als junger Abgeordneter des Bundestags beeindruckte er in einem Nachwuchswettbewerb eine Jury so stark, dass sie ihn einstimmig zum Sieger bestimmte. Jurymitglieder damals: Joschka Fischer (Grüne), Heiner Geißler (CDU) und Rudolf Dressler (SPD). Merz kann überparteilich Mehrheiten hinter sich versammeln.
Diese Mehrheit verleiht seiner Wiederwahl besonderes Gewicht. Der neue, alte Parteichef ist als Führer der Union aktuell so unumstritten wie es Armin Laschet war. Ja, es gibt Mäkeleien an der konservativeren Ausrichtung im neuen Grundsatzprogramm. Sie kommen auch von Ministerpräsidenten und sogar von den christlichen Kirchen. Aber Merz darf sich als Verdienst zurechnen lassen, die Neuaufstellung der Partei so erfolgreich organisiert zu haben, dass er sie nun als seine Partei bezeichnen darf. Er sieht sie mit sich an der Spitze als Partei der Zeitenwende. Er hat die Union aus desaströsen Umfragen an 30 Prozent geführt. Ob es zu mehr reicht, das ist offen. Wie offen, das zeigt ein Blick auf die Umfragewerte vor vier Jahren, also ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl 2021. Da lag die Union zwischen 38 und 40 Prozent–etwazehnpunktehöher
als heute; die SPD bei 15 – wie heute. Die schwarz-grüne Regierungsmehrheit schien so gut wie sicher. Aber das ist Geschichte. Nun ist Merz mit dieser Wiederwahl derjenige, der alle Fäden bis zur Bundestagswahl in den Händen hält. Jeder Vergleich hinkt, aber ein wenig hat er der Union ihre Identität wiedergegeben, wie es Oskar Lafontaine mit der SPD vor 1998 gelang. Will er Kanzlerkandidat werden, dann wird er es. Das kann ihm niemand mehr streitig stellen.
Das konnte auch bei Angela Merkel 2005 niemand, als sie mit einem ähnlich liberal-konservativen Programm gegen einen Kanzler Gerhard Schröder antrat, mit riesigem Vorsprung führte – und sich dann gerade noch mit einem hauchdünnen Vorsprung in eine große Koalition rettete. Merkel lernte daraus, dass stabile Regierungsmehrheiten nur in der Mitte zu gewinnen sind. Ähnliche Erfahrungen machte ein paar Jahre zuvor Lafontaine, der als Parteichef einem erfolgversprechenderen Kanzlerkandidatendenvortrittließ.
Merz wird sich diese Frage nach den Landtagswahlen im Osten ebenfalls vorlegen müssen. thomas.seim@ ihr-kommentar.de Titelseite, Politik