Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen
Landestheater hinterfragt die Wirklichkeit
Die neue Spielzeit wird im September mit einem Fest für alle rund um das Gebäude in Detmold eröffnet. Es gibt „Die Dreigroschenoper“, „Ein Käfig voller Narren“, „Homo Faber“, „Die Konferenz der Tiere“und mehr.
Oerlinghausen/leopoldshöhe/detmold. Der neue Spielplan des Landestheaters Detmold trifft auf eine Übergangszeit. Intendant Georg Heckel verabschiedet sich und geht nach Oldenburg. Kirsten Uttendorf kommt aus Darmstadt und übernimmt das Ruder. Und so ist, in gewisser Weise, das Motto des Spielplans 24/25 auch Programm für den Wechsel: „Willkommen in meiner Wirklichkeit“– und zwar in der alten und der neuen.
Tatsächlich geht es natürlich um mehr. „Jeder hat eine unterschiedliche Sicht auf die Zeit, in der wir leben“, sagt die designierte Intendantin Kirsten Uttendorf bei der Vorstellung des 145 Seiten starken Spielplanheftes. Dabei seien die Meinungen vieler Menschen heute vorgefasst, und Künstler hätten den Auftrag, Dialoge anzustoßen, Gespräche und das Nachdenken über die Gesellschaft zu inspirieren und scheinbar in Stein Gemeißeltes aufzubrechen.
Durch den Gastspielbetrieb habe das Landestheater zudem die große Chance, solche Intentionen über Detmold hinaus ins Land zu tragen. Hier bedankte sie sich bei der bisherigen Crew der Bühne rund um Georg Heckel für alles, was bislang geleistet wurde und wie sie in Detmold in Empfang genommen wurde – bis vor Kurzem fuhr Kirsten Uttendorf noch zweigleisig mit ihrem noch laufenden Vertrag als Operndirektorin in Darmstadt.
Schauspiel
Schauspieldirektor Jan Steinbach und die neue leitende Schauspiel-dramaturgin Katrin Aissen gaben Einblicke in die Schauspielsparte. „Die Dreigroschenoper“(Bertolt Brecht), „The Party“(Sally Potter) und „Automatenbüffet“(Anna Gmeyner) wird es auf der großen Bühne neu geben sowie „Der Haken“(Lutz Hübner, Sarah Nemitz) und „A Clockwork Orange“(Anthony Burgess) im Sommertheater. Im Hoftheater steht „Eine Sommernacht“(David Greig, Gordon Mcintyre) an sowie im Grabbe-haus „Bilder einer großen Liebe“(Wolfgang Herrndorf), „Homo Faber“ (Max Frisch), „Wald“(Miriam V. Lesch) sowie „Mutter Vater Land“(Akin Emanuel Sipal).
Für Jan Steinbach wird die „Dreigroschenoper“seine erste Brecht-inszenierung: Das Ende der Weimarer Republik, der Rechtsruck in der Gesellschaft – das seien Einblicke in die Wirklichkeit der Gesellschaft von damals, die viel über das Heute sage. „Homo Faber“, ergänzt Katrin Aissen, zeige als „immer noch brisante Geschichte“wiederum auf, dass mit Sachlichkeit und Rationalität nicht alles zu lösen sei, während „Mutter Vater Land“wiederum Einblicke in 100 Jahre deutsch-türkische Geschichte gebe und die Frage aufwerfe: „Was prägt uns?“
Junges Theater
Das Junge Theater befasst sich mit der „Wirklichkeit“im Hinblick auf Kommunikation. „Die Konferenz der Tiere“steht als Weihnachtsmärchen an, und „Lost and Found: Ein Herz und andere Dinge“(Rike Reininger). Nach dem Klassiker von Leo Lionni richtet sich „Frederick“(die Maus) mit viel Musik an die ganz junge Zielgruppe ab vier Jahren. Zudem gibt es Schulkonzerte.
Musiktheater und Ballett
Davon stehen ohnehin so einige an. Das sinfonische Orchester spielt zwei Sinfonieund ein Sonderkonzert. Es gibt ein Chorkonzert und eine Strauss-gala sowie fünf Kammerkonzerte. Generalmusikdirektor und die neue leitende Dramaturgin für Musiktheater und Ballett, Katharina Schellenberg, gaben Einblicke in die Sparte Oper/operette/musical. Mit „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“(Giacomo Puccini) könne sich das Publikum beinahe auf einen „frühen Italowestern“freuen. Außerdem gibt es „Ein Käfig voller Narren“(das schon vor einigen Jahren ein großer Hit am Landestheater war), „Die Zauberflöte“von Mozart, Rossinis „Aschenputtel (La Cenerentola)“sowie „Die Herzogin von Chicago“(Emmerich Kàlmàn). Und das Ballett wirft mit einer Choreographie von Ballettdirektorin Katharina Torwesten Blicke hinter die Kulissen der eigenen Wirklichkeit mit „Licht aus, Spot an:
Backstage!“Zudem steht erneut eine große Ballettgala mit „Sternstunden des Tanzes“an.
Fest rund ums Theater
Eröffnet wird die neue Spielzeit am 1. September mit einem Fest auf dem Theatervorplatz – offen für alle. Hier will das Theater sich nicht nur unters Volk mischen, sondern auch das Volk unters Theater und Begegnungen schaffen: miteinander ins Gespräch kommen, kleine Beiträge zeigen und mehr. Etwas offizieller wird es am selben Tag bei der 41. Sparkassen-matinee, die traditionell zur Spielzeiteröffnung geboten wird. Ansonsten gibt es Theaterführungen in kleinen Gruppen. Es soll eine Musikreihe „Unerhört! – Begegnungen mit Komponistinnen“geben, die lange im Schatten der männlichen Kollegen standen. Und mit dem Format „Crossover“will das Theater Menschen in Kontakt bringen – ein Schneider trifft einen Designer, eine Theatersängerin eine mit ganz anderem Stil. Menschen mit ähnlichen Berufen und Berufungen tauschen sich aus und zeigen dem Publikum, was sie schätzen.