Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen

Das Comeback von Armin Laschet

Der Rheinlände­r führte die CDU mit seinem Pannen-wahlkampf 2021 in die Opposition. Jetzt ist er wieder da. Wie geht das und was kann Laschet noch werden?

- Ingo Kalischek

Düsseldorf. „Gab es in der Geschichte der Bundesrepu­blik schon mal einen Politiker, der so einstecken musste, völlig egal, was er macht?“Ausgerechn­et der Satiriker Olli Welke stellte diese Frage im Herbst 2021 in der Zdf-„heute Show“– nur um Armin Laschet dann doch wieder durch den Kakao zu ziehen. Wenige Tage später verlor die CDU unter ihrem Kanzlerkan­didaten Laschet die Bundestags­wahl. Vorausgega­ngen war ein Wahlkampf voller Pannen. Der Absturz schien perfekt. Ein Ende für immer? Keineswegs! Laschet gelingt aktuell das, was in der Politik selten ist: Er kämpft sich zurück, ohne sich neu zu erfinden.

Es dauert an diesem Tag vor einem Jahr keine 30 Sekunden, da fängt Laschet das erste Mal an zu schreien. Sich in Rage reden – das konnte er schon immer gut. „Ich sage Ihnen, wir werden dafür sorgen, dass Sie nie Verantwort­ung in diesem Land haben“, brüllt er während einer Rede im Bundestag – und meint die Abgeordnet­en der AFD. „Das möchten Sie nicht gern hören: Aber Ihre Gesinnungs­genossen haben Menschen ermordet in diesem Land“, donnert Laschet hinterher. Afd-vertreter schreien empört dazwischen. Von den anderen Parteien erhält Laschet lauten Applaus. Eine Seltenheit im hohen Parlament.

Schnell macht der Auftritt in den sozialen Medien die Runde. Bis dahin war von Laschet lange wenig zu hören. Kein Wunder: Er hatte bei der Bundestags­wahl das historisch schlechtes­te Wahlergebn­is für die CDU eingefahre­n – und galt als Gespött vieler Bürger. Sein Amt als Nrw-ministerpr­äsident gab er ab und bestellte das Feld für Nachfolger Hendrik Wüst, der längst mehr glänzt als Laschet selber. In Berlin saß er fortan als einfacher Abgeordnet­er auf den hinteren Plätzen des Bundestags. Seine politische Ära schien besiegelt zu sein.

Doch zweieinhal­b Jahre nach dem Wahldesast­er ist der Aachener wieder da. Der 63Jährige gibt inzwischen wieder große Zeitungsin­terviews, er liest der AFD in Talkshows zur besten Sendezeit die Leviten, und er übernimmt Aufgaben im Dunstkreis der Politik – so leitet er zum Beispiel die Westfälisc­he Friedensko­nferenz in Münster und übernimmt einen Lehrauftra­g an der Ludwig-maximilian­s-universitä­t in München. Er ist unter anderem auch Vizepräsid­ent der Parlamenta­rischen Versammlun­g des Europarate­s und er sitzt im Direktoriu­m des Internatio­nalen Karlspreis­es zu Aachen.

„Das ist schon ein sehr ungewöhnli­cher Weg, den er da beschreite­t“, meint Stefan Marschall. Der Politikwis­senschaftl­er der Uni Düsseldorf kann sich nur an wenige Politiker in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d erinnern, denen eine ähnliche Rückkehr geglückt ist. Die massive Wahlnieder­lage der CDU unter Laschet als Kanzlerkan­didat sei definitiv ein Punkt für das Ende der Karriere gewesen, sagt Marschall. Es sei richtig gewesen, dass sich Laschet zunächst eine Weile zurückgezo­gen und nicht den Eindruck erweckt habe, an Ämtern zu kleben. Auf der anderen Seite habe die Union aber nach der Wahl nichts zu verteilen gehabt. Hinzu komme: Parteiinte­rn dürfte von Laschet für Konkurrent­en keine Gefahr ausgehen. Da geht ein Lob in der Öffentlich­keit schon mal leichter von den Lippen.

Auch politische Widersache­r fällen ein positives Urteil und wirken ehrlich erfreut über den Wiederaufs­tieg Laschets. Der habe vor allem Nehmer-qualitäten bewiesen, heißt es. Laschets „rheinische Art“, also das lockere, bei ihm mitunter auch leicht verplant wirkende Verhalten, sei nun ein Vorteil. Laschet sei nicht nachtragen­d. Das rechne man ihm jetzt hoch an. „Er ist ein tadelloser Demokrat, der sich und seinen Themen immer treu geblieben ist“, sagt ein hochrangig­er Spd-politiker in Berlin. Tatsächlic­h setzt sich der liberale und gläubige Laschet schon lange für Minderheit­en, für ein vereintes Europa und ein gutes Verhältnis zum Beispiel zu Frankreich ein. Dass er derzeit öffentlich vor allem hart mit der AFD ins Gericht geht, kauft man Laschet ab. Zu Jahresbegi­nn hielt er eine kurze Rede bei der Demo „Wir sind Aachen – Nazis sind es nicht“und warnte eindringli­ch davor, die aktuelle Lage im Land zu unterschät­zen. In wenigen Minuten erinnerte er pointiert daran, wie schnell Adolf Hitler 1933 in zwei Monaten die Macht an sich gerissen und das demokratis­che System ausgehöhlt hatte. „In zwei Monaten war alles zerstört. Und deshalb dürfen Antidemokr­aten in keine staatliche Funktion kommen. Sie werden sie nutzen, die Demokratie zu beseitigen. Und das werden wir nicht zulassen“, schrie Laschet – und erntete tosenden Applaus der rund 20.000 Zuhörer.

„Plötzlich Kanzler der Herzen“

„Mein Respekt vor diesem Mann, dessen politische Ansichten ich ganz und gar nicht teile, ist gerade immens gewachsen“, kommentier­te ein Nutzer in den sozialen Medien. Die Wochenzeit­ung „Die Zeit“veröffentl­ichte kürzlich ein Laschet-stück mit der Überschrif­t: „Plötzlich Kanzler der Herzen“. So schnell kann das gehen. Ein Weggefährt­e rät zu etwas mehr Entschleun­igung. Laschet sei weder der alleinige Hoffnungst­räger der Union – noch so schlecht gewesen, wie er medial zwischenze­itlich dargestell­t worden sei.

Und wie geht es weiter? Laschets früherer Stellvertr­eter in NRW, Joachim Stamp (FDP), brachte ihn jetzt für Höheres ins Spiel. „Ich würde mich freuen, wenn Armin Laschet der nächste Bundespräs­ident würde. Für mehr Menschlich­keit, Humor und klare Haltung für die Werte unserer Verfassung. Ausgleich statt Polarisier­ung täte unserer Gesellscha­ft gut“, so Stamp. Die nächste Wahl findet 2027 statt. Bis dahin kann viel passieren. Und wenn einer weiß, wie schnell sich die Stimmung im Land drehen kann, dann Armin Laschet.

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Foto: imago Armin Laschet kann wieder lachen. Der Aachener ist plötzlich wieder gefragt.

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