Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen
Lauterbach wagt ein Experiment – das geht nicht allein
Wird die Krankenhausreform das neue Heizungsgesetz? Ein Projekt, das bei den Bürgern mehr Unsicherheit als Klarheit stiftet und das totgeschrieben wird, bevor es überhaupt an den Start geht? Wer die Diskussionen der vergangenen Monate verfolgt, kann diesen Eindruck gewinnen. Dass es anders kommen wird, liegt jetzt vor allem in der Verantwortung zweier Minister.
Im Mittelpunkt des Sturms steht Karl Lauterbach. Der Bundesgesundheitsminister hat es geschafft, große Teile der Branche gegen sich aufzubringen. Auch die 16 Bundesländer machen parteiübergreifend Stimmung gegen seine Pläne. Das muss man erst mal schaffen. Schnell kommt da der Eindruck auf, dass der zerzaust wirkende „Chaos-karl“zwar fachlich versiert, aber eben kein Typ ist, der ein Ministerium leiten und Menschen einbinden kann. Tenor: weniger Genialität, mehr Wahnsinn.
Als öffentlicher Widersacher Lauterbachs agiert Nrw-gesundheitsminister Karl-josef Laumann. Auch ein Typ, auch ein Mann vom Fach,aucheinalphatier,aber besser vernetzt und mit feinerem politischen Riecher als Lauterbach. Im Kern liegen die beiden Politiker bei der Krankenhausplanung gar nicht so weit auseinander. Beide sind der Meinung, dass es massive Veränderungen im Gesundheitswesen braucht. Beide wollen, dass sich Kliniken spezialisieren – und dass diese eine bessere Grundfinanzierung erhalten, ein bisschen so wie bei der Feuerwehr und Polizei. Der Unterschied: Laumann glaubt, dass „die da in Berlin“zu weit weg vom Schuss sind – und dass es bei der Frage, ob Kliniken fusionieren oder gar schließen sollen, pragmatische Einzelfall-entscheidungen vor Ort und eben keine Bundesschablone braucht. Lauterbach will hingegen klare Qualitätsstandards als Basis haben – und dabei keine Extrawürste zulassen, aus Angst vor einem Dominoeffekt.
Wer ihn im persönlichen Gespräch erlebt, bekommt den Eindruck, dass sich Lauterbach, der oft unsortiert wirkt, durchaus bewusst ist, welch großes Risiko er gerade eingeht. Er weiß, dass er weite Teile der Branche gegen sich aufbringt – und massive Konflikte aushalten muss. Er wirkt dabei aber entschlossen und scheint überzeugt zu sein, das nötige Fachwissen zu haben. Wichtiger noch: Auch die sonst so zerstrittene Ampel und der Kanzler geben ihm Rückendeckung. Schon beim Transparenzgesetz hatte Lauterbach 16 Länder gegen sich. In Kraft getreten ist es dennoch. Auch, wenn einiges dafür spricht, dass sich Lauterbach erneut durchsetzen wird: Er wäre gut beraten, bei aller Überzeugung nicht zu selbstsicher und isoliert vorzugehen, sondern die Kritiker einzubinden. Sie sind es, die seine Pläne in der Praxis umsetzen werden. Eine Reform gegen alle Beteiligten kann kaum gelingen.
„Schon beim Transparenzgesetz hatte Lauterbach 16 Länder gegen sich. In Kraft getreten ist es dennoch“